Süddeutsche Zeitung

Dießen:Krasse Gegensätze

Matthias Rodachs Figuren reflektieren unseren Umgang mit den Artgenossen und der Natur. Gerade entsteht sein "Mann mit dem goldenen Fisch", der Dießens Wahrzeichen werden könnte

Von Katja Sebald, Dießen

Der "Mann mit dem goldenen Fisch" wird weithin sichtbar sein: Fast acht Meter hoch soll er zwischen den niedrigen Häusern in der Fischerei, Dießens ältestem Ortsteil, aufragen. Nachts wird er von benachbarten Dächern aus angestrahlt. Der Fischer, der einen großen goldenen Karpfen im Arm hält, hat das Zeug dazu, Dießens neues Wahrzeichen zu werden. Er soll "wie eine Nadel im Stadtplan die Stelle markieren, an der sich alle Sichtachsen treffen", sagt der Bildhauer Matthias Rodach aus Dießen, der zur Zeit in einer Gießerei in Ascholding an der Realisierung seiner Figur arbeitet.

Der "Mann mit dem goldenen Fisch" soll daran erinnern, dass die Marktgemeinde nicht zuletzt durch die Fänge aus dem Ammersee zu Wohlstand und Ansehen kam. Er steht für aber auch für "den Menschen, der die Schöpfung auf Händen trägt", erläutert Matthias Rodach. Er konnte sich mit seinem Entwurf Anfang des Jahres in einem "Kunst am Bau"-Wettbewerb, den die Marktgemeinde für die Mühlstraße auslobte, gegen so prominente Mitbewerber wie den Holzbildhauer Josef Lang aus Denklingen durchsetzen. Im kommenden Frühjahr soll die Bronzefigur am neu gestalteten Untermüllerplatz aufgestellt werden: Die Figur selbst ist über zwei Meter hoch und steht auf einem 5,60 Meter hohen Eichenpfahl. Solche Pfähle wurden auch in Dießen früher verwendet, um die Häuser in Ufernähe zu sichern.

Mit diesem bedeutenden Auftrag ist Rodach - dessen stets figürliche Arbeiten auch in seiner Geburtsstadt Lindau, in München, in Hamburg und in Rothenburg ob der Tauber im öffentlichen Raum zu sehen sind - wohl endgültig in seiner neuen Heimat angekommen. Seit zehn Jahren lebt er mit seiner Familie in Dießen und engagiert sich in der regionalen Künstlerszene. Am kürzlich eröffneten Schondorfer Skulpturenweg beteiligte er sich mit seiner "Liegenden". Mit seiner Installation "Mondeo", die in einer Sonderausstellung im Dießener "Stellwerk" zu sehen war, erregte er bereits vor zwei Jahren einiges Aufsehen: Scheibenwischermotoren bewegten ein geheimnisvolles Figurenballett.

Eigentlich aber kommt Rodach, 1973 in Lindau geboren und bei Deggendorf aufgewachsen, von der klassischen Bildhauerei. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst eine Lehre zum Steinmetz, bevor er an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg Bildhauerei studierte. Zur Kunst fand Rodach ursprünglich über die figürlich-erzählerische Bauplastik in romanischen und gotischen Kathedralen, die er an der Hand seines Vaters bestaunte. Und der Figur ist er bis heute treu geblieben. Der Bildhauer Heinrich Kirchner verstand seine eigenen Plastiken als "Unterhändler für ein besseres Miteinander" - und so sind wohl auch die Figuren von Matthias Rodach zu verstehen. Er sagt: "Wie der Mensch mit der Natur umgeht und wie der Mensch mit den Menschen umgeht, das ist mein großes Thema."

Dabei greift er zuweilen auch auf mythologische Themen zurück, wie etwa für einen "Tanzenden Minotaurus". Und die Figur eines stehenden Mann in einem Boot mit dem Titel "Unterwegs" erinnert an den Fährmann, der die Toten in die Unterwelt bringt - oder aber Flüchtlinge über das Meer. Wichtig ist für Matthias Rodach, dass seine Figuren für sich selbst sprechen können und keinen erklärenden Text brauchen. Er sagt: "Meine Arbeiten sollen verständlich für alle sein." Und wer dann genauer hinschaut, der wird in der Haut des Minotaurus Computerplatinen und anderen Elektroschrott entdecken und er wird die Wunden am Polyesterkörper des Fährmanns sehen. Rodach verwendet für seine experimentellen freien Arbeiten oftmals Fundstücke aus dem Müll und "wertlose" Materialien, die auf den Menschen mit den "Errungenschaften" der modernen Welt verweisen und im krassen Kontrast zu einer beinahe klassischen Formensprache stehen. Den Karpfen des Dießener Fischers aber wird Matthias Rodach auf jeden Fall mit echten Blattgold überziehen.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2015
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