Dießen:Wieder aufgetaucht

Einsatzkräfte aus Dießen und aus Österreich bergen am Ammersee in einem aufwendigen Verfahren den gesunkenen Zweimaster "Sir Shackleton". Ein Gutachter soll nun die Ursache für den Untergang klären.

Von Astrid Becker

So plötzlich, wie sie verschwunden ist, so plötzlich taucht sie wieder auf: Die Rede ist von der Sir Shackleton , einem Zweimaster auf dem Ammersee, der vor einer Woche über Nacht am Bojenfeld bei St. Alban aus noch unbekannter Ursache gesunken ist. Gerade als sich die Einsatzkräfte, die mit der Bergung des bekannten Seminarschiffs betraut sind, zu einer kleinen Mittagspause niederlassen, schiebt sich das Heck aus dem Wasser. Wie durch Zauberhand, könnte man meinen. Doch dahinter stecken allerhand Technik, Erfahrung und so einige prall gefüllte Luftkissen. Dennoch: Dass sich der Zweimaster so schnell wieder blicken lassen würde, noch dazu etwas einseitig, damit hat an diesem Sonntagmittag niemand gerechnet.

Etwa 30 Einsatzkräfte von Wasserschutzpolizei, Wasserwacht und Feuerwehr haben an der Bergung des Schiffes zwei Tage lang gearbeitet. Die Versicherung der beiden Schiffseigentümer Klaus Gattinger und Christian Seelos will mit Hilfe eines Gutachters - Gregor Franke von Marine Consulting Inning - die Ursache des Untergangs klären. Ein technischer Defekt oder gar Sabotage? Denn, obwohl das eigentlich selten geschieht, ist am Donnerstag auch ein Segelboot in Herrsching untergegangen. Auch dieses wird schon allein aus Umweltschutzgründen geborgen werden müssen. Doch bislang scheint der Besitzer wenig Interesse daran zu zeigen, ist auch am Sonntag in Dießen zu hören.

Aber möglicherweise wird sich auch damit noch der Diplom-Ingenieur Franke befassen müssen. Er ist seit elf Jahren auf Sportboote und Yachten spezialisiert und arbeitet bei diesem Einsatz mit der österreichischen Wasserrettung aus Nussdorf zusammen. Aus gutem Grund: Die Ehrenamtlichen vom Attersee haben das für eine solche Bergung nötige Equipment - und jede Menge Erfahrung. Ihre Heimat ist bereits von vielen Unwettern und Katastrophen heimgesucht worden: Allein 2018 hatten sich bei einem heftigen Föhnsturm Ende Oktober mehr als 100 Boote losgerissen, die Wasserrettung musste 35 von ihnen bergen. Deshalb sind sie, wenn man so will, die Spezialisten für schwierige Fälle.

Und die Sir Shackleton ist so ein schwieriger Fall. Noch am Sonntag, 16. August, war Schiffseigner Gattinger mit sechs Gästen zu einem Törn auf dem See unterwegs. Gattinger und Seelos vermarkten ihr eindrucksvolles Mahagoni-Schiff aus dem Jahre 1952. Sie bieten Seminare und Coachings mit ihrer "Sir" an, aber auch besondere Segelevents auf dem See. Wie an jenem Wochenende auch. Gattinger verlässt das Schiff gegen 20 Uhr. Dienstagmorgen erreicht ihn der Anruf einer Segelfreundin, das Schiff sei gesunken. Nur noch ein paar Meter der beiden Masten ragen aus dem Wasser. Gattinger denkt zunächst an einen schlechten Scherz.

An diesem Sonntag, fünf Tage später, beobachtet er zusammen mit Seelos und ihren Familien von einem Boot aus die Bergung der "Sirs", die aus etwa acht Meter Tiefe geholt werden muss. Die Mienen der beiden Eigner wirken angespannt. Zu Recht: So eine Aktion ist gefährlich. Für die Einsatzkräfte, aber auch für das Schiff. Das Spezialistenteam aus Österreich rückt mit sieben Mann an, darunter fünf Tauchern. Bereits am Samstag waren sie mit einer Unterwasserdrohne unterwegs, um Lage und Zustand des Schiffes für den Einsatz zu beurteilen.

Am Sonntag schlüpfen die Taucher gegen 10 Uhr in ihre Trockenanzüge. Ihre Mission ist heikel: Sie müssen unter Wasser Gurte am Rumpf des Schiffes befestigen, an die wiederum Hebesäcke angebracht werden. Hebesäcke, das sind Spezialkissen, die mit 500 bis 2000 Liter Luft gefüllt werden, um durch den so entstehenden Auftrieb das Schiff vom Seegrund wieder an die Wasseroberfläche zu bringen. Die Taucher führen dafür nicht nur Sauerstoff für den eigenen Bedarf mit, sondern auch Flaschen, mit denen sie die Hebesäcke gezielt befüllen - und zwar so austariert, dass das Schiff nicht kippt.

Kein recht einfaches Unterfangen, wie der Mittag an diesem Sonntag zeigt. Die Taucher hatten zuvor ein wenig Luft in die Kissen gefüllt, damit sich das Schiff schon einmal aus dem Schlick am Grund löst. Die Sicht unter Wasser ist schlecht an diesem Tag, das Wetter extrem wechselhaft.

Als das Heck vorzeitig aus dem Wasser lugt, neigen sich die Masten gefährlich nach Osten. Der Ortsgruppenleiter der österreichischen Wasserrettung, Gregor Rader, führt das Kommando von einem Schiff aus, es dauert eine Weile. Das Heck versinkt in dieser Zeit immer wieder unter der Wasseroberfläche. Bis er plötzlich schreit: "Fast schon in der Waag' !". Für den Laien sieht das, was er so positiv beurteilt, noch recht schief aus. Immer wieder müssen die Taucher Luft in ihre Flaschen nachfüllen lassen, neue Ventile verschrauben und auch neue Hebesäcke anbringen - eines der Luftkissen habe ein Loch gehabt, erzählen sie nach diesem Tauchgang. Doch die Masten der "Sirs" ragen immer senkrechter aus dem Wasser, zentimeterweise schieben sich Heck und Bug nach oben, bis auch die Kajütendecke zu erahnen ist. Es ist mittlerweile viertel vor Vier nachmittags.

Eine gute halbe Stunde später ist am Rumpf der Name des Schiffes wieder zu lesen. Die Feuerwehr eilt mit ihrem Boot heran und pumpt Tausende Liter Wasser aus der "Sir", damit das Schiff umgehend in die Steinlechner-Werft in Utting geschleppt werden kann. Dort will Gregor Franke der Ursache des Untergangs auf den Grund gehen. Das Schiff soll diesen Montag auch gereinigt werden. Wann es wieder auf dem Ammersee unterwegs sein kann, muss sich zeigen. Das können auch die Eigentümer Gattinger und Seelos an diesem Tag nicht absehen. Punkt 16.47 Uhr betreten sie ihr wieder aufgetauchtes Schiff zum ersten Mal und hissen auch sofort ihre Flagge. Ein Lächeln hat sich in ihre Gesichter geschlichen: "Wir sind erst einmal froh, dass unser Schiff schwimmt - aber vor allem, dass bei diesem Einsatz niemandem etwas passiert ist. Alles weitere muss man sehen."

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