Politische VertretungenEin Familienbeirat für Starnberg

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Familien stehen vor vielen Herausforderungen, eine politische Vertretung auf kommunaler Ebene dürfte vielen Vätern, Müttern und Kindern guttun. Was aber ist mit marginalisierten Gruppen?
Familien stehen vor vielen Herausforderungen, eine politische Vertretung auf kommunaler Ebene dürfte vielen Vätern, Müttern und Kindern guttun. Was aber ist mit marginalisierten Gruppen? (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Demokratisch legitimierte Gremien stehen oft vor demselben Problem: Die Zusammensetzung entspricht in sozioökonomischer Hinsicht selten der ihrer Wählerschaft. Ein Beispiel aus Starnberg zeigt, was sich dagegen tun lässt - und welche Lücken dennoch bleiben.

Von Linus Freymark, Starnberg

Der Starnberger Stadtrat ist zu alt. Für Winfried Wobbe reicht ein Blick über seine Kolleginnen und Kollegen, um zu dieser Einschätzung zu gelangen. Knapp 60 Jahre betrage das Durchschnittsalter in der Runde, rechnet der UWG-Stadtrat vor. Das der Stadtbevölkerung aber liegt bei etwa 45 Jahren. „Wir sind vom Alter her nicht das Spiegelbild der Gesellschaft“, stellt Wobbe fest.

Damit spricht Wobbe ein Problem an, das sich in einer repräsentativen Demokratie immer wieder findet. Zwar sind die von den Wählerinnen und Wählern auserkorenen Vertreterinnen und Vertreter demokratisch legitimiert. Gleichzeitig aber findet sich in kaum einem Stadt- oder Gemeinderat, Land- oder Bundestag der tatsächliche Querschnitt der Wählerschaft. Wobbes Diagnose ließe sich für Starnberg noch um weitere Faktoren erweitern: Von den 31 Stadtratsmitgliedern sind 23 männlich und acht weiblich. In der Kreisstadt aber leben etwas mehr Frauen als Männer.

Dieses Problem ist in der Politikwissenschaft ein seit Langem diskutiertes: Der Amerikaner Robert A. Dahl warf schon 1961 die Frage auf, wer eigentlich in einem System regiert, in dem zwar fast jeder Erwachsene wählen darf, Faktoren wie Wohlstand, sozialer Status und Bildung aber ungleich verteilt sind. Die Möglichkeit zur politischen Partizipation abseits von Wahlen ist ein Privileg, das man sich leisten können muss. Gleichzeitig ist klar: Nicht jede Bevölkerungsgruppe kann überall repräsentativ vertreten werden. Klar, eine angleichend paritätische Vertretung aller Geschlechter wäre wünschenswert. Was aber ist mit allen anderen Gruppen? Wo fängt man an? Wo hört man auf?

Um dieses demokratische Dilemma abzufedern, greifen Städte und Gemeinden auf Beiräte zurück. Die Ehrenamtlichen vertreten in Starnberg in verschiedenen Gremien die Interessen von Senioren, Menschen mit Behinderung, Jugendlichen - und künftig auch von Familien. Der Haupt- und Finanzausschuss hat sich nämlich einstimmig für die Bildung eines Familienbeirats ausgesprochen. Sieben berufene Mitglieder sollen jeweils für vier Jahre dafür sorgen, dass die Belange von Familien in der Stadtpolitik größeres Gehör finden. Im Ausschuss fand die Idee für den Beirat großen Anklang. Nicht nur Wobbe freute sich darüber, dass sich in Zukunft „fachkundige Leute“ engagieren werden. Auch Ludwig Jägerhuber (CSU) betonte, es sei wichtig, Menschen einzubinden, „die sich ehrenamtlich engagieren wollen“. Der Beirat sei „sehr positiv für Starnberg“.

Zudem lässt das Gremium, das demnächst seine Arbeit aufnehmen soll, Ideen für weitere Beiräte aufkommen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Migrantenvertretung? Die rund 5000 ausländischen Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel sind im Stadtrat ebenfalls unterrepräsentiert. Oder einem Beirat, der sich explizit darum kümmert, dass ärmere Menschen mehr Teilhabe ermöglicht wird?  Andererseits: Je mehr Interessenvertretungen es gibt, desto geringer wird der Einfluss jeder einzelnen. Die Kapazitäten der Politik sind schließlich begrenzt, wenn von jeder Seite Anträge auf die Stadt einprasseln, wird am Ende keiner mehr bearbeitet. Nun soll erstmal der Familienbeirat anlaufen, und damit ein Beispiel für freiwillige Partizipation: Die Idee kam von einer privaten Initiative.

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