Bürgerentscheid Dießen:Parkplatz im Brennpunkt

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Noch wird auf der Wiese an der Rotter Straße nicht gebaut, Bagger dort haben nur den Aushub für das Verlegen von Wasserleitungen in der Bannzeile zwischengelagert. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Beim Urnengang an diesem Sonntag geht es nicht allein um die Versiegelung einer Wiese, sondern auch um Grundsatzfragen der Verkehrspolitik und des Klimaschutzes.

Von Armin Greune, Dießen

An mangelnder Wahlbeteiligung wird das Dießener Bürgervotum pro oder contra Parkplatzausbau wohl nicht scheitern. Trotz einiger technischer Pannen im Vorfeld beim Versenden der Wahlbenachrichtigungen sind bis zum Annahmeschluss am Freitagmittag bereits 1971 Stimmzettel per Briefwahl im Rathaus eingegangen. Wenn nicht viele ungültige darunter sind, wäre damit das nötige Quorum von 20 Prozent also schon um 200 Stimmen übertroffen, bevor die zehn Wahllokale an diesem Sonntag die Türen öffnen.

Nur vordergründig geht es bei diesem Bürgerentscheid allein darum, ob ein Behelfsparkplatz auf dem gemeindlichen Grundstück an der Rotter Straße zugepflastert wird oder nicht. Die Gegner des vom Gemeinderat mehrmals mehrheitlich abgesegneten Vorhabens holen weiter aus: Für sie widerspricht der Ausbau - mit dem paradoxerweise die Zahl der verfügbaren Stellplätze fast halbiert wird - den vorrangigen Zielen Umwelt- und Klimaschutz: Ressourcen und Energie würden verschwendet, mit der Versiegelung der partiell mit Kies bestreuten Wiese ginge Naturraum verloren. Weil sich Pflaster, Asphalt und Autos stärker aufheizen als Grünland wären negative Auswirkungen auf das Kleinklima zu befürchten.

Vor allem aber sei eine Investition von 760 000 Euro für den motorisierten Individualverkehr grundsätzlich ein falsches politisches Signal, findet die Bürgerinitiative gegen Flächenversiegelung. Stattdessen sollte sich Dießen wie alle Kommunen bemühen, den Autoverkehr im Ort zu reduzieren, um dort anstelle von Blechlawinen, Lärm und Emissionen Aufenthaltsqualität zu schaffen. Viele Kontrahenten der Ausbaupläne haben dabei auch den nur 200 Meter entfernten Parkplatz der psychosomatischen Klinik im Auge. Im Rahmen des Umbaus und der neuen Nutzung des Klosters wurde 2018 eine 3650 Quadratmeter große Abstellfläche für 108 Autos südlich des Gebäudetrakts geschaffen. Dafür opferte man die vormalige Gärtnerei der Barmherzigen Schwestern - ein echtes landschaftliches Idyll mit Streuobstwiese und zwei Nebengebäuden musste Asphalt weichen.

Im Vergleich dazu hat das 4744 Quadratmeter große, baumlose "Zwickelgrundstück", das jetzt zur Debatte steht, in Hinblick auf Arten- und Naturreichtum kaum etwas zu bieten. Dennoch sei das Areal zwischen Landsberger und Rotter Straße eine der für Dießen charakteristischen Freiflächen und "eine wichtige Wiese, mit der man vorsichtig umgehen muss", befand 2018 die Planerin Barbara Hummel, die der Kommune beim Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept zur Seite stand: Über das abfallende Gelände ergäben sich beispielsweise wertvolle Blickbeziehungen zum Ortsrand.

Die Pläne der Gemeinde sehen nach dem Ausbau 86 gepflasterte Parkplätze und befestigte Zufahrten vor, auch Bäume und Grünflächen sind vorgesehen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Gemeinde Dießen hatte dafür außer Parkraum zunächst auch eine Wohnbebauung ins Auge gefasst, diese Pläne aber bald wieder aufgegeben. 2016 war der Gemeinderat einstimmig bereit, 147 befestigte Stellplätze anzulegen, Baubeginn sollte noch im gleichen Jahr sein. Der Entwurfsplanung zufolge wurde zu den geschätzten Baukosten von 557 000 Euro etwa 220 000 Euro Zuschuss aus der Städtebauförderung erwartet. Weil aber das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept für Dießen keinen Bedarf an zusätzlichem Parkraum sah, wurde für den eigentlichen Stellplatzbau keine Förderung in Aussicht gestellt. Daraufhin reduzierte man die Planung auf zunächst 92 und dann 86 mit Rasensteinen bewehrte Parkabteile.

Die Befürworter des Ausbaus verweisen darauf, dass dadurch nur noch 34 Prozent der Fläche versiegelt werden sollen. Mit dem Pflanzen von 18 Bäumen, einigen Sträuchern und Blühflächen für Insekten sowie vielseitig begrünten Versickerungsmulden ließe sich sei ein positiver Effekt für die Artenvielfalt und das Kleinklima erzielen, argumentieren Rathausverwaltung und zuletzt eine 17:5-Mehrheit des Gemeinderats. Für Begrünung, Entwässerung und Landschaftsplanung in Verbindung mit dem Parkplatzausbau würde die Städtebauförderung 60 Prozent der förderfähigen Kosten beisteuern.

Auf der seit mehr als einem Jahrzehnt als Behelfsparkplatz mit gekiesten Zufahrten genutzten Wiese gegenüber der Mädchenrealschule parken in der Regel nur einzelne Lehrkräfte. Doch bei großen Veranstaltungen in der Mehrzweckhalle oder im Marienmünster sowie beim Dießener Töpfer- und Weihnachtsmarkt wird die gesamte Fläche für Besucher beansprucht. Bürgermeisterin Sandra Perzul sieht noch größeren Bedarf, wenn an der Landsberger Straße wie geplant eine neue Kinder­tagesstätte gebaut wird. Wie schon ihr Amtsvorgänger Herbert Kirsch verweist sie darauf, dass die Parkwiese nach Starkregen aufweicht und nur teilweise befahrbar ist. Allein die Kosten für die Entwässerung, die aus Sicht der Verwaltung dringend zum Hochwasserschutz benötigt werde, würden sich auf rund 360 000 Euro belaufen, ist aus dem Rathaus zu hören. Mit dem Ausbau ließen sich auch Ladesäulen für E-Fahrzeuge und eine Querungshilfe für Fußgänger an der Rotter Straße schaffen. Eine Refinanzierung der Tiefbauarbeiten erhofft man sich durch das Kassieren von Parkgebühren.

Mit einer Tafel am Behelfsparkplatz informiert die Gemeinde über den umstrittenen Tiefbau, der 760000 Euro kosten soll. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Gegensatz dazu sieht die Bürgerinitiative - zu der sich Bund Naturschutz, Heimatverein, Klimalobby, Jugendbeirat, die örtliche Sektion des Alpenvereins und der politische Zirkel "Mittwochsdisko" zusammengefunden haben - in Dießen keinen Bedarf an zusätzlichen Parkplätzen. Um die Autos der vielen Wochenendausflügler aufzunehmen, sei die Rotter Straße ohnehin zu weit von Fischerei und Seeanlagen entfernt. Und selbst wenn man davon ausgehe, Parkraum schaffen zu müssen, wäre der Ausbau des Provisoriums kontraproduktiv, weil die Zahl der Stellplätze damit zurückgeht: Bisher finden bis zu 155 Autos auf der Wiese Platz, wenn der Boden trocken ist. Aus Sicht der BI soll die Fläche beton- und asphaltfrei erhalten bleiben, Befestigung und Drainage müssten auf das Notwendigste beschränkt werden. Auf nächtliche Beleuchtung könne man der Energieeinsparung und Insekten wegen verzichten, Baumpflanzungen wären jedoch willkommen.

Welche der beiden Auffassungen nun eine Mehrheit unter den Dießenern findet, muss sich am Sonntag zeigen. Den "Erhalt der unversiegelten Grünfläche mit temporärer Parkmöglichkeit" fordert die BI, das Ratsbegehren lautet auf "Ausbau des bisherigen Entlastungsparkplatzes"; außerdem ist eine Stichfrage zu beantworten. Die zehn Wahllokale im Gemeindegebiet sind jeweils von 8 bis 18 Uhr geöffnet. In begründeten Ausnahmefällen kann man sich am Sonntag noch von 8 bis 15 Uhr einen Abstimmungsschein im Einwohnermeldeamt des Rathauses ausstellen lassen.

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