Portraits from the SubconsciousZufall, Unbewusstes und gestalterische Impulse

Lesezeit: 2 Min.

Zeigt im "Blauen Haus" Portraits in Schwarz-Weiß aus dem Unterbewussten: Felix Pitscheneder.
Zeigt im "Blauen Haus" Portraits in Schwarz-Weiß aus dem Unterbewussten: Felix Pitscheneder. (Foto: Nila Thiel)

Künstler Felix Pitscheneder debütiert im "Blauen Haus" in Dießen mit einer ungewöhnlichen Vernissage: Statt Konzertflügel und Dresscode gibt es eine Live-Tätowier-Session, avantgardistische Klänge und DJ-Sets zu später Stunde.

Von Katja Sebald, Dießen

Die Ausstellung war noch nicht eröffnet, da war das erste Bild schon verkauft und das erste Tattoo gestochen. Der Künstler Felix Pitscheneder hatte für sein Debüt mit "Portraits from the Subconscious" im Blauen Haus eine Vernissage der etwas anderen Art versprochen: Kein Konzertflügel und kein Dresscode, dafür "eine Live-Tätowier-Session mit Motiven aus der Ausstellung, ein Live-Gig des avantgardistischen Gruberich-Trios und DJ-Sets zu späterer Stunde" waren für den Eröffnungsabend angekündigt.

Noch bevor es richtig losgegangen war, legte sich der Künstler selbst auf die Liege und ließ sich die Wade mit zwei Figuren verzieren. Die Originalzeichnung hatte er zuvor seinem besten Freund verkauft, der sich das Motiv ebenfalls stechen lassen wollte. Es dürfte jedenfalls ein langer Abend geworden sein, der mit gängigen Bräuchen in der Osternacht wenig zu tun hatte - auch wenn eine der beiden Figuren auf dem Freundschaftsbild ein langohriges Häschen war.

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Felix Pitscheneder, Jahrgang 1985, studierte Medientechnik und arbeitet im Bereich Fotografie, Video und Gestaltung. Seit einiger Zeit lebt er in einem alten Bauernhaus in Rott am Lech, wo er ein Film-, Foto- und Tonstudio hat. Zuhause in der Skate- und Snowboard-Szene und mit Hip-Hop und Graffiti sozialisiert, begleitete er vor allem Bands und Kunstprojekte mit seiner Kamera, bevor er durch die Corona-Pandemie ausgebremst wurde. Die "freigewordene" Kreativität, aber auch Zweifel und Zukunftsängste, kanalisierte er ab sofort auf Papier. In den Lockdowns entstanden täglich neue Bilder, zunächst mit Pinsel und Farbe, oft ergänzt durch Text, auf jeden Fall inspiriert von Comic und Street Art. "What if everything was a lie?" steht etwa über einer Figur, die eine Personifikation der Ratlosigkeit ist und sich die Haare rauft.

"Portraits from the Subconscious" heißt die Debüt-Ausstellung des Künstlers Felix Pitscheneder.
"Portraits from the Subconscious" heißt die Debüt-Ausstellung des Künstlers Felix Pitscheneder. (Foto: Nila Thiel)

Das Auseinanderdriften der Meinungen, das Schwarz-Weiß-Denken von Geimpften und Ungeimpften, die gängigen Schlagworte und Schuldzuweisungen, überhaupt die Begriffe, die vorher niemand kannte und die auf einmal in aller Munde waren, hat Pitscheneder auf einer großen Leinwand nebeneinander und übereinander geschrieben - natürlich in Schwarz-Weiß. Und als Russland die Ukraine überfiel und neue Schlagworte und neue Debatten aufkamen, folgten weitere Wort-Bilder mit neuen Fragestellungen, neuer Verwirrung und neuem Schwarz-Weiß-Denken.

Nicht alles, was Felix Pitscheneder ausstellt, ist monochrom: Der Corona-Pandemie - erkennbar an der Maske - gewinnt er auch seine bunten Seiten ab.
Nicht alles, was Felix Pitscheneder ausstellt, ist monochrom: Der Corona-Pandemie - erkennbar an der Maske - gewinnt er auch seine bunten Seiten ab. (Foto: Nila Thiel)

Den weitaus größten Teil der Ausstellung aber machen die Papierarbeiten aus, die seit etwa einem Jahr ebenfalls in Schwarz-Weiß mit Tusche und Ölkreide entstehen. Insgesamt gibt es davon mittlerweile mehr als dreihundert Blätter, alle im gleichen Format. Obwohl Pitscheneder davon nur eine Auswahl präsentiert, sind die Wände des großen Ausstellungsraums fast vollständig bedeckt. "Ich kann einfach überhaupt nicht absehen, wem was gefällt", sagt er. Deshalb wolle er so viel wie möglich zeigen.

Ostern lässt grüßen: Ein Hase?
Ostern lässt grüßen: Ein Hase? (Foto: Nila Thiel)

Für seine Figurenzeichnungen hat Pitscheneder, der zwar als Künstler Quereinsteiger ist, als Gestalter jedoch durchaus über Erfahrung verfügt, eine Vorgehensweise entwickelt, bei der er Zufall, Unbewusstes und gestalterischen Impuls kombiniert: Er bringt zunächst eine größere Menge schwarzer Tusche auf das Papier auf und lässt den dabei entstandenen Fleck oder die Farbspur trocknen, bevor er diese Form zu einer Kreidezeichnung weiterentwickelt. Meist ergeben sich dabei Figuren und schließlich eine kleine Bilderzählung. Und meistens offenbart das, was auf den zunächst vielleicht niedlich aussieht, auf den zweiten Blick etwas Hinter- und manchmal auch Abgründiges.

Dem langohrigen Hasen wächst eine Figur aus dem Kopf, die ihm dann mit dem Hammer einen Nagel ins Hasenohr treibt. Die putzige Figur mit der Zipfelmütze erinnert an einen freundlichen Schneemann, der aber ein Messer in der Hand hat, von dem das Blut tropft. Merkwürdige Kopfformen, deformierte Körper und seltsame Begegnungen zwischen Tier und Mensch bestimmen diese Porträts, die aus dem Unterbewusstsein des Künstlers kommen. Sie mögen technisch nicht perfekt sein - harmlos sind sie jedoch keinesfalls.

Die Ausstellung "Portraits from the Subconscious" im Blauen Haus in Dießen, Prinz-Ludwig-Straße 23, ist noch bis zum 14. April täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

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