Demonstration in Dießen:Heiße Rhythmen gegen die "Verstarnbergisierung"

Demonstration in Dießen: Höhepunkt im Schacky-Park: Der Demozug mit 300 Teilnehmern verwandelt sich in ein Open-air-Happening für ein lebenswertes Dießen.

Höhepunkt im Schacky-Park: Der Demozug mit 300 Teilnehmern verwandelt sich in ein Open-air-Happening für ein lebenswertes Dießen.

(Foto: Jörg Kranzfelder/oh)

300 Menschen tanzen bei einer musikalischen Demo für den Charme Dießens. Der Ort soll nicht wie Sylt, Tegernsee oder eben die Kreisstadt werden.

Von Armin Greune

"Auf dem Eisstadion ist Skateboardfahren verboten": Das Hinweisschild lässt sich nur ironisch auffassen. Wer sich in dieser sengenden Mittagshitze in eine schattenlose, potthässliche Asphaltwüste stellt und den Mund-Nasen-Schutz voll schwitzt, muss schon einen guten Grund haben. Im Fall der knapp 150 Menschen, die am Samstag auf dem Dießener Skaterplatz versammelt sind, gibt es gleich zwei: zum einen die mitreißende Vorstellung der Gitarrenrocker von Ultimate Silverbeet, deren bluesiger Westcoast-Sound dem Publikum eher noch mehr einheizt.

Der andere ist Grund ist die Botschaft, die diesen Zwitter aus Demonstration und Rave mit Livemusik antreibt. Sie wird gerade in 20 Meter Breite auf dem Platz fixiert: "Freiräume gestalten - Charme erhalten/Freiraum für Musik, Bildung, Kunst, Soziales/Graphische Kunstanstalt". Das geschieht nicht mit Spraydose und Schablone, sondern nach einer Vorlage auf einem Pappkarton mit weißer Farbe: Unter dem professionellem Pinselschwung der Bildhauerin und Kalligrafin Franziska Ghirardo entsteht ein einmaliges Kunstwerk, das bedauern lässt, dass ihm nur noch kurze Lebenszeit beschieden ist: Demnächst wird der Belag einem neuen Basketballplatz und Skaterparcours weichen. Der Wechsel von Kunstgenuss und politischen Appellen zieht sich wie ein roter Faden durch diese zumindest für Dießen einzigartige Veranstaltung. Organisiert haben sie der Münchener Kulturveranstalter Matthias Stadler, bekannt für seine musikalischen "Tam Tam"-Stadtspaziergänge, und die Dießener Künstlerin Vanessa Hafenbrädl vom Verein "Freie Kunstanstalt".

Doch es geht um weit mehr als nur die Nutzung der schon sehr lange leer stehenden Druckereihäuser, vormals "Graphische Kunstanstalt" Huber. Auf der Kundgebung am Untermüllerplatz mahnt Unterbräu-Wirt Martin Brink, den Charme des Ortes zu erhalten, "um nicht dort anzukommen, wo Sylt und Tegernsee heute schon sind". Die Uttinger Bundestagskandidatin der Linken, Simone Ketterl, fordert "starke politische Signale zur Regulierung des Immobilienmarkts". Peter Bierl von der Dießener Gesprächsrunde "Mittwochsdisko" warnt vor "Verstarnbergisierung" und moniert fehlende Räume in Dießen für Jugendliche, Kunst und Kultur. "Divers, bunt und laut" wünschte er sich die Zukunft der Huber-Häuser und seiner Gemeinde. Die grüne Landtagsabgeordnete Gabriele Triebel appelliert an Veranstalter und Gemeinderat, bei der Suche nach einem Nutzungskonzept aufeinander zuzugehen. Gemeinderätin und Kulturreferentin Miriam Anton (Grüne) ist "sehr optimistisch, dass in Kürze ein Veranstaltungssaal zur Verfügung stehen wird".

Am Samstagnachmittag steigen die Konzerte noch in Dießens Straßen und Park. Punk 9 tobt auf dem Skaterplatz, vor den Huber-Häusern pflegt Polina Lapkovskaja alias Pollyester das Kunstlied. Das E-Bike-Soundsystem von Manuel da Coll begleitet den Zug von fast 300 Teilnehmern, die Hochzeitskapelle fährt in der Kutsche mit zum Schacky-Park, vor dessen Toren die Demo beendet ist. Drinnen posiert gerade ein Paar für Hochzeitsfotos, die Braut missdeutet die Ankunft der famosen "Rumpeljazz"-Combo als weiteren Programmpunkt der Heirat. Stattdessen folgt ein wunderbares Open-air-Happening für alle im herrlichen, sonnendurchfluteten Parkambiente, zu dessen Gelingen die dreisprachigen Songs und die E-Gitarre von Inga sowie das Electronic-Duo Meerkat Meerkat entscheidend beitragen: Drummer Manu da Coll (La Brass Banda) und Sampler Joe Masi vereinen Künstler und Sympathisanten aller Generationen beim fröhlichen Tanz am Monopteros.

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