Süddeutsche Zeitung

Dießen:Wenn "Zauberhölzer" und "Blechblüten" spielen

Die Musikschule Dießen feiert heuer ihr 40-jähriges Bestehen. Zum Auftakt im Jubiläumsjahr überzeugen die Ensembles beim Frühjahrskonzert mit einem inspirierenden Repertoire.

Von Reinhard Palmer, Dießen

Musikschulen gehören zu den letzten Bastionen aktiver, kultureller Teilhabe, sind aber auch Vermittler sozialer Kompetenz, wenn es ums Ensemblespiel und Chorsingen geht. Ihre Arbeit ist daher für die Gesellschaft von unschätzbarem Wert. Dennoch mussten sich die meisten Musikschulen als Vereine neu positionieren, um überleben zu können, nachdem kaum noch eine Kommune bereit ist, die Arbeit von Musikschulen finanziell zu tragen. Auch die Dießener Musikschule kommt als Verein über die Runden, was nur Beweis genug dafür ist, für wie wichtig die Bürger diese Einrichtung halten.

Nun feiert sie in Dießen das 40. Jubiläum mit einigen Konzerten im Laufe des Jahres. Und schon im Frühjahrskonzert im Theatersaal des Augustinums zeigte das rege Publikumsinteresse, dass die Musikschule ein aktives Leben führt und vor allem jungen Familien ein echtes Anliegen ist. Allerdings ist die Musikschule Dießen keine ausgesprochene Bildungseinrichtung für Kinder und Jugendliche. Im Chor der Musikschule "Caecilia Nova", im Blechblasensemble "Blechblüten" wie im Musikschulorchester mit Bigband-Neigung waren viele Erwachsene zu hören, die entsprechend sicherer auf der Bühne agierten und für anspruchsvollere Musikliteratur zu haben waren.

Man kann an den Musikschulen zwei grundverschiedene pädagogische Ansätze beobachten. Da ist die leistungsorientierte Arbeit vor allem für begabtere Schüler mit der Option, sich schon mal Wettbewerben zu stellen oder gar auf ein Musikstudium vorzubereiten. Die eher kleine Dießener Musikschule mit rund 20 Pädagogen und etwa 350 Schülern (Zum Vergleich: in Gilching sind es 37 Pädagogen und etwa 1000 Schüler) entschied sich offenbar für einen Ansatz ohne Leistungsdruck.

Die Freude am Musizieren steht im Mittelpunkt und bietet allen Generationen die Möglichkeit, zu singen, das Spiel eines Instruments zu erlernen und in Ensembles mitzuwirken. Da Privatlehrer, die Carl-Orff-Schule Dießen und das Ammersee-Gymnasium Kindern und Jugendlichen einen anspruchsvollen Zugang zur Musik ermöglichen, ergänzt die Musikschule das Angebot um musikalische Früherziehung mit Orff-Instrumenten - im Konzert mit einem Indianerstamm präsent - und auch um die leichte Muse.

Dabei scheint das musikalische Volksgut der Schule ein Anliegen zu sein, wie der Programmblock mit den Blechblüten und dem viermädchenköpfigen Blockflöten-Ensemble mit der fünften Flöte der Pädagogin Barbara Schmelzer vorführte. Musikschulleiter Thomas Schmidt griff gar zum Alphorn, wenn auch nur zu einem zusammenklappbaren, wohl aus Plastik. Jugendlichen, für die Klassik und Volksmusik nicht cool genug sind, bietet die Musikschule auch andere Genres wie sie etwa mit eigenen Kompositionen der Rockband Sealounge - hier ohne dazugehöriger Sängerin - mit dem Pädagogen Thorsten Bendzko am E-Bass oder von Patrick Wessely am Klavier mit dem neoklassischen "Questa Notte" von Ludovico Einaudi zum Vortrag gelangten. Das Holzblasinstrumentenensemble "Zauberhölzer" spannte das Spektrum breiter: "Over the Rainbow", "Mein kleiner grüner Kaktus" und Mozart-Divertimento.

Jugendlichen werden außer Klassik und Volksmusik auch andere Genres geboten

Die Klarinettistin Maria Steininger setzte mit einer Aria aus einem Stamitz-Konzert einen anspruchsvolleren Akzent ins instrumentale Programm. Und auch die Cellistin Marlene Demmin aus der Klasse Takuro Okada sowie die Geigerin Isabel Maier (spielt auch Klavier und sehr erfolgreich Trompete, hieß es) aus der Klasse Mari Suemasa wagten erfolgreich solistische Auftritte mit Klavierbegleitung. Auch weitere Streicherschüler widmeten sich der Klassik, hatten aber noch mit der Intonation zu kämpfen. Für Kinder und Jugendliche sind Streichinstrumente etwas undankbar, weil es länger dauert, bis saubere Töne möglich sind. Sicher, an allen Instrumenten gilt es, spezifische technische Schwierigkeiten mit viel Geduld und harter Arbeit zu bewältigen. Bis dahin klingen die Violinen aber am schrägsten.

Trommler haben dieses Problem nicht, lieferten hier auch im Djembé-Trio mit dem Pädagogen Andreas Langanki einen souveränen Maskentanz aus Sierra Leone ab. Anders als die "Goldammern", der Chor des Augustinums, der hier mitwirken durfte, vermochte der Chor der Musikschule "Caecilia Nova", schon komplexere mehrstimmige Sätze mit einfühlsamer Musikalität zu bewältigen. Die A-cappella-Lieder "Im Walde" und "Auf ihrem Grab" von Felix Mendelssohn gehörten denn auch unter der Leitung von Fridolin Zimmer zu den reifsten Darbietungen des Nachmittagskonzerts.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5776708
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/deu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.