Dießen:Mit Filzstift und Stahl

Zum Abschluss des Fritz-Winter-Jahres ist im einstigen Atelier des Künstlers in Dießen eine Retrospektive zu sehen, die von Skulpturen des Bildhauers Thomas Röthel ergänzt wird

Von Katja Sebald, Dießen

Das Fritz-Winter-Jahr, in dem unter anderem mit einer Ausstellung in der Pinakothek der Modernes ein wichtiger Vertreter der Nachkriegsmoderne zum 40. Todestag geehrt wurde, neigt sich seinem Ende zu. Zum Abschluss hat der Galerist Michael Gausling, der zugleich Großneffe von Fritz Winter ist, im ehemaligen Atelier des Künstlers in Dießen noch einmal eine retrospektivische, ja beinahe biografische Ausstellung zusammengestellt. Sie reicht mit einigen Arbeiten aus dem Jahr 1929 bis in die frühesten Schaffensperioden zurück und endet mit den letzten Blättern aus dem Jahr 1975, die mit Filzstift im Krankenbett entstanden. An die Gegenwart knüpft diese Werkschau in Form einer sehr gelungenen Gegenüberstellung mit den Stahlskulpturen des Künstlers Thomas Röthel an.

Die Galerie im Fritz-Winter-Atelier ist eine Dependance des 1975 von der Nichte des Künstlers eröffneten Fritz-Winter-Hauses in Ahlen und kann auch für diese Ausstellung auf dessen reiche Bestände zurückgreifen. Fritz Winter, 1905 in Altenbögge bei Unna als Sohn eines Bergmanns geboren, hatte zunächst selbst unter Tage gearbeitet, bevor er von 1927 an ein Studium am Bauhaus bei Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer absolvierte und zur Abstraktion fand. Von den Nationalsozialisten wurde er 1937 mit einem Malverbot belegt, deshalb zog er sich nach Dießen am Ammersee zurück. Nach Kriegsjahren an der Ostfront und Kriegsgefangenschaft kam er 1949 hierher zurück. Er gehörte zu den Gründern der "Gruppe der Gegenstandslosen" ZEN 49. Spätestens seit seiner Teilnahme an der Documenta I in Kassel im Jahr 1955 war Fritz Winter das künstlerische Aushängeschild der jungen Bundesrepublik.

Stahlskulpturen im FW-Atelier

Stimmige Ergänzung: Thomas Röthels "Dialog" vor Fritz Winters Bild "Großer Klang".

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auch rückblickend lässt sich das reiche und vielseitige Œuvre von Fritz Winter kaum in strikte Kategorien fassen, da er immer wieder zu bereits bearbeiteten Themen zurückkehrte. Unter den frühen Blättern finden sich einige, die mehr als eindrücklich den Einfluss von Paul Klee belegen. Diese organisch oder floral anmutenden Bildformen greift er Jahrzehnte später wieder auf, nicht aber deren weiche erdwarme Töne.

Das Trauma des Krieges und der Gefangenschaft lässt sich in den Arbeiten der Fünfzigerjahre als heftige schwarze Zäsur ablesen. Brüche, spannungsvolle Leerräume und zuweilen geborstene Formen finden sich in dieser Zeit. Zugleich bilden jene berühmten Blätter "Triebkräfte der Erde", 1944 nach einer Kriegsverwundung im Genesungsurlaub in Dießen entstanden, mit ihrem Verweis auf die Schöpfung einen ungemein dichten, vielschichtigen und geradezu poetischen Werkkomplex. Immerhin fünf der insgesamt nur 40 kleinen Blätter, die als Gründungswerke der Nachkriegsmoderne gelten, sind in dieser Ausstellung zu sehen.

Auch die nun zunehmend malerischen und von der Farbe geprägten späten Jahre sind vertreten, etwa mit einer Komposition aus dem Jahr 1972, die alle drei Primärfarben zueinander in Beziehung setzt - und vielleicht auch noch einmal als Auseinandersetzung mit Kandinskys Schrift über das "Geistige in der Kunst" gedeutet werden könnte.

Fast 30 der tonnenschweren Skulpturen von Thomas Röthel, 1969 in Ansbach geboren, treten in Beziehung zu den Arbeiten von Fritz Winter wie auch zur Bauhaus-Architektur seines Ateliers aus den Sechzigerjahren. Zumeist minimalistische Formen aus gebogenen Stahlplatten ergeben spannungsvolle Blickverbindungen in den Garten, auch die kleinformatigen Arbeiten im Innenraum korrespondieren direkt mit den Bildern, vor denen sie platziert wurden. Ein "Aufgebogener Kubus" erweitert die Bildwelten von Fritz Winter gleichsam in den Raum, auch eine eingeschnittene und aufgefächerte Platte erscheint wie eine Fortsetzung von Linienstrukturen.

Stahlskulpturen im FW-Atelier

Dieses Fot zeigt eine weitere tonnenschwere Stahlskulptur des Ansbacher Bildhauers mit dem Titel "Drehung".

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Februar im Fritz-Winter-Atelier in Dießen zu sehen und wird durch Druckgrafiken von Fritz Winter in der "Galerie im Unteren Schloss" in Pähl ergänzt. Die genauen Öffnungszeiten finden sich im Internet unter www.fritz-winter-atelier.de und www.galerie-im-unteren-schloss.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: