Ein Jet rast durch enge Schluchten, stürzt im Steilflug über eine Bergkuppe und vollführt einen Looping. Auch, wenn es so wirkt: Dies ist keine Szene aus einem Science-Fiction-Computerspiel, sondern eine wissenschaftliche Testanordnung. Während die Bilder über das Handydisplay laufen, zoomt in der nächsten Einstellung die Kamera ins Simulationszentrum des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt). Hier sieht man das auf einem riesigen Industrie-Roboterarm montierte Cockpit des Simulators RMS sich nach allen Seiten um die eigene Achse drehen sowie hin- und herschwanken.
Im Juni trat DLR-Mitarbeiter Sebastian Kümper als Simulatorpilot für den kurzen Promotion-Film auf, den er nun auf seinem Handy abspielt. Piloten und Entwickler sollen damit angesprochen werden. Denn sie können ohne Angst vor Abstürzen im neuen Simulatorzentrum des DLR in den Simulatoren gefahrlos Flüge in Überkopflage sowie Rotationen um die Längs- und Vertikalachse machen. Zwei Stunden lang saß Kümper für die Filmaufnahmen im Cockpit, genau das Richtige für den Informatiker. „Ich fahre gerne Achterbahn“, gesteht er. Außerdem hat er einen Pilotenschein und sitzt auch schon mal gerne zum Spielen am PC. Bei dem gezeigten Projekt kümmerte er sich um die Visualisierung und die Software. Auch, wenn das Testen Spaß macht – die Simulatoren sind eine ernsthafte wissenschaftliche Angelegenheit.
20 Jahre lang forschten die Wissenschaftler an der Technologie für die robotischen Bewegungssimulatoren. Jetzt eröffnete das DLR offiziell sein als „weltweit einzigartige Anlage“ gepriesenes Dynamic Motion Simulation Center (DMSC) am Standort Oberpfaffenhofen.
Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern des Instituts für Systemdynamik und Regelungstechnik steht Kümper in der großen Halle und beantwortet die Fragen der Gäste aus Forschung und Wirtschaft. Nachdem das symbolische Band durchschnitten ist, dürfen die Gäste selbst ins Cockpit klettern und einen der Simulatoren „live“ ausprobieren. Als Erstes setzen sich Markus Fischer (DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt) und Martin Otter (kommissarischer Direktor des Instituts für Systemdynamik und Regelungstechnik) in das Cockpit von „Pavsim“. Dieses Kürzel steht für „Personal Air Vehicle Simulator“, erklärt Abteilungsleiter Tobias Bellmann. Hier können beispielsweise Senkrechtstarter wie Helikopter oder Lufttaxis getestet werden.


Fischer setzt sich eine VR-Brille auf, Bellmann schließt die Cockpithaube und los geht’s. Der Roboterarm fährt in die Höhe, das Cockpit ruckelt. Fischer spürt nun nicht nur die Bewegungen des Simulators, sondern sieht über Virtual Reality in der künstlichen Landschaft, wie er über München fliegt. Nach ein paar Minuten „landet“ er. „Hat sich echt angefühlt“, versichert er.
Drei Bewegungssimulatoren stehen in der Halle für Kunden aus Industrie und Forschung aus der ganzen Welt bereit. Kundensoftware kann eingebunden werden. Die Kunden und Kooperationspartner können verschiedene Schwerpunkte testen, erklärt Bellmann. Das Verhalten des Piloten in Fluggeräten beispielsweise. Wie wirken bestimmte Flug- oder Fahrbewegungen auf den menschlichen Körper? Wie schnell sind die Reaktionszeiten in Stresssituationen oder wie kann die Luftkrankheit frühzeitig erkannt und behandelt werden? In den Simulator setzen sich auch Pilotenanwärter von der Bundeswehr, die ausprobieren, ob sie für den Job geeignet sind, ergänzt Bellmann.
Vor allem für militärische Einsätze sind solche Simulationen wichtig
„Engineering“ ist ein weiterer Testschwerpunkt. Dabei wird das Verhalten von Flugzeugen simuliert. Außerdem können neue Simulationstechniken entwickelt werden. Bei einer Testanordnung wird beispielsweise die Realität mit Virtual-Reality verquickt. Beim Flug im Simulator werden dem Piloten über die VR-Brille eine Originallandschaft, ergänzt mit in der Realität nicht vorhandenen Flugzeugen, die sich am Himmel bewegen, vorgespielt. Vor allem für militärische Einsätze sind solche Simulationen wichtig, so Bellmann.
Das Projekt „Diabolo“ ist im DLR-Forschungsgebiet „Defence Technology“ angesiedelt. Ziel ist es, die Technologie und die Verfahren für Kampfflugzeugkonfigurationen der Zukunft, den „Future Fighter Demonstrator“ weiterzuentwickeln. „Wir wollen zeigen, dass wir dazu bereit sind und es auch können“, sagt Bellmann.

Auf einem kleineren Bildschirm in der Simulatoren-Halle läuft ein Film mit dem italienischen ESA-Astronauten Roberto Vittori. Er sitzt im Cockpit des Simulators und testet eine Mondlandung. Auf dem Display erscheint die Mondoberfläche. Vittori fliegt bei diesem Experiment keinen Jet, sondern eine Mondlandefähre. Vorsichtig manövriert er das Fahrzeug, bis es sicher aufsetzt. Landung geglückt. Der Astronaut ist begeistert. Dank der Übung an Simulatoren, bei der auch kritische Situationen getestet werden wie Steine auf der Landezone, die eine Suche nach alternativen Landplätzen erfordern, oder technische Störungen im Autopiloten, können Landungen auf dem echten Mond trainiert werden.
Der dritte Simulator im neuen Zentrum ist ein kastenartiges Gerät mit beweglichen Füßen, genannt „Dynsim“. Hier wird mit besonders schnellen und kräftigen Rotationen die Eigenschaft von herumschwappenden Flüssigkeiten getestet. Dafür werden auf der drehbaren Plattform Tankbehälter montiert, die über zusätzliche Längs- und Vertikalachsen in einer Endlosschleife gedreht werden können.
Die Besucher sehen einen mit Wasser gefüllten Tank, der auf dem sechsbeinigen Gerät installiert ist, hin- und herwackelt und damit quasi einen Sturm im Wasserglas auslöst. So lassen sich die Schwappbewegungen beispielsweise von Treibstoff und ihre Auswirkungen auf ein Flugzeug untersuchen. Auch hier sind Simulationen für Militäreinsätze angedacht. „In Kampfjets hat herumschwappender Treibstoff einen großen Einfluss auf die Flugdynamik“, erklärt Tobias Bellmann.