Dießen:Seltene Töpferkunst

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Ein seltenes Stück: der Dießener Fayence-Krug,der auf um 1680 datiert wird, 26 Zentimeter hoch und mit sogenannten Scharffeuerfarben bemalt ist. (Foto: Katalog)

Die Gemeinde Dießen hat einen Fayence Krug in den typischen Farben der ortsansässigen Hafner ersteigert. Das seltene Stück gilt als Beleg dafür, dass die Tradition der Töpfer bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

Von Katja Sebald, Dießen

Der Dießener Töpfermarkt, der seit 1977 jedes Jahr an Christi Himmelfahrt stattfindet und zuletzt etwa 60 000 Besucher und Sammler anzog, gilt heute als Mekka der europäischen Keramikszene. Die Geschichte der Dießener Keramik reicht aber viel weiter zurück: Schon im 17. Jahrhundert war das "plab und weiss geschirr" aus Dießen eine weithin begehrte Handelsware. Sogar die Stadtapotheke aus Ingolstadt ließ sich ihre Fayence-Gefäße mit der typischen blauen Bemalung auf einer deckenden weißen Glasur von einem Dießener Hafner kommen.

Jetzt konnte die Marktgemeinde Dießen mit Unterstützung der örtlichen Sparkassenstiftung auf dem Kunstmarkt einen Fayence-Krug erwerben, der die große Tradition der Dießener Hafner auf eindrückliche Weise belegt: Einige Besonderheiten wie die typische Henkelform erlauben es, ihn der Werkstatt von Wilhelm Rauch in St. Georgen zuzuschreiben. Er arbeitete von 1679 an auf dem Anwesen Am Kirchsteig 19, in dem sich heute die Werkstatt der Familie Lösche befindet.

Ernst Lösche war in den Sechzigerjahren auf die Abfallgrube dieser ehemaligen Töpferei gestoßen, als er in seinem Garten einen Baum pflanzen wollte. Dieser Zufallsfund war der Anfang der gezielten Keramikforschung in Dießen, deren Protagonist nun seit vielen Jahren Ernst Lösches Sohn ist, der Volkskundler Wolfgang Lösche.

Der Krug, den der Dießener Bürgermeister Herbert Kirsch vor kurzem für 17 000 Euro auf einer Auktion in München ersteigert hat, weist große Ähnlichkeit mit einem Krug auf, der sich bereits seit 2008 im Besitz der Marktgemeinde befindet und der die Datierung 1684 aufweist. Vergleichbare Krüge sind sehr selten, nach jetzigem Kenntnisstand lassen sich die erhaltenen Exemplare an zwei Händen abzählen.

So befindet sich etwa eines von 1655 im Weilheimer Stadtmuseum, ein weiteres in Bayreuth. Allerdings ist im Dießener Rathaus auch ein ähnlich wertvoller Krug als Dauerleihgabe ausgestellt, der noch bis vor kurzem in einem Haushalt in Riederau als Blumenvase in Benutzung war. Es könnte also durchaus noch mehr Stücke geben.

Charakteristisch für die Dießener Krüge sind die sechsfach gedrückte Bauchzone und die Bemalung in Blau, manchmal von Braun ergänzt. Wolfgang Lösche vermutet, dass die oftmals mit einem Zinndeckel ausgestatteten Krüge für Wein verwendet wurden.

Auch wenn ein Nachweis noch nicht erbracht werden konnte, so sprechen doch die Motive des Dekors dafür: So sind etwa die Leidenswerkzeuge Christi und die Inschriften "Jesus", "Maria" und "Josef" zu sehen. Der Granatapfel als Symbol für Jesus und Maria, für Auferstehung wie auch Fruchtbarkeit, wird fast immer dargestellt. Erkennungszeichen der Dießener Keramik ist aber die blaue Spirale, die sich auf unzähligen Scherben findet, die mittlerweile an den Standorten ehemaliger Hafner-Werkstätten in Dießen, St. Georgen und Wengen geborgen werden konnten.

Lösche geht davon aus, dass schon beim Bau des gotischen Kirchturms der Klosterkirche im Jahr 1469 zinnglasierte Dachziegel verwendet worden waren. Ihre Blütezeit erlebte die Dießener Fayence-Produktion im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert. Der französische Begriff leitet sich von der Stadt Faenza in der norditalienischen Emilia-Romagna ab, die ein bedeutendes Zentrum für die Herstellung von solcher zinnglasierter Tonware war.

Man überzog den bräunlichen oder roten Scherben mit einer deckend weißen Glasur und der typischen blauen Bemalung, um chinesisches Porzellan zu imitieren. Erst 1710 war man auch in Europa in der Lage, Porzellan herzustellen. Das "weiße Gold" war jedoch noch lange für den allgemeinen Gebrauch viel zu kostbar.

Hafnerwaren hingegen waren in jedem Haushalt in Benutzung. Man brauchte sie als Vorratsgefäße, auch als Koch- und Essgeschirr. Nur wer es sich leisten konnte, besaß auch die teureren, weiß glasierten Gefäße, die in einer Archivalie von 1631 als "plab und weiss geschirr" erstmals schriftlich erwähnt werden.

Die drei in Dießen ansässigen Hafner versuchten zu verhindern, dass sich ein weiterer Konkurrent am Ort niederlassen durfte. In einem Schreiben an die Obrigkeit schilderten sie, dass sie sich ohnehin nur durch den Handel mit ihrer Ware in fernen Städten ernähren könnten. Man darf sich vorstellen, dass sie vor allem Klöster und Apotheken belieferten.

Die Bodenbeschaffenheit um Dießen war der Grund für die Ansiedlung der Hafner, die Lage des Marktes an einer alten Handelsstraße von Augsburg nach Italien begünstigte zusätzlich das Geschäft. So ist es nicht verwunderlich, dass schon im Lauf des 17. Jahrhunderts die Zahl der Werkstätten, in denen Geschirr und Ofenkacheln hergestellt wurden, von drei auf acht anstieg.

Mehr als fünfzig verschiedene Hafner, die hier arbeiteten, konnten dank der Forschungsarbeit von Wolfgang Lösche für das 17. und 18. Jahrhundert nachgewiesen werden. In der Werkstatt der Familie Lösche werden heute wieder Gefäße nach den bei Grabungen gefundenen Originalen gefertigt.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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