Kommunale Entwicklungshilfe:Austausch mit Afrika

Kommunale Entwicklungshilfe: Miriam Anton koordiniert im Auftrag des Landratsamts Landsberg private Entwicklungsprojekte.

Miriam Anton koordiniert im Auftrag des Landratsamts Landsberg private Entwicklungsprojekte.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Miriam Anton koordiniert für das Landsberger Landratsamt Kooperationsprojekte mit dem Globalen Süden. Auf Kreisebene will man mit zwei Distrikten in Tansania zusammenarbeiten.

Von Armin Greune, Dießen

Den Begriff Entwicklungshilfe findet sie veraltet - zumindest den zweiten Teil. Sie spricht lieber von globaler, nachhaltiger Zusammenarbeit. "Jedes Land ist Entwicklungsland", sagt Miriam Anton. "Auch in Deutschland müssen wir uns entwickeln - weg vom Auto, Kohle, Öl, übermäßigen Konsum und Verschwendung". Die neue Fachfrau für kommunale Entwicklungshilfe am Landsberger Landratsamt zitiert aus einem aktuellen Bericht des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik: "Länder des Globalen Nordens mit ihrem auf Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung ausgerichteten Gesellschaftsmodell erweisen sich als hochgradig entwicklungsbedürftig."

Sie verweist auch auf die in der UN-Agenda 2030 formulierten, 17 globalen Nachhaltigkeitsziele, zu deren Umsetzung sich die Bundesrepublik bekannt hat. Sie enthalten unter anderem die Reduzierung des Rohstoffverbrauchs, die Bekämpfung des Klimawandels oder einen Strukturwandel bei der Industrialisierung. Der Schwerpunkt ihres neuen Arbeitsfeldes liegt zwar darauf, der Armut im Globalen Süden zu begegnen, die Ungleichheit zwischen den Ländern zu verringern sowie überall den Zugang zu Bildung und Gesundheitsvorsorge zu ermöglichen. Dazu soll eine Kooperation auf Landkreisebene ins Leben gerufen werden. Auf der anderen Seite arbeitetet Anton aber auch beim Luffa-Wettbewerb des Landratsamtes mit, der den Anbau von Gurkenschwämmen propagiert, die als Reinigungswerkzeug Wegwerf-Plastikprodukte ersetzen können.

Inzwischen ist sie seit fünf Monaten ganztags im Landratsamt Landsberg angestellt, die Personalkosten trägt zu 90 Prozent der Bund. Anton war sozusagen zur Stelle, noch bevor die neue Stelle ausgeschrieben wurde: Als Mitglied des Kreistags erfuhr sie schon im November 2021 davon, dass im Landsberger Landratsamt ein auf zwei Jahren befristeter Arbeitsplatz zur "Koordination kommunaler Entwicklungspolitik" geschaffen werden soll - und hatte sich davon "sofort total angesprochen gefühlt."

Zuvor war die Dießenerin vor allem als Autorin für Zeitungen und Fernsehen mit dem Themenschwerpunkt Nachhaltigkeit beschäftigt. Sie kann Abschlüsse in Journalistik und Amerikanistik vorweisen, hat aber auch Politik und Psychologie studiert. Die 46-Jährige ist für ihre neue Aufgabe prädestiniert, weil sie sich schon lange mit den Themen Internationale Beziehungen, Feminismus, Kolonialismus und Rassismus befasst.

Im Landkreis gibt es eine Vielzahl von Hilfsprojekten

In Dießen, wo sie seit 2007 lebt, engagiert sie sich unter anderem in der "Freien Kunstanstalt". Anton ist zudem Mitglied im örtlichen Heimatverein und bei den Grünen, für die sie 2020 in den Gemeinderat und den Landsberger Kreistag einzog. Dieses Mandat hat sie jetzt allerdings berufsbedingt zurückgegeben.

Im Oktober vergangenen Jahres hat Anton ihre neue Aufgabe als Koordinatorin übernommen, im Dezember fand bereits das erste Netzwerktreffen statt. Dort stellten vor allem Akteure vom Westufer des Ammersees ihre bereits angelaufenen Projekte vor - allen voran Michael Deininger, der als Schondorfer Gemeinderat gemeinsam mit Stefanie Windhausen die bislang einzige kommunale Initiative im Fünfseenland betreut.

2015 hatte man am Ammersee eine "Klimapartnerschaft" mit Puerto Leguizamo in Amazonien aufgenommen, die einige Rückschläge verkraften musste. Geblieben ist freilich ein vielversprechendes Brunnenprojekt, das Schondorf nun ohne Zuschüsse aus Bundesmitteln weiterführt. Deiningers bisheriges Fazit lautet klar: "Besser Lowtech als Hightech".

Ein weiteres Projekt, das vom Ammersee aus startete, ist die Initiative "Zukunft für Kinder der Welt e. V.", mit der sich die Dießenerin Monika Proksch seit 25 Jahren für hilfsbedürftige junge Menschen in Kambodscha und Myanmar einsetzt. Esther und Rupert Riedel, die seit 1991 das Uttinger Strandbad betreiben, haben wiederum den Verein "Kenianische Waisenkinder in Not e.V." gegründet und wurden dafür im vergangenen Jahr mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet.

Pünktlich zum ersten Netzwerktreffen kehrte Uli Ernst direkt aus Äthiopien zurück, wo er bereits mehr als ein Dutzend Mal als Agrarcoach tätig war. Im Süden des Landes unterstützt der vielseitige Bio-Landwirt und Dozent aus Utting etwa Imkerei-Projekte von Frauen. Er empfiehlt, den Fokus der Zusammenarbeit auf die arbeitslose Jugend zu richten, für die in den Agrarländern kein eigener Grund zur Bewirtschaftung übrig blieb: "Die Bildung der Bäuerinnen und Bauern spielt hierbei sicher eine Schlüsselrolle."

Bereits seit fast 40 Jahren engagiert sich Ludwig Gernhardt im von ihm gegründeten Verein Afrikahilfe Schondorf: Allein im vergangenen Jahr wurden gut 110 000 Euro für verschiedene Bildungsprojekte und Stiftungen in Tansania gesammelt, er plädiert für Hilfe zur Selbsthilfe und eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Neue Mitstreiter sind willkommen - ob Schulpartnerschaften oder Eine-Welt-Laden

Aufgrund der bestehenden Verbindungen von Gernhardt und dem vormaligen Finninger Vizebürgermeister Christoph Heumos, der nun ein Start-up-Unternehmen in Tansania leitet, ist Antons Wahl für eine Landsberger Kreis-Partnerschaft auf die zwei tansanischen Distrikte Ludewa und Newala gefallen. Dort sollen mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Kleinprojekte gefördert werden, die noch konkret festzulegen sind. Darüber hinaus will die Koordinatorin einen Austausch auf Augenhöhe und verschiedenen Ebenen einleiten, etwa in den Bereichen Sport und Kultur. Sie hofft, im Mai zu Sondierungsgesprächen in die beiden weit voneinander entfernten Regionen des ostafrikanischen Landes reisen zu können.

Im Berufsalltag nutzt Miriam Anton zweimal wöchentlich die Busverbindungen nach Landsberg, einmal fährt sie mit dem Auto, zwei Tage arbeitet sie von zuhause aus. "Die Aufgabe macht mir so viel Spaß, dass ich sie gar nicht als Arbeit empfinde", sagt sie - vom erheblichen bürokratischen Aufwand einmal abgesehen.

An diesem Mittwoch, 22. März, findet im Sitzungssaal Landratsamt Landsberg um 18.30 Uhr das zweite Netzwerktreffen statt. Dabei werden Hilfsprojekte in der Ukraine und Myanmar, sowie die Partnerschaft zwischen den Städten Augsburg und Ar-Ramtha in Jordanien vorgestellt. Vor allem aber sind neue Mitstreiter herzlich willkommen, ob sie Schulpartnerschaften im Globalen Süden übernehmen, Hilfstransporte organisieren, im Eine-Welt-Laden arbeiten oder sich anders für Armutsbekämpfung, fairen Handel und Nachhaltigkeit engagieren.

Eine kleine, aber exklusive Rolle spielt dabei auch der Luffa-Wettbewerb, mit dem Gartenbauberatung und kommunale Entwicklungshilfe im Landkreis Landsberg den Anbau von Gurkenschwämmen fördern wollen. Es ist die weltweit erste öffentliche Initiative, den Mikroplastik-Eintrag durch Plastik-Spülutensilien ins Wasser zu reduzieren: Immerhin werden in Deutschland jährlich 41 Millionen der nicht recycelbaren Schwämme verbraucht. Zur Luffa-Aktion hätten sich bereits hunderte Interessenten gemeldet, sagt Miriam Anton: Vereine, Kindergärten, Schulen, viele Privatpersonen - und 29 der 31 Kommunen im Landkreis.

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