Dießen:Spielen kommt von Zuhören

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Mut zu leisen Tönen: Die große Stärke der Geigerin Arabella Steinbacher besteht darin, zuhören zu können. (Foto: oh)

Die Geigerin Arabella Steinbacher gastiert am Freitag im Marienmünster Dießen

Von Katharina Schöbi, Dießen

New York, Moskau, Wien, Paris, London, Shanghai, Sidney, Dießen am Ammersee. Die junge Geigerin Arabella Steinbacher hat die großen Konzertbühnen dieser Welt schon gesehen. Am Freitag, 31. Juli tritt sie nun im Marienmünster auf, doch der der Blick auf ein diesmal etwas kleineres Publikum dürfte der in Herrsching aufgewachsenen Musikerin kaum etwas ausmachen. Ums Sehen geht es bei ihr ohnehin nicht.

Anders als bei vielen Geigerinnen ihrer Generation steht für sie nicht im Mittelpunkt, auf der Bühne mit technischen Glanzleistungen zu beeindrucken, der Show zuliebe sogenannte Perfektion abzurufen und die klassischen Virtuosenstücke rauf und runter zu spielen. Steinbachers größte Stärke ist es zuzuhören. Nicht nur dem Pianisten oder dem Orchester, sondern vor allem auch sich selbst. Ihr Ton ist elegant, schlank und unglaublich biegsam in der Phrasierung, ohne die Spannung in den großen Linien zu verlieren. "Pure Tonschönheit" hört man im Zusammenhang mit ihrer Klanggestaltung oft - schön ist vor allem auch, dass so eine namhafte Musikerin den Mut zu sehr leisen Tönen hat.

Das Zuhören hat Steinbacher schon in der frühen Kindheit gelernt. Die Tochter einer japanischen Sängerin und eines deutschen Klavierprofessors begann mit drei Jahren, Geige zu spielen, und lernte nach der Suzuki-Methode. Diese Schule basiert, mit dem Spracherwerb als Vorbild, auf Hören, Beobachten und Nachahmen, zunächst gibt es kein Notenlesen. Noch heute lernt Steinbacher ihr Programm am schnellsten auf diese Art, wie sie selbst sagt; zuerst über die Ohren, dann erst vom Notenbild. Mit neun Jahren wurde sie jüngste Studentin der Geigen-Professorin Ana Chumachenco, deren Geigenklasse als Talentschmiede gilt: Musikerinnen wie Julia Fischer, Lisa Batiashvili oder Veronika Eberle besuchten ihren Unterricht.

Ein Motto der Pädagogin ist, Spontaneität auf der Bühne zuzulassen. Technisch kontrolliert zu spielen, emotional aber Risiken einzugehen, im Moment zu erspüren, was die Musik braucht und vielleicht sogar auf unerwartete Ideen im Orchester zu reagieren, ist eine enorme Herausforderung. Steinbacher nimmt sie mit Begeisterung an. Gerade der spontanen, freien Gestaltung wegen hat Steinbacher die Musik des 20. Jahrhunderts ins Herz geschlossen. Khachaturian, Poulenc, Ravel oder Berg lassen eine "ungeniertere" Spielweise zu, wie sie es ausdrückt, als zum Beispiel Mozart.

Für ihre Einspielungen von Darius Milhauds und Dmitrij Schostakowitschs Violinkonzerten wurde sie mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik geehrt. Und doch muss Steinbacher immer noch oft darum kämpfen, mit Schostakowitsch, Bartók oder Hindemith überhaupt auftreten zu können - die meisten Veranstalter sind bei solchen Programmen eher vorsichtig.

In Dießen wird die Abwechslung zu erleben sein, die der Musikerin selbst so wichtig ist: Solopartien unter anderem von Johann Sebastian Bach, Sergej Prokofjew und Eugène Ysaÿe erklingen in der ehemaligen Stiftskirche. Den Erlös des Konzerts will der Rotary Club in die Ausbildung von musikbegeisterten Kindern und Jugendlichen rund um den Ammersee stecken. Und die sind natürlich live dabei. Von 40 in den vorderen Reihen reservierten Plätzen aus können sie die Geigerin hautnah erleben und auch einen Blick auf die Booth-Violine von Antonio Stradivari aus dem Jahre 1716 erhaschen, die Steinbacher momentan als Leihgabe spielt. Schon jetzt ist eines klar: Dieses Ereignis kann sich hören lassen.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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