Diskussionsabend:Ein Bahnhof steht im Weg

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Nach gescheiterten Verhandlungen und einer Millionenklage suchen Starnberger Politiker nach einer Lösung. Bei einem Informationsabend mit etwa 100 Zuhörern wird deutlich, wie lange das Thema die Stadt schon beschäftigt. Bisher ohne Ergebnis

Von Peter Haacke, Starnberg

Über Starnberg schwebt ein Damoklesschwert: Es geht um das Gesicht der Stadt, die schönste Stelle am Seeufer und die immense Summe von 170 Millionen Euro. Zu Jahresbeginn hat die Deutsche Bahn nach langen Verhandlungen und einer gescheiterten Mediation eine mehrfach angekündigte Schadenersatzklage gegen die Kreisstadt eingereicht. Es geht um die Seeanbindung, das wichtigste und kostspieligste Vorhaben, das jemals geplant war in Starnberg. Pläne für den 1987 fixierten Vertrag zwischen Stadt und Bahn lagen bereits unterschriftsreif auf dem Tisch, verschwanden 2014 aber in der Schublade. Doch wie geht es nun weiter am Bahnhof See, nachdem die Stadt den Vertrag nicht erfüllt hat? BLS, CSU, SPD, UWG und Bürgermeisterkandidat Patrick Janik haben am Mittwoch in einer Veranstaltung in der Schlossberghalle ausführlich darüber informiert. Die zentrale Frage aber blieb unbeantwortet.

Etwa 100 Zuhörer lockte das schwierige Thema, das sich die vier Gruppierungen zum Wahlkampfauftakt auf die Agenda geschrieben hatten. Um Tragweite und Dimension des Vorhabens zu verdeutlichen, schlugen die Veranstalter einen weiten Bogen: Professor Otto Gaßner und Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger (beide UWG) versuchten, die Historie der Seeanbindung seit der Nachkriegszeit anschaulich darzulegen, Vize-Landrat Tim Weidner (SPD) referierte über das Bahnhofsgebäude und seine Bedeutung für Starnberg. Stadträtin Angelika Kammerl berichtete für die CSU als Teilnehmerin der Mediation über mühselige und zähe Verhandlungen mit der Bahn. Und Professorin Christiane Thalgott, die aus ihrer Zeit als Münchner Stadtbaurätin in den Jahren 1992 bis 2007 über einen reichen Erfahrungsschatz verfügt, warnte bei dem Diskussionsabend einmal mehr eindringlich vor den Folgen eines Scheiterns der Verhandlungen mit der Bahn.

Schon lange ärgert Starnbergs Bürger die Trennwirkung der Gleisanlagen. (Foto: Nila Thiel)

Unter Moderation von Janik, der die Gelegenheit zur Ur-Aufführung seines Imagefilms als Bürgermeister-Kandidat nutzte, präsentierte der mit der Technik hadernde Gaßner ein Protokoll des Stadtrats aus dem Jahr 1947. Schon damals hatten sich die Stadtväter Gedanken gemacht über eine Verlegung des Bahnhofs von der schönsten Stelle des Sees für Hotelbauten und als Badeplatz. Im Gegensatz zum Kleinmut der Mandatsträger, die 2016 die Seeanbindung als nicht finanzierbar erachteten, hätten die damaligen Stadträte "Haltung und Mut mit Blick auf die Zukunft" bewiesen.

Altbürgermeister Pfaffinger skizzierte die Entwicklung seit 2002: Kühne Vorschläge habe es gegeben, etwa einen Unterwasser-Bahnhof oder einen Bahntunnel. Aus Kostengründen und wegen des schwierigen Baugrunds entschied man sich daher unter Beteiligung von Fachplanern, Gutachtern, Arbeitskreisen, Verwaltung und Bürgerschaft für eine oberirdische Lösung. Es folgten Bürgerbeteiligungen und Architektenwettbewerbe. Eine Machbarkeitsstudie ergab demnach Kosten in Höhe von 63 Millionen Euro. Als Eva John 2014 die Nachfolge von Pfaffinger antrat, verfügte die Stadt über Rücklagen von 34 Millionen Euro; der Verkauf von Grundstücken - darunter auch Teile der Schiffswiese - hätte 29,6 Millionen erbracht. "Eine Finanzierung erschien aus damaliger Sicht möglich", sagte Pfaffinger. Aktuell beträgt das Vermögen der Stadt eine Million Euro, die Kosten wurden mit 115 Millionen beziffert.

Tim Weidner rückte den Erhalt des historischen Bahnhofs in den Fokus. Er plädierte für ein "stimmiges Gesamtkonzept" und die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung. "Deshalb ist es so wichtig, dass Frau John als Bürgermeisterin nicht wiedergewählt wird", sagte er, "denn sie hat bei den Partnern, auf die wir angewiesen sind, nur verbrannte Erde hinterlassen". Das bestätigte auch Angelika Kammerl. In der Mediation seien beide Seiten Kompromisse eingegangen, das Verfahren sei aber letztlich an unzureichender Kommunikation des Rathauses und der Kostenfrage gescheitert: Die Bahn verlangte ein Finanzierungskonzept, das jedoch nicht vorgelegt worden sei. Zudem wollte John lediglich den gesetzlich vorgeschriebenen Anteil zur Sanierung der Unterführungen beisteuern; damit war die Mediation beendet. "Die Bahn fühlt sich nicht ernstgenommen", sagte Kammerl, "wir werden Millionen zahlen für nichts". Drastische Folgen befürchtet auch Thalgott: "Die Bahn kann auf ihren Flächen machen, was sie will". Unabhängig von Baurecht, Bebauungsplänen oder städtischen Wünschen könnten dreistöckige Gebäude oder Schallschutzmauern entstehen. "Die Bahn hat das Recht auf ihrer Seite", sagte sie.

In die Debatte brachten sich auch Lutz J. Janssen (Kompakt-Tunnel), Stefan Zeil (Bahnsteige sanieren) und Günther Krawitz ("Schöner zum See") ein. Janik indes warb dafür, die Bahn nicht als Gegner, sondern als Partner wieder zurück an den Verhandlungstisch zu bekommen. Sein Appell: "Wählen Sie bitte Leute, die dieses Projekt voran und nicht etwa gegen die Wand fahren wollen."

© SZ vom 17.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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