Süddeutsche Zeitung

Dokumentarfilm:"Alle haben ihr Leben gemeistert"

Regisseurin Karin Kaper über "Wir sind Juden aus Breslau"

Interview von Blanche Mamer, Starnberg

In ihrem Dokumentarfilm "Wir sind Juden aus Breslau" porträtieren die Berliner Regisseure Karin Kaper und Dirk Szuszies eine Gruppe von Juden, die in den 20er und 30er Jahren in Breslau aufgewachsen sind, ganz unterschiedliche Erfahrungen während der Nazidiktatur machten und nach dem Krieg verschiedene Schicksale erlebten. Der Film ist an diesem Mittwoch, 19.30 Uhr, in einer Sondervorstellung in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und dem Starnberger Dialog im Kino in Starnberg zu sehen. Eine Schulvorführung ist für Donnerstag, 10 Uhr, geplant, jeweils mit Einführung durch die Regisseurin und anschließendem Filmgespräch. Wir sprachen mit Karin Kaper, die ihren Film gerade in Salzburg zeigt.

SZ: Frau Kaper, Sie sind viel mit Ihrem Film unterwegs. Hat sich nach dem Terroranschlag in Halle etwas verändert?

Karin Kaper: Antisemitische und fremdenfeindliche Angriffe sind ja nicht neu und nehmen zu. Halle war ein Gipfel und hat große Betroffenheit ausgelöst. Ich stelle eine wirklich große Verunsicherung darüber fest, wie schnell sich die politische Situation zuspitzen kann. Das Interesse an unserem Film, der ja schon vor drei Jahren in Breslau Premiere hatte, nimmt zu. Die Buchungen werden stärker und stärker.

Stellen Sie Parallelen fest zwischen damals und heute?

Wir haben eine große Verantwortung und weisen auf die schleichende Veränderung hin. Der Bezug zu heute ist uns sehr wichtig. Wir haben zu Nazi-Aufmärschen zum Beispiel nationalistische Demos in Breslau geschnitten. Wir sehen, was allgemein in den Schulen los ist und finden, dass man die Brisanz aufzeigen muss.

Sie zeigen ganz verschiedene Charaktere und Herkunftsfamilien, die jeweils anders mit der Verfolgung umgehen. Gibt es etwas Verbindendes?

Jedes Leben war anders, Familie Stern ist im letzten Moment die Flucht gelungen, die Lasker-Schwestern waren in Auschwitz, andere sind mit dem Schiff nach Palästina. Manche waren tief religiös, andere sehr liberal. Das Verbindende ist, dass sie alle ihr Leben gemeistert haben und immer noch aktiv sind. Guenter Lewi hat mit über 90 ein Buch geschrieben, Esther Adler organisiert das Kulturprogramm in ihrer Bostoner Seniorenresidenz.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2019
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