Ausstellung:Flamingos auf dem Walchensee

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Der Dießener Maler Martin Gensbaur huldigt dem zweiten Corona-Sommer in der bayerischen Karibik mit sechs Öl-Gemälden eines Partyboots, die im Kunstfenster zu sehen sind.

Von Katja Sebald, Dießen

Seinem klaren, türkisgrünen Wasser verdankt der Walchensee seinen Beinamen "Bayerische Karibik". Der Dießener Maler Martin Gensbaur, der ein Atelier am Ufer des Walchensees hat, traute trotzdem seinen Augen nicht, als er eines Abends im August dieses Jahres den ersten Flamingo auf der spiegelglatten Wasserfläche sah. Am nächsten Morgen schnäbelte der rosafarbene Riesenvogel direkt vor dem Strandcafé. Gensbaur zückte den Fotoapparat und setzte seine Schnappschüsse in sechs Gemälden in Öl auf Leinwand um. Im "Kunstfenster Dießen" sind sie nun zwei Wochen lang als Reminiszenz an den zweiten Sommer unter Corona-Bedingungen zu bewundern.

Der Flamingo auf dem Walchensee ist ein aufblasbares Partyboot, in dem sechs daheimgebliebene Erwachsene dank eines eingebauten Getränkekühlfachs Urlaubsfeeling genießen können. Auf der Liste der Absonderlichkeiten, die uns die Pandemie beschert hat, dürfte sich der Party-Flamingo ganz weit oben befinden. An den oberbayerischen Ausflugsseen ist er nur ein Phänomen von vielen anderen, die zur gnadenlosen Überfüllung beitragen: Gensbaur beobachtete diesen Sommer mehr Freizeitfahrzeuge und Wohnmobile als Parkplätze, mehr Bergläufer und Wanderer als Bergwege und Hütten, mehr Kite- und Normal-Surfer, Tret- und Ruderboote, Segler und Stand-Up-Paddler als je zuvor. Und damit nicht genug: "Alles, was man aufblasen kann, schwimmt vor der atemberaubenden Kulisse des smaragdgrünen Bergsees im Kontrast zu den steil abfallenden Wänden des Herzogstands im Westen und dem imposanten Karwendelgebirge im Süden."

Gensbaur ist für seine erschreckend naturalistischen Darstellungen von italienischen Tankstellen und anderen unschönen Banalitäten, die den Blick auf schöne Landschaften verstellen, bekannt. Sein Markenzeichen ist eine höchst unkonventionelle Motivwahl in Kombination mit einer konventionellen Malweise. Beides trifft auch auf die sommerliche Bildserie der "Großen Flamingos" zu: Auch hier dienen ihm Fotografien als Vorlagen für die späteren Gemälde.

Dennoch sind seine Bilder keine Abbildungen der Realität. Sie zeigen den Walchensee nicht so, wie er an einem schönen Sommersonnentag aussieht. Man sieht kein einziges Tretboot, keine Surfer und keine Stand-Up-Paddler auf dem See, keine Autos, keine E- und Mountain-Biker auf den Straßen rund herum. Auch hat das Wasser nicht seine lockende karibische Farbe, sondern es ist dunkel und tiefgründig wie am frühen Morgen oder am Abend, wenn die Sonne hinter schwarzgrauen Bergen verschwunden ist. Der grelle Plastikflamingo und seine Passagiere in Badekleidung wirken vor dieser majestätisch düsteren und kühlen, gänzlich menschenleeren Kulisse beinahe so verloren wie die Protagonisten in Romanen wie Marlen Haushofers "Die Wand" oder "Die Arbeit der Nacht" von Thomas Glavinic. Die geradezu surreale, geheimnisvolle Stimmung macht den eindringlichen Reiz dieser Bilder aus. Der Hund aus dem Dießener Himmel, der die monströsen Riesenflamingos von der Straße aus anbellt, verstärkt diesen Eindruck: Gensbaur hat den kleinen Kläffer vor einiger Zeit aus seinem Deckenbildgefängnis im Marienmünster befreit und lässt ihn seither als Fresko an verschiedenen Hauswänden durch Dießen streunen.

Die Bildserie "Große Flamingos" ist im "Kunstfenster Dießen" (Hofmark 13) bis 24. Oktober zu sehen. Ein Besuch im Innenraum ist nach Voranmeldung unter kunstfenster@gmail.com möglich.

© SZ vom 20.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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