Dießen:Das Gardasee-Puzzle

Heike Hoffmann lebt am Ammersee und schreibt Bücher über das süße Leben hinterm Brenner

Von Christine Setzwein, Dießen

Es hat sich so gepuzzelt. Dieser Satz fällt öfter, wenn Heike Hoffmann aus ihrem Leben erzählt. Wie sollte es auch sonst passieren, dass aus einer promovierten Historikerin, die sich in ihrer Doktorarbeit mit der Entwicklung der Spielwarenindustrie beschäftigt hat, eine Foodjournalistin und Autorin von Kochbüchern wird. Die mindestens zehnmal im Jahr mit leerem Kofferraum an den Gardasee fährt und voll beladen mit Wein, Käse, Essig und Olivenöl wiederkommt an den Ammersee, wo sie lebt und arbeitet?

Dettenhofen Foodjournalistin Heike Hoffmann

Die legendäre "Ape" aus den 70er-Jahren hat Autorin Heike Hoffmann einem Freund in der Toskana abgekauft.

(Foto: Nila Thiel)

Das erste Puzzleteil legte Hoffmann vor etwa 30 Jahren, als sie mit einer Studienfreundin nach Italien reiste. Deren Großmutter hatte am südlichen Gardasee ein Haus. Gegessen wurde deutsch: Ravioli aus der Dose oder Mirakoli. Die Freundinnen wollten mehr, erkundeten das Hinterland und lernten Winzer und Gastronomen kennen. Immer im Gepäck der Veronelli, der italienische Restaurantführer. Verständigen mussten sie sich damals noch auf französisch. Heute spricht Heike Hoffmann perfekt italienisch.

Dießen: Mit Cesare Gozzi verbindet Hoffmann lange Freundschaft.

Mit Cesare Gozzi verbindet Hoffmann lange Freundschaft.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mit dem zweiten Puzzleteil legt die gebürtige Augsburgerin den Grundstein für ihre "La dispensa verde", ihre "Vorratskammer" in der Garage ihres Hauses. Dort duftet es nach Salami und Käse, dort stehen in den Regalen Olivenöle und Essig, Kapern und Pesto, an den Wänden Kisten voller Wein - Bardolino, Merlot, Grignolino, Chardonnay, Custoza. Und natürlich Bücher: "Ammerseerenke bis Zwetschgendatschi", "Genuss vom Gardasee", "Kulinarische Entdeckungen am Gardasee" oder "So schmeckt Oberbayern". Der Laden entstand, nachdem Heike Hoffmann von der Deutsch-Italienischen-Gesellschaft in Germering gefragt worden war, ob sie einen Winzer kenne, der für eine Veranstaltung Wein liefern könne. Sie kannte einen. Es war Cesare Gozzi, dessen Cantina in den Moränenhügeln südlich des Gardasees liegt. Er lieferte 120 Weinkartons nach Germering, sieben blieben übrig. "Ich nahm sie mit, um sie für ihn zu verkaufen", erzählt Hoffman. Das war der Anfang ihres Ladens und der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Dießen: Salami von Andrea Castrini wird importiert.

Salami von Andrea Castrini wird importiert.

(Foto: Stephan Rumpf)

Aufgewachsen ist Heike Hoffmann im Allgäu. In München hat die heute 55-Jährige Neuere und neueste Geschichte studiert. Nach dem Studium bekam sie eine Stelle als Internationale Bildungsreferentin bei der Europäischen Akademie Bayern, gab Seminare für Pädagogen und Schüler aus und in Osteuropa, Skandinavien, Deutschland - und Italien. "Italien war immer dabei", sagt sie. In der Villa Palagione bei Volterra zum Beispiel, es waren die Anfänge der Digitalfotografie, lernte sie Bildbearbeitung, weil sie mit den Jugendlichen eine Website gestalten wollte. Ein weiteres Puzzleteil, denn heute macht die Autorin die meisten Bilder für ihre Bücher selbst.

Dettenhofen Foodjournalistin Heike Hoffmann
(Foto: Nila Thiel)

Bis 2003 war Hoffmann für die Akademie tätig. Dann wurde die staatliche Förderung zusammengestrichen und sie stand auf der Straße. Gerade zu der Zeit, als sie mit ihrem Mann Andreas Schumann, Professor für Literaturwissenschaft, das Haus in Dettenhofen gekauft hatte. Übrigens nur wegen der Pilze. "Ich liebe Pilze", schwärmt die Autorin, und von Freunden habe sie erfahren, dass es in den Wäldern um Dießen ganz viele Schwammerl gebe. Sie baut ihren Laden und den Online-Handel auf, schreibt für Zeitschriften über Essen und Trinken und über Reisen, übersetzt italienische Homepages ins Deutsche und ist immer wieder nicht nur rund um den Gardasee unterwegs auf der Suche nach den besten Adressen von Winzern, handwerklichen Familienbetrieben und Restaurants. Längst hat sie eine Wohnung gemietet in einem Bauernhaus südlich des Gardasees.

Aber nicht nur der Süden hat es ihr angetan. Schuld daran ist eigentlich Barack Obama. Als der damalige US-Präsident 2015 beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau war, war die Gegend rundherum großräumig abgesperrt, die geplante Reise in den Süden platzt. Die Alternative: eine Fahrt durch das Wittelsbacher Land anhand des Slow-Food-Führers. Zwischen München und Augsburg entdeckt Heike Hoffmann 56 "Genussstationen", sammelt mehr als 200 Rezepte und Tipps. Ein Glück für die Autorin, dass der Wißner-Verlag "schöne Bücher" macht. So entsteht der Band "Ammerseerenke bis Zwetschgendatschi", dem bald die "Kulinarischen Entdeckungen am Gardasee" mit Rezepten von unterwegs folgen. Gastronomen müssen, wenn sie gut sein wollen, "eine unheimliche Leidenschaft haben", weiß Hoffmann. Die hat sie auch.

Dass die Historikerin gerne kocht und isst, steht außer Frage. Im Wohnzimmer stapeln sich in sechs Regalen Kochbücher, und das sind noch nicht alle. "Bei uns daheim wurde immer gut gekocht", sagt sie. Die Uroma stammte aus Franken, der Vater wollte unbedingt Koch werden, was ihm sein Eltern aber nicht erlaubten. "Ich esse alles außer Mousse au chocolat und Donauwelle", was so viel heißt, dass Heike Hoffmann keine "Süße" ist, sondern Herzhaftes bevorzugt. Fleisch kommt ihr nur in Bioqualität auf den Tisch. Dafür trifft sie sich zweimal im Jahr mit Freunden im Allgäu, wo dann ein Bio-Rind geschlachtet wird. Verwertet wird alles, nicht nur Filet oder Schulter. Im Übrigen mag sie immer öfter peppig zubereitetes Gemüse wie zum Beispiel Humus aus Roten Beten.

Was sie außerhalb Europas reizen würde? "Der Fischmarkt in Tokio und die vietnamesische Küche", sagt sie. Ein paar Puzzleteile fehlen noch.

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