Dießen:Bierschloss und Beziehungskiste

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Claus Bakenecker entwickelt und vertreibt mit der Firma CMC Puzzles Gedulds- und Denkspiele. Die Produkte aus Holz, Plexiglas und Stahl werden nicht in Asien, sondern am Ammersee von Hand montiert

Von Armin Greune, Dießen

Fabrikatmosphäre stellt man sich anders vor. Das Nebengebäude am Dießener Einfamilienhaus wirkt wie eine Kreuzung aus Hobbykeller und der Werkstatt von Meister Eder. Aber selbst wenn es intensiv nach Holz riecht - hier wird keine koboldgeplagte Schreinerei betrieben. Stattdessen sind in den eineinhalb Räumen Denkwerkstatt, Produktion und Lager mit unzähligen Kartons, Fächern und Schubladen untergebracht. Und so vereint Inhaber Claus Bakenecker auch eine ganze Reihe von Berufen in einer Person: Er arbeitet als Erfinder, Produktentwickler, Designer, Programmierer, Maschinenführer, Handwerker, Marketingstratege, Messepropagandist und Internetverkäufer.

Sein Unternehmen produziert Puzzles, so wie sie die Briten verstehen: Auf der Insel sind damit nicht nur die zu Hunderten Teilen zersägten Lege-Bilder gemeint, sondern vor allem Gedulds- und Denkspiele für Tüftler. Im derzeit rund 250 Artikel umfassenden Sortiment der Firma CMC Puzzles finden sich komplexe Kugellabyrinthe, verschlungene Vexiere aus Stahl, vertrackte Schlösser, Seiltricks, technische Knobeleien und attraktiv gestaltete Tangram-ähnliche Legespiele. Das alles wird nicht etwa in Asien, sondern am Ammersee hergestellt: vom Chef selbst und seinem Mitarbeiter Patrick Brand. "Bierschloss 200, Beziehungskiste 243" steht über der Werkbank in Kreideschrift auf der Schiefertafel. Sie gibt das Produktionsprogramm des Nachmittags an.

Das "Atomium" ist das größte der dreidimensionalen Puzzles, die Claus und Ulrike Bakenecker in ihrer Mini-Fabrik in Dießen herstellen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Für den ersten Akt ist oft ein Kohlendioxid-Präzisionslaser zuständig: Er sägt und graviert die Teile der Spiele in Platten aus Furnierholz und Plexiglas. Die werden dann im zweiten Akt von Hand zusammengefügt. Im Moment ist der etwa 50 000 Euro teure Laser allerdings mit Holzetiketten für Zapfhähne beschäftigt. Die sind für die Minibrauerei gedacht, die Bakenecker mit Martin Hug in Dießen betreibt. Seit 2014 schenken sie eigenes Bier aus, noch immer ist "Craft Bräu" mehr Hobby als Geschäft. Bier und Spiele statt "Brot und Spiele" sei sein Metier, witzelt Bakenecker. Zum Broterwerb für die Beschäftigten tragen allerdings bislang nur die Puzzles bei.

Auch seine Frau Ulrike arbeitet im Betrieb mit: "Als Testperson, Marktfahrerin, für die Bürokratie und alles andere, was lästig ist", sagt sie und lacht. Zur Hochsaison sind weitere 15 Leute angestellt, die auf Adventsmärkten die Puzzles anbieten: "Das sind keine Hilfskräfte", stellt Bakenecker klar, "die Anforderungen sind hoch: Oft steht man zwölf Stunden mit Kunden im Gespräch." Standfeste Verkäuferpersönlichkeiten sind gefragt, die selbst gerne tüfteln, das Sortiment mit Witz vorstellen können und alle Lösungswege kennen.

Die "Kristallpyramide" wurde aus fünf verschiedenen Hölzern angefertigt, (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nur fünf Prozent der Spiele werden im Internet unter www.cmc-puzzles.de verkauft; in Zeiten der Hochkonjunktur haben auch Großfirmen Puzzles mit individueller Gravur als Werbegeschenke in Auftrag gegeben. Doch 95 Prozent des Umsatzes bescheren CMC Puzzles Märkte wie das Münchner "Tollwood" oder die Auer Dult. Vor Weihnachten ist man zudem in Ulm und Stuttgart und auf dem Münchner Marienplatz vertreten. "So einen Markt muss man hüten, der ist eine Lebensversicherung", sagt Bakenecker. Um eine Zulassung zu erhalten, müssen sich Aussteller einer Punktebewertung unterziehen, nach der die begehrten Standplätze verteilt werden. In Ulm wurde CMC Puzzles dreimal in Folge für eine der schönsten Marktbuden ausgezeichnet. Mitbewertet wurde dabei auch der Umgang mit den Kunden: Bei Bakenecker ist es Prinzip, dass jeder alles probieren darf. Auch wenn immer wieder mal was zu Bruch geht: Manchmal belagern 40 Neugierige gleichzeitig den Stand. Beim Publikum hat Bakenecker auffällige Mentalitätsunterschiede festgestellt. Während fast alle deutschen Kunden die Rätsel daheim knacken wollen, "gehen 100 Prozent der Italiener nicht eher vom Stand weg, bis sie die Lösung kennen": Sie wollen mit dem Puzzle Bekannte unterhalten und verblüffen, erzählt Bakenecker.

Von Oktober bis Januar ist er täglich 15 oder 16 Stunden im Einsatz, im Frühjahr und Sommer bleibt mehr Zeit für neue Knobeleien. Viele Puzzles hat er selbst ausgeheckt, bei den älteren stand meist Jean-Claude Constantin Pate, den Backenecker Mitte der 1990er Jahre kennenlernte. Mit ihm tauscht sich der Dießener heute noch aus und arbeitet auf Messen zusammen. Während Constantin als gelernter Schreiner noch immer mit Vollholz arbeitet, ist Bakenecker auf MDF-Platten umgestiegen, die mit 70 verschiedenen Echtholzfurnieren veredelt werden. Er bezieht sie inzwischen von zwei Zulieferern, zu Beginn der "Serienproduktion" hat er die Holzschichten noch selbst zusammengeleimt und von Hand lackiert.

Das Puzzle "Alles für die Katz" ist eines der 250 Produkte, die vor allem auf Märkten verkauft werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schon bevor er 1996 CMC Puzzles gründete, hatte Bakenecker Geduldsspiele auf Flohmärkten verkauft. Außerdem war der Diplom-Sportlehrer als Volleyballtrainer oder Jongleur bei Zirkusprojekten engagiert, aber nie fest angestellt. Von Constantin inspiriert, begann er selbst Geduldsspiele auszutüfteln: "Das Entwickeln der Puzzles ist deutlich aufwendiger als der Entwurf am Computer und die Produktion", sagt Bakenecker. An die 30 neue Spiele bringt er jährlich auf den Markt, etwa ein Drittel davon bleibt dann auf Dauer im Sortiment.

Zwei Drittel des Umsatzes entfallen nun auf technische oder logische Rätsel, "die klassischen Puzzles verkaufen wir fast gar nicht mehr", sagt der 55-Jährige. Als Hit habe sich im vergangenen Jahr etwa das "verrückte Bierschloss" erwiesen, zu dem zwar auch der Schlüssel fürs Vorhängeschloss mit an der Flasche hängt, aber doch außer Reichweite zu sein scheint: Statt der zunächst erwarteten 200 Stück konnten CMC Puzzles davon bislang 2000 verkaufen. Eine Spezialität des Hauses sind die edel gearbeiteten "Zauberkästchen", die sich außer zum Spielen auch als Geschenkverpackung eignen. Oft sei für den Erfolg eines Artikels ein griffiger Name oder ein Motto entscheidend: So sei die Nachfrage nach einem der Kästchen auf das Zigfache gestiegen, seitdem es die Aufschrift "Beziehungskiste" trägt. Und das Holzlegespiel "Alles für die Katz" hat schon mehr als 10 000 Käufer gefunden: Es ist halt das ideale kleine Präsent für Katzenfreunde und -freundinnen, die sonst schon fast alles besitzen.

Die meisten Puzzles liegen in der Preisklasse von 12 bis 20 Euro: Beträge also, die man locker am Marktstand für ein Mitbringsel aufbringt. Die teureren, dekorativen und beeindruckenden Konstruktionen aus Stahl, Holz, Plexiglas und Kordeln stellen nicht unbedingt die kompliziertesten Probleme dar. Bakenecker warnt etwa vor einem total simpel aussehenden Holzrahmen, in dem drei L-förmige Plättchen unterzubringen sind: "Das sind nur drei Teile, aber da sitzt man durchschnittlich fünf Stunden dran."

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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