Kultur im Landkreis Starnberg:Verwegene Kurven und gemalte Gipfel

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Leonhard Hurzlmeier mit einem seiner Bilder, die zurzeit im Taubenturm in Dießen zu sehen sind. (Foto: Georgine Treybal)

Leonhard Hurzlmeier, Felix Rehfeld und Martin Spengler stellen ihre Arbeiten im Taubenturm in Dießen aus.

Von Katja Sebald, Dießen

In den kleinen Stübchen des Taubenturms ist in diesem Sommer die große Münchner Kunstszene zu Gast: Auf Einladung des Dießener Heimatvereins stellen dort noch bis Ende Juli Leonhard Hurzlmeier, Felix Rehfeld und Martin Spengler ihre Arbeiten aus. Sieht man von dem nicht ganz gelungenen wortspielerischen Titel „Sehen im tauben Turm“ ab, dann ist die gemeinsame Ausstellung der drei Künstlerfreunde, die sich seit dem Studium an der Münchner Akademie kennen, durchaus sehenswert.

Dass ein Besuch des Taubenturms zu Taubheit geführt hat, ist aus der langen Geschichte des Gebäudes nicht überliefert. Es verdankt seinen Namen wohl vielmehr den Tauben, die sich gerne auf seinem Dach niederlassen. Bei schönem Wetter kann einem allerdings im obersten Turmstübchen durchaus Hören und Sehen vergehen, denn von dort ist die Aussicht schwindelerregend spektakulär. Ins Staunen geraten dürften die Ausstellungsbesucher diesmal aber bereits in der ersten Etage: Die aus dicken Wellpappeblöcken geschnittenen Skulpturen von Martin Spengler sind so groß und wirken so schwer, dass man sich kaum vorstellen kann, wie sie über die enge Treppe heraufgekommen sind.

Spengler, 1974 in Köln geboren, studierte Malerei bei Karin Kneffel, deren Meisterschüler und Assistent er war. Heute verbindet er in seiner Arbeit auf spannende Weise Zeichnung, Fotografie und Dreidimensionalität: Ausgehend von realen Fotos und realen Gebäuden entstehen seine Skulpturen und Reliefs, indem er Wellpappe zu massiven Blöcken verklebt, die er anschließend mit einem Cuttermesser beschneidet, um dann die Oberflächen und Kanten mit Gesso und Graphit zu bearbeiten. So entstehen sehr detaillierte Ansichten in einer Art Grisaille. In Dießen zeigt er einen Ausschnitt aus der gotischen Architektur des Kölner Doms sowie zwei Ansichten des Collini-Centers in Mannheim, eine davon im Moment einer fiktiven Sprengung.

Ein Ausschnitt aus der Architektur des Kölner Doms sowie zwei Ansichten des Collini-Centers in Mannheim sind in diesen Arbeiten von Martin Spengler dargestellt. (Foto: Georgine Treybal)

Das zweite Stockwerk im Turm gehört den Bildern von Leonhard Hurzlmeier, die zwar als klassische Ölmalerei, aber ebenfalls in einer sehr eigenwilligen Technik entstanden sind. Hurzlmeier, Jahrgang 1983, war zunächst von gegenständlicher Malerei fasziniert; kein Wunder, denn er ist der Sohn des Cartoonisten und Malers Rudi Hurzlmeier. Während des Studiums bei Jerry Zeniuk an der Akademie der Bildenden Künste in München wandte er sich der abstrakten Farbfeldmalerei zu. Nach dem Studium kehrten die Figuren zurück in seine Bilder, nun aber als Teil eines ausgeklügelten Rasters, in das sich jede Kantenlänge und jede Diagonale einfügen muss. Das mag für eine auf Kante geschnittene Frisur, einen Hut oder eine Jacke noch leicht umzusetzen sein, bei den verwegenen Kurven der „Lolly Lady“ und erst recht bei dem gezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Schnauzbart eines Seemanns wird es jedoch kompliziert. Nach aufwendigen Motivkonstruktionen und Vorzeichnungen werden die Flächen in subtil abgestuften Farbtönen, aber ohne jegliche malerische Geste gefüllt, sodass figürliche und geometrische Elemente am Ende gleichberechtigt das Bild bestimmen.

Die "Lolly Lady" von Leonhard Hurzlmeier. (Foto: Georgine Treybal)
Ganz oben im Turm sind die Gipfelbilder von Felix Rehfeld ausgestellt. (Foto: Georgine Treybal)

In der obersten Turmetage schließlich trifft man in luftiger Höhe auf die gemalten Gipfel von Felix Rehfeld. Er zeigt unter dem Titel „Berge“ neun in diesem Jahr entstandene kleinformatige Arbeiten in Öl auf MDF-Platten. 1981 im hessischen Hadamar geboren, studierte Rehfeld nach einer Tischlerlehre ebenfalls zunächst bei Karin Kneffel in Bremen und wechselte mit ihr zusammen 2008 an die Münchner Akademie, wo auch er ihr Meisterschüler und Assistent wurde. Und auch bei ihm sind es weniger die Motive als ihre Umsetzung, die den Reiz seiner Malerei ausmachen. Ausgehend von fotografischen Vorlagen überträgt der Künstler zunächst die Silhouette der Berggipfel mit einer Schablone auf den Malgrund. Dann wird entlang der so entstandenen Kante zunächst die Himmelsfläche so aufgestrichen, dass sich eine beinahe reliefartige, absolut ebenmäßige horizontale Struktur ergibt. Im krassen Gegensatz dazu stehen der sehr malerische Duktus und die detailgenaue Umsetzung der felsigen, teilweise schneebedeckten Berglandschaft darunter.

Die Ausstellung „Sehen im tauben Turm“ ist noch bis Sonntag, 28. Juli, jeweils samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Im August wird der Taubenturm wie jedes Jahr für eine Residency genutzt: Das Berliner Künstlerpaar „Studio Sauer“ wird dort wohnen und arbeiten. Vom 14. bis 29. September zeigt Peter Mayr unter dem Titel „Geld ist der Rohstoff“ Objekte, Zeichnungen und Druckgrafiken, und im Oktober würdigt der Heimatverein seinen 2022 verstorbenen ehemaligen Vorsitzenden Thomas Raff mit einer Erinnerungsausstellung.

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