Kirchensanierung in Dießen:Frisch herausgeputzt

Sankt Johann erstrahlt nach teuren Renovierungsarbeiten in neuem Glanz

Von Armin Greune, Dießen

Die Nähe zur Hauptverkehrsader der Gemeinde ist dem gar nicht mal so mal alten Gemäuer schlecht bekommen: Zum dritten Mal innerhalb von gut 50 Jahren musste die Dießener Friedhofskirche St. Johann renoviert werden. Fast eine Million Euro wurden diesmal aufgewendet - aber nun leuchtet das Kirchenschiff in frischem Glanz. "Wir sind sehr glücklich, die wesentlichen Arbeiten innerhalb eines Jahres abgeschlossen zu haben", sagte Dießens Pfarrer Josef Kirchensteiner bei der offiziellen Erstbegehung am Donnerstagnachmittag.

Die größtenteils vor 240 Jahren errichtete Kirche steht nur fünf Meter von der Johannisstraße entfernt, die als Teil der Staatsstraße 2056 das Ammerseewestufer mit Herrsching und Weilheim verbindet. Die vom hohen Verkehrsaufkommen ausgelösten Erschütterungen und Emissionen setzen St. Johann beständig zu. 2012 durchzogen wieder auffällige Risse die Wände und das Gewölbe; bei einer näheren Untersuchung wurde klar, dass insbesondere um die Fenster über dem Chorraum größere Eingriffe in die Bausubstanz nötig waren. Dazu wurde entdeckt, dass im Dach Balken morsch und handgezogene Ziegel aufgefroren waren. Insbesondere der Chorbogen habe große Probleme verursacht, es drohte sogar Einsturzgefahr, wie Kirchenpfleger Jürgen Zirch bei der Erstbegehung erläuterte. Obwohl der Chorbogen erst 1980 im Rahmen einer kleineren Zwischenrenovierung repariert wurde, musste er nun mit einem Gerüst verstärkt werden.

Friedhofskirche St. Johann ist wieder offen

Der Altar von Sankt Johann musste nur gereinigt werden, an der Bausubstanz fehlte es weiter.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Von Februar bis Dezember vergangenen Jahres dauerten die Renovierungsarbeiten, die Kirchenpfleger Peter Keck und Architektin Magdalena Lachmund leiteten. Aus dem Dachboden wurde erst der Schutt entfernt, bevor die Zimmerer schadhafte Balken flicken oder ersetzen konnten. Das Dach erhielt neue Ziegel und Entwässerungssysteme, die Fenster wurden mittels Drainagen trocken gelegt und mit handgeschmiedeten Gittern gegen Hagel geschützt. Um die Risse zu füllen, wurde ein spezielles Bindemittel mit Kunststoffschläuchen unter den Putz injiziert. Nach dem Aushärten gingen dann die Stuckateure und Maler ans Werk. Bei der Farbgebung orientierte man sich am frühklassizistischen Original, dazu hatten die Kirchenmaler mit detektivistischem Ehrgeiz alte Farbreste aufgespürt. Hinter einer Verzierung fanden sich tatsächlich Partikel, die mittels Laboranalyse dem 18. Jahrhundert zugeordnet werden konnten. Nun dominieren in St. Johann wieder altweiß und hellbeige, was das Interieur in Verbindung mit der dezenten, aber wirkungsvollen neuen Beleuchtung klar, hell und luftig erscheinen lässt. Fußboden und Altäre waren noch so gut erhalten, dass sie nur gereinigt werden mussten.

Während der Renovierung wurde das Kirchenschiff zwangsläufig um einigen Ballast erleichtert. So hängt der massive Kreuzweg noch nicht wieder an den Wänden. Kirchensteiner gefällt diese neue Schlichtheit, aber eine endgültige Entscheidung über den künftigen Wandschmuck ist noch nicht gefallen. Auch der alte, geschnitzte Kronleuchter, der eigentlich aus dem Marienmünster stammte, sei nun "endlich weg", findet der Pfarrer.

Er betonte die kunsthistorische Bedeutung der Bauwerks, für das Thomas Schaidhauf 1777 bis 1780 noch einmal die Bauleitung übernahm. Der Raistinger Baumeister habe in allen Dießener Kirchen Werke hinterlassen und sich dabei als recht flexibel erweisen: So stammt ein Kruzifix im Marienmünster von ihm, in der Kirche von St. Georgen hinterließ er einen Hochaltar im reinsten Rokoko. Nur zehn Jahre später schuf er mit St. Johann ein Werk, dass dem Empirestil zuzuordnen sei, sagte Kirchensteiner. Diese Richtung des Klassizismus mit ihren geradlinigen, klaren Formen bedeutete eine geradezu revolutionäre Gegenbewegung zum üppigen, verspielten Rokoko, das noch vom Feudalismus geprägt war.

960 000 Euro waren für die Renovierung nötig, etwa 200 000 Euro brachte die Pfarrei selbst auf, zwei Drittel davon waren Spenden. 56 000 Euro steuerte die Marktgemeinde bei. Noch sind - sowie der Frost nachlässt - Arbeiten am Regenwasserkanal zu erledigen und der Sockelputz muss aufgefrischt werden. Dessen ungeachtet habe er in St. Johann "leider schon ein Requiem halten müssen", sagt Kirchensteiner. Am 5. Februar soll das Gotteshaus der Gemeinde vorgestellt werden, von 13 Uhr an stehen Lachmund und einige Handwerker bereit, um die Renovierung zu erklären. Um 14.30 Uhr wird dann zum Aufwärmen in den Traidtcasten zu Kaffee und Kuchen eingeladen.

Mehr zum Thema: Seit Jahren ein Sanierungsfall

1573 wurde der Friedhof an der heutigen Dießener Filialkirche angelegt, 1584 folgte eine Kapelle, die 1740 unter Propst Herculan Karg um einen Erweiterungsbau ergänzt wurde, dem Heiligen Johannes dem Täufer und Evangelisten zu Ehren. 1777 musste das Kirchlein fast komplett neu gebaut werden, nur die Nordwand blieb stehen, der Chorraum mit den drei Altären, die Sakristei und die Kanzel wurden abgetragen.

Die Bauleitung übernahm der bekannte Stuckateur und Bildhauer Thomas Schaidhauf, der seit 1776 eigentlich als Baudirektor im Kloster Neresheim angestellt war und für die Arbeiten an der Kirche freigestellt wurde. Unter dem in Raisting geborenen - und mit einer Dießener Brauertochter verheirateten - Baumeister wurde der Sakralbau im Stil des Frühklassizismus gestaltet, die Kanzel sowie die drei Altäre stammen von Schaidhauf selbst.

Mit der Säkularisation übernahm die Gemeinde Dießen 1803 die Friedhofskirche und rettete sie vor dem Verfall. 1910 finanzierte Freiherr Ludwig von Schacky die Renovierung der Altäre durch den Dießener Maler Sebastian Wirsching. 1962 besteht erstmals akute Einsturzgefahr, worauf Pfarrer Hermann Neukam an Kirchweih dringlich hinweist. Bis zum Herbst 1963 werden bei einer Generalsanierung Süd- und Ostwand mit Bohrpfählen unterfangen, der Fußboden erneuert und das Dach ausgebessert. Die Kosten beliefen sich damals auf 200 000 Mark - einschließlich einer gebraucht gekauften Orgel. Nach kleineren Reparaturen 1980 ist 2016 wieder eine umfassende Sanierung fällig, die 2012 noch von Pfarrer Manfred Mayr angestoßen wurde. arm

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: