Dörfer am Starnberger See:Gesicht bewahren

Dörfer am Starnberger See: Die Ausstellung zum Thema Baukultur lockt zahlreiche Besucher und Kommunalpolitiker nach Münsing.

Die Ausstellung zum Thema Baukultur lockt zahlreiche Besucher und Kommunalpolitiker nach Münsing.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Eine Ausstellung beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Bauen und dörfliche Strukturen vereinbaren lassen

Von Wolfgang Schäl, Münsing

Kann die allenthalben übliche Doppelhaushälfte mit geräumigem Garten noch die Wohnform der Zukunft sein angesichts eines rasant wachsenden Siedlungsdrucks und explodierender Grundstückspreise? Wie können ländliche Gemeinden unter diesen wirtschaftlichen Zwängen ihre Identität wahren und sich trotzdem bürgernah weiterentwickeln? Wie kann ein Dorf fahrradfreundlich werden, und schließlich: Wie lässt sich die zunehmende Zerstörung von Erholungslandschaft verhindern? Das alles sind baukulturelle Fragen, mit denen sich die im baulichen Wandel befindliche Seegemeinde Münsing verstärkt beschäftigt - aber nicht sie allein muss Antworten finden.

So war es nicht überraschend, dass die im hiesigen Gemeindehaus gastierende Wanderausstellung "Baukultur gewinnt - Beispiele zukunftsfähiger Gemeindeentwicklung in Österreich und Deutschland" auf enormes Interesse stieß, insbesondere Bürgermeister, Kreis- und Gemeinderäte, Behördenvertreter und Planer aus dem Umland waren gekommen. Exemplarisch zeigt die Ausstellung großformatige Bilder von gelungenen Formen baulicher Entwicklung insbesondere österreichischer Kommunen wie Lustenau oder Krumbach. Beide wurden für ihre Ortsgestaltung prämiert. Die Kommunalpolitiker aus der Region bekommen durch die Ausstellung Ideen und Anregungen.

Und sie werden zum Diskutieren angeregt. "Den Gemeinden muss ihre Planungshoheit erhalten bleiben", fordert Münsings Bürgermeister Michael Grasl, der in seinem Grußwort beklagte, "dass mittlerweile jeder zweite Bebauungsplan vor Gericht endet". Das komplizierte Baurecht stelle dabei für die Kommunen eher Hürden auf, als dass es ihnen bei ihren schwierigen Aufgaben helfe. Speziell für Münsing stelle sich aktuell die Frage, wie viel Veränderung die Gemeinde vertragen kann. Vor diesem Hintergrund forderte er die Kommunalpolitiker auf, jegliches "Kirchturmdenken abzubauen" und nach übergreifenden, gemeinsamen Lösungen bei der Siedlungsentwicklung zu suchen. Denn im Interesse der Kinder- und Enkelgeneration könne es nicht so weitergehen wie bisher. Es dürfe nicht sein, dass die Gemeinden unter dem hohen Baudruck "ihr Gesicht verlieren".

Thomas Moser vom österreichischen Verein Landluft, der die Wanderausstellung konzipiert hat, betont, dass es überall, wo man es mit Menschen zu tun habe, Defizite gebe. Man könne aber "auf dem Land ebenso coole Projekte machen wie in der Stadt". Leider würden nur wenige von den vielen ausgelobten Architekturpreisen für gemeindliche Entwicklung vergeben. Wie die notwendige Bürgerbeteiligung gelingen kann, erläuterte Michael Pelzer, bis 2014 Bürgermeister der Gemeinde Weyarn, die es mit starkem Wachstumsdruck zu tun hat und dafür ein überregional beachtetes Vorzeigemodell für die Kooperation zwischen Einwohnern, Verwaltung und Politik entwickelt hat. Das dörfliche Leben bestehe vor allem aus Nachbarschaft, und die könne sich nicht darin erschöpfen, dass man sich hinter zwei Meter hohen Thujahecken verschanze. Eine Gemeinde wiederum müsse die Mitarbeit ihrer Bürger akzeptieren, Politik und Verwaltung dürften sich "nicht mit Herrschaftswissen umgeben". "Mitwirkung der Bürger muss man wirklich zulassen", fordert das langjährige Ratsoberhaupt aus dem Miesbacher Landkreis - keine allzu neue Botschaft für die Gemeinde Münsing, die 2010 nach zweijähriger Debatte ihr eigenes Leitbild verabschiedet und in einer Broschüre umfassend dokumentiert hat. Doch es sei sinnvoll, jetzt einmal Zwischenbilanz zu ziehen, betont ihr Bürgermeister Grasl.

Dass Baukultur "etwas sehr Persönliches" sei, sagt der Münchner Regionalplaner Andreas Raab, "die gebaute Umwelt beeinflusst jeden Menschen". Er konstatiert eine "Komplexität von Interessen", die sich in einer zunehmenden Aggressivität der Sprache äußere. Ein Teil der Bevölkerung sehne sich zurück in eine Zeit, "als die Welt noch in Ordnung war". Auch die Diskussion um den Münsinger Pallauf-Hof bewege sich "im Spannungsfeld zwischen alt und neu". Wichtig sind für Raab der Erhalt dörflicher Freiflächen, die Vernetzung fußläufiger Verbindungen und eine kleinräumige Verkehrsführung.

Die Ausstellung ist bis Freitag, 15. Februar, täglich von 9 bis 16 Uhr im Münsinger Gemeindesaal, Weipertshauser Straße 5, zu sehen

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: