Im kleinen Pop-up-Store am Dießener Rathaus drängen sich die Neugierigen. Noch zehn Wochen lang sucht die Gemeinde im „rechtssicheren Interessenbekundungsverfahren“ nach potenziellen Käufern oder Erbbaupächtern für ihre Huber-Häuser. Ziel ist es laut Auslobungstext, die ortsbildprägende und bislang dem Verfall preisgegebene Immobilie in einen „Mix aus Gewerbe- oder Co-Working-Räumen, Räume für Kultur, Kunst oder Vereine sowie Wohnraum“ zu verwandeln.
Raum ist im Laden an der Prinz-Ludwig-Straße an diesem Samstagsnachmittag jedenfalls knapp – auch weil dort 16 Protagonisten ihre Utopien für die Huber-Häuser vorstellen und auf drei Küchentischen ihre Modelle dazu präsentieren. Mit viel Liebe zum Detail haben die Studierenden der Hochschule für angewandte Wissenschaften München (vormals Fachhochschule München) ihre Ideen für die weitgehend brachliegenden Gebäude der ehemaligen Druckerei im Maßstab 1:50 ausgearbeitet: Acht bunte Matten sind im Yoga-Studio ausgebreitet, in einem Gemeinschaftsraum sind Staffeleien für einen Malkurs aufgestellt. „Draußen“ finden sich etwa Schaukel und Klettergerüst, Gewächshaus und Hochbeete oder ein Radabstellplatz – und überall fingergliedlange Pappfiguren.
Schließlich lautet die Aufgabenstellung für die angehenden Architektinnen und Architekten, darzustellen, wie die gemeindeeigene Immobilie wieder mit Leben erfüllt werden kann. Dazu hat ihr Städtebau-Professor Nicolas Kretschmann drei Teams das Thema gestellt, den Alltag einer Person zu erzählen, die im Jahr 2035 in den Huber-Häusern daheim ist und einzelne Räume aufsucht. Dabei stellen die Arbeitsgruppen en passant ihre baulichen Eingriffe und Nutzungskonzepte für die Gebäude vor, illustriert mit Interieurs und Details aus den Modellen, die mit einer kleinen Kamera fotografiert wurden.
Allen drei Alternativen ist gemeinsam, dass sie eher minimale Eingriffe in die Gebäudesubstanz vorsehen. Schließlich steht die ehemalige Graphische Kunstanstalt Jos. C. Huber komplett unter Denkmalschutz. Vor allem aber sollte der Sanierungsaufwand möglichst gering bleiben – das gilt insbesondere, wenn kein potenter Investor, sondern örtliche Vereine wie etwa die „Freie Kunstanstalt“ die Gebäude künftig nutzen sollten.


Eine Kostenschätzung zählt allerdings nicht zu den Vorgaben, die Kretschmann seinem Seminar gemacht hat. Zentrale Fragen in allen Arbeiten sind Erschließung und Belichtung der Industriebrache. So sehen alle Konzepte einen mehr oder weniger begrünten Innenhof als Begegnungsstätte vor. Das Atrium ist entweder zu zwei Dritteln überdacht oder ganz von einem gläsernen Giebeldach überspannt, alternativ wird auch ein Sonnensegel vorgeschlagen.
In allen Entwürfen ist in Ergänzung zur schmalen Einfahrt an der Ostseite zur Staatsstraße ein zweiter Zugang enthalten. Während einmal nach Abriss des eingeschossigen Zwischenbaus eine zusätzliche Einfahrt für Radfahrer und Fußgänger von Osten angedacht wird, schlagen die zwei übrigen Arbeitsgruppen eine neue Erschließung von Norden vor. In einem Modell soll eine Decke im zweiten Obergeschosses bis auf eine Galerie abgetragen werden. Im ersten Geschoss entsteht dort eine große Terrassenfläche mit Kinderspielplatz und Sitzgelegenheiten, die über eine Rampe und eine breite Treppe erreicht werden kann. Westlich angrenzend hat dieses Team ein Gästehaus mit sechs Wohnungen in Leichtbauweise geplant, eine Brücke führt von dort zum Hauptgebäude. Den Gedanken, Appartements kurzfristig zu vermieten, hat auch ein zweiter Entwurf aufgegriffen. Im dritten Konzept ist zur Hauptstraße hin ein Laden geplant, den die Künstler und Handwerker der Huber-Häuser bestücken könnten.

Die Studierenden waren sich einig, dass darin nicht bloß eine Gelegenheit zur Selbstverwirklichung, sondern ein konsumfreier Ort für alle Dießener entstehen sollte. Mit einem Café, Kurs-, Veranstaltungs- und Ausstellungsräumen oder einer Bibliothek soll das Ortszentrum wiederbelebt werden; in den hinteren Bereichen sind private Räume zum Wohnen und Arbeiten geplant. Mehr als die fehlenden Kostenkalkulationen lassen diese architektonischen Gedankenspiele aber noch Flächendaten zur Raumnutzung vermissen: Schließlich steht eine Gebäudegrundfläche von insgesamt mehr als 1200 Quadratmetern zur Verfügung – und der Anteil der einzelnen Nutzungen ist nicht nur zum Vergleich der Konzepte von Bedeutung.
Bei der Einführung zur Präsentation betonte Kretschmann, dass er mit den Huber-Häusern „keine privaten Interessen“ verfolge. Er ist in Dießen aufgewachsen und vor drei Jahren aus der Schweiz in seinen Heimatort zurückgekehrt, wo der 52-Jährige mit seiner Frau Anna Schuster ein Haus für die Familie und das gemeinsame Architektur- und Stadtplanungsbüro errichtet hat. Kretschmann sieht in der sanierungsbedürftigen Druckerei, deren Geschichte er seit der Jugend verfolgt, eine „gewinnbringende Ressource für den Ort“. Ob das im finanziellen oder eher ideellen Sinne gemeint war, ließ er offen.
Eine Anfrage bei der Rathausverwaltung ergibt, dass dort bislang noch keine konkreten Bewerbungen eingegangen seien. Allerdings seien bereits mehrere Interessenten vorstellig geworden, um Unterlagen wie etwa Spartenpläne, Altlastenuntersuchungen und Fotos zu den Huber-Häusern einzusehen. Stichtag für die Einreichungen ist der 31. März.