Dießen:Der Schwarm

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Es summt und surrt, es riecht nach Wachs: Nicola von Thurn zeigt im Dießener Stellwerk die mehrteilige Installation "Superorganismus", bei der sie sich mit einem Bienenvolk künstlerisch befasst

Von Katja Sebald

Nicola von Thurn vor Bildern ihrer Ausstellung über ein Bienenvolk. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

Die einzelne Biene folgt den Entscheidungen, die der "Superorganismus" des Schwarms getroffen hat, ob es nun darum geht, eine neue Bienenkönigin heranzufüttern oder darum, die Drohnen nach getaner Fortpflanzungsarbeit zu verstoßen. Die Künstlerin Nicola von Thurn, die auch Imkerin ist, hat sich für ihr Ausstellungsprojekt "Superorganismus", das schon 2013 im artLABOR in München zu sehen war, intensiv mit den Gesetzmäßigkeiten innerhalb eines Bienenvolks beschäftigt. Jetzt ist sie mit der mehrteiligen Installation zu Gast im Stellwerk Dießen.

"Meine Kunst hat immer auch mit meinem Leben zu tun", sagt Nicola von Thurn. Sie wurde 1979 in Garmisch-Partenkirchen geboren. Nach Abschluss eines Studiums für "Interdisziplinäre Projekte" bei Res Ingold an der Münchner Akademie der Bildenden Künste bewegt sie sich mit ihren Arbeiten vorzugsweise an der Schnittstelle zwischen Mensch und Natur: Es geht um Begegnungen mit Wölfen, Bergdohlen, Gämsen - und jetzt eben mit Bienen. Dabei lässt sie sich auf keine bestimmte Vorgehensweise festlegen: Sie greift sowohl auf klassische bildhauerische Techniken wie auf malerische und zeichnerische Arbeitsweisen zurück. Sie fertigt Videos und gibt dem Betrachter Handlungsanweisungen.

Auch in Dießen zeigt sie neben der zentralen Installation "Stockdunkel" sowohl Zeichnungen als auch den Messingabguss von drei Bienenwaben. Es ist ihr ein Anliegen, die eigene Faszination für den geheimnisvollen Kosmos der Bienen weiterzugeben. Wenn sie über die Intelligenz des Schwarms spricht, über das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Menschen und dem Nutztier, und wenn sie dazu auch noch Wabenhonig zum Probieren reicht, dann könnte man beinahe vergessen, dass man in einer Kunstausstellung ist. Neben der bloßen Information ermöglicht die Rauminstallation, die Nicola von Thurn am liebsten bei geschlossener Tür und ohne Licht präsentiert, aber auch ein Abtauchen mit allen Sinnen in die Welt der Bienen.

Das zweiteilige Objekt "Stockdunkel" stellt suggestiv die Begegnung des Menschen mit dem Bienenschwarm dar: Es geht buchstäblich um die Dunkelheit im Bienenhaus. Eine Portraitbüste ist aus Bienenwachs gefertigt und ebenso wie der Bienenstock in einem warmen Gelb von innen durchleuchtet. Das laute Summen und Surren der Bienen wird durch das Atemgeräusch des eindringenden Menschen unterbrochen. Der Raum ist vom Geruch des Bienenwachses erfüllt. Dann allerdings braucht man wieder Licht, um die feingliedrigen und detailgenauen Zeichnungen - passenderweise auf dickem Wabenkarton - zu betrachten, die einzelne Szenen aus dem Zusammenleben von Mensch und Biene illustrieren. Bildtitel wie "Wintertraube", "Hochzeitsflug", "Wabenherzen" und "Drohnenschlacht" greifen zwar eigentlich Fachbegriffe der Imkerei auf, eröffnen aber eine weitere, durchaus poetische Ebene.

Die Ausstellung "Superorganismus" ist noch bis zum 23. März jeweils samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Der Bienenstock, den Nicola von Thurn im Garten des Stellwerks aufgestellt hat, bleibt den ganzen Sommer stehen.

© SZ vom 11.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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