Gastronomie:Indische Pizza mit Brokkoli und Kleeblättern

Italienisches auf indische Art; Inder betreiben in Dießen einen Pizza-Service

Nicht nur die Kopfbedeckung unterscheidet Kamaljit Singh von einem typisch italienischen Pizzaiolo. Doch tatsächlich werden inzwischen viele Pizza-Heimservice-Firmen von Indern geführt: In München sind es allein drei mit bis zu sechs Filialen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Minhas Ajit Pal Singh betreibt mit vier Angestellten seit 20 Jahren einen Lieferservice mit beeindruckend großer Speisekarte in Dießen. Nun übernimmt er das Lokal im Bahnhof der Seegemeinde.

Von Armin Greune

Im ersten Moment will man Pizza ja nicht unbedingt mit indischer Küche in Verbindung bringen. Doch das auf dem Subkontinent weit verbreitete Fladenbrot Naan, das auch aus Hefeteig besteht und in speziellen Öfen an der offenen Glut gebacken wird, gibt es schon ein paar Jahrhunderte länger als die zum globalen Gastronomie-Hit arrivierte Pizza, die vermutlich erst im 18. Jahrhundert in Süditalien erfunden wurde. Minhas Ajit Pal Singh hat dazu eine klare Meinung: "Pizza ist nur aus Italien gekommen, aber nun machen sie überall auf der Welt die Inder."

Er kann da zumindest für das Fünfseenland gemeinsam mit einem Kollegen in Wörthsee als Pionier gelten: Seit 20 Jahren besteht sein "Dießener Pizza Heimservice", der auch indische oder Thai-Gerichte und vieles mehr anbietet. Am Ammersee sind die gelben oder roten Kleinwagen mit den langhaarigen, bärtigen Turbanträgern am Steuer bekannt wie bunte Hunde. Vom Frühjahr an soll die bislang nur auf Mobilität setzende Firma auch ein stationäres Standbein erhalten: Der Gemeinderat hat Singh als Pächter der Gastronomie im Dießener Bahnhof ausgewählt.

Neben einer Frau sind im Betrieb drei Männer fest angestellt, die der indischen Religionsgemeinschaft der Sikhs angehören, bei der alle Männer als Ausdruck von Geschwisterlichkeit den gemeinsamen Nachnamen Singh (Löwe) tragen. Zu ihren Erkennungszeichen gehören in der Regel der Dastar, ein kunstvoll gebundener Turban, und das ungeschnittene Haar. Derzeit entspricht Minhas Singh - anders als sein Kollege Kamaljit Singh - nicht diesem Erscheinungsbild. Aber das könne sich rasch wieder ändern, meint der Geschäftsführer.

Kamaljit stamme aus dem gleichen Dorf im indischen Bundesstaat Punjab, das er vor 23 Jahren verlassen hat. Nach drei Jahren in Niederbayern ließ sich Minhas Singh dann in Dießen nieder. Zum Firmenjubiläum im März habe er sich schon überlegt, eine Feier zu organisieren, aber bislang sei noch nichts Konkretes geplant.

Reklame habe sein Lieferservice jedenfalls nicht mehr nötig: "Hier kennt uns inzwischen eigentlich jeder", meint Singh. Nach wie vor sei Pizza am meisten gefragt, "im Sommer etwas weniger, dafür liefern wir dann mehr Salat und Getränke aus". Und im Winter gehe das tägliche Geschäft früher los, dafür sei dann auch eher Feierabend. Dennoch stehe man täglich von 11 bis 14 und 17 bis 23 Uhr bereit. Mittags ist zwischen 11.45 und 12.30 Uhr Stoßzeit, dann sind meist Stammkunden zu bedienen, darunter auch viele im Ammersee-Gymnasium und in der Carl-Orff-Volksschule.

Die Auswahl ist geradezu beängstigend groß: Die Speisekarte führt 63 Sorten Pizza in jeweils vier verschiedenen Größen auf. Auch recht exotische Belagkombinationen wie Hühnerfleisch und Schafskäse, Spargel und Mais, oder die Geschmacksrichtungen "Giros", "Bolognese" und "indisch" mit Zucchini, Brokkoli und Kleeblättern sind darunter. Weiter werden etwa 30 Nudelgerichte sowie diverse Giros- oder Schnitzelteller angeboten, 20 fernöstlich anmutende Speisen und weitere 20 unter der Überschrift "indische und mexikanische Gerichte", in denen meist Huhn oder Lamm die Hauptrolle spielen. Auch die Flasche Bier für zwei oder die Flasche Wodka für 13 Euro können bestellt werden.

"Wir sind alle Allrounder", sagt Minhas Singh: Jeder festangestellte Mitarbeiter kann Bestellungen entgegennehmen, kochen und autofahren. Als Chef liefere er mittlerweile nur noch selten aus und sei meist in der Küche zu finden, wo er Soßen und anderes vorbereite. Mit den stundenweisen Aushilfen im Lieferservice sind acht bis neun Leute bei Singh beschäftigt.

Aber was darf man nun künftig im Gastraum des Dießener Bahnhofs erwarten: "Taj Mahal" oder "La Bella Stazione", "Lotusblume" oder "El Taco Loco"? "Man muss erst mal schauen", meint Singh gelassen. Noch sei ja Jörg Latteks Café und Rösterei im Bahnhof, bislang habe er nur einen kurzen Blick in sein künftiges Restaurant geworfen. Wenn er aber noch kein Konzept hat, warum hat er es dann gepachtet? Es reize ihn schon, ein Lokal zu betreiben, den Lieferservice werde er aber auch weiterführen. Dazu stünde ihm im Bahnhof mehr Platz zur Verfügung als in der jetzigen Basisstation in der Dießener Prinz-Ludwig-Straße.

Für das 218 Quadratmeter große Objekt - das eigentliche Lokal in der früheren Wartehalle hat 68 Quadratmeter Fläche - hatte die Gemeinde Dießen als Hausherrin jahrelang vergeblich nach einem Pächter gesucht. Vom Spätherbst 2015 bis Jahresanfang 2018 hatte dort David Hauer sein "Va bene Mercatino" geführt. Die geschmackvolle Einrichtung mit Möbeln aus recyceltem Teak, Eichen- und Olivenholzregalen hat der Wirt seinerzeit mitgenommen.

Es bleibt also bis auf Weiteres offen, in welchem Interieur man künftig im Dießener Bahnhof speisen wird. Die Einrichtung im bisherigen Pizza Heimservice lässt auch keine Rückschlüsse zu: ein schmuckloser Warteraum mit Tresen und großem Getränkekühlschrank, Türme von Pizzakartons und Styroporbehältern; vor der Küche ein Sozialeck mit Holzbänken und einem überladenen Tisch. Das gepflegte Ambiente des ehemaligen "Va bene Mercatino" hat die Messlatte recht hoch gelegt - aber man muss wohl erst mal schauen.

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