Die Arbeitsgemeinschaft Dießener Kunst (ADK) feiert in diesem Jahr ihr 90-jähriges Bestehen, unter anderem mit der kleinen Sonderausstellung „Werkstattfunde“ im Pavillon in den Seeanlagen. Einige der dort gezeigten Exponate dürften allerdings deutlich älter sein als der auf Initiative des Keramikers Erich Kloidt ins Leben gerufene Zusammenschluss von Kunsthandwerkern und Künstlern, dessen Ziel es war, in gemeinsamen Verkaufsausstellungen die Erzeugnisse aus Dießener Werkstätten und Ateliers zu präsentieren.
Ums Verkaufen geht es allerdings in der kleinen Sonderschau an der rückwärtigen Wand des Ausstellungspavillons nicht, ganz im Gegenteil: Dort sind Zinnfigürchen zu sehen, die schon in der Abfallkiste lagen, oder Werkzeuge, die seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurden. Einige der langstieligen Eisenzangen des Dießener Kunstschmieds Walter Spensberger werden an dieser Wand präsentiert, als wären sie selbst Kunstwerke. Gefäße mit verschiedenen Pinseln, Rollen und Spachteln werden ebenso zu Stillleben wie Blumen, die vor vielen Jahren in einer Vase getrocknet sind. Auch der Sattler Michael Ruoff hat einige seiner Lederbearbeitungswerkzeuge zur Verfügung gestellt, die selbst in kunstvollen Lederetuis aufbewahrt werden.
Die Schmuckkünstlerin Barbara Trede zeigt einen hellblauen Eislöffel aus Plastik, der sie zu einem Schmuckstück inspirierte, und einige alte Wäscheknöpfe aus Metall, die sie auf einer Schnur aufgefädelt in ihrer Werkstatt bewahrte und die jetzt den Anstoß für eine ganze Kollektion von Wäscheknöpfenketten gaben. Ein grüner Blumendraht sieht an dieser Wand ebenso dekorativ aus wie ein paar rostige Eisenteile oder das Probestück für ein in Freskotechnik hergestelltes Bild. Manche Künstler wie der Holzbildhauer Peter Wirsching gaben einige ältere und fast vergessene Arbeiten in die Ausstellung, andere einfach kleine Merkwürdigkeiten und Fundstücke, die seit Jahren auf ihrem Arbeitstisch lagen. Dazu gehörte auch eine alte Scherbe aus der Keramikwerkstatt Hudler, sie gab jedoch jetzt den Anlass für die Herstellung von zwei kleinen Krügen mit demselben Dekor.
Natürlich ist auch eine Auswahl der Scherben zu sehen, die der Dießener Keramiker Ernst Lösche in den 1960er-Jahren in seinem Garten fand, als er beim Pflanzen eines Apfelbaums auf die Abfallgrube einer ehemaligen Töpferei stieß. Seine daraufhin angestellten Nachforschungen ergaben, dass auf dem Grundstück in St. Georgen bereits im 17. Jahrhundert das blauweiße Geschirr hergestellt wurde, für das Dießen damals weithin bekannt war. Noch heute kann man in der Keramikwerkstatt Lösche Gefäße kaufen, deren Formen und Glasuren anhand dieser Funde rekonstruiert werden konnten.



Die Arbeitsgemeinschaft Dießener Kunst wurde 1934 gegründet, zu einem Zeitpunkt, als das NS-Regime bereits die Gleichschaltung aller Vereine betrieb. So ist es zu erklären, dass die Gruppe während des Dritten Reichs nach außen hin nur als „Ausstellung Dießener Kunst“ in Erscheinung trat. Gleichwohl dürfte ihr Gründungsvater Erich Kloidt, der ein Probesemester am Bauhaus in Weimar absolviert hatte, dem Bauhaus-Gedanken und dem gleichberechtigten Miteinander von Künstlern und Kunsthandwerkern zugetan gewesen sein. Ebenfalls durch Kloidts Anregung wurde 1939 der Pavillon am See als Ausstellungsraum erbaut. Kloidt selbst fiel 1943 im Zweiten Weltkrieg, seine Frau führte die Werkstatt bis zu ihrem Tod 1956 weiter. Der Pavillon, der 1954 durch einen vom Münchner Architekten Franz Joseph „Sep“ Ruf entworfenen Glasanbau ergänzt wurde, steht seit 2004 unter Denkmalschutz.
Einige traditionelle Dießener Werkstätten sind heute bereits in der dritten Generation in der ADK vertreten, aber es kommen auch immer wieder neue Mitglieder dazu. Nicht nur die beiden aus Korea stammenden Keramiker Bokyung Kim und Minsoo Lee, die sich vor einigen Jahren in Dießen niedergelassen haben, sind hier vertreten. Mit der Glaskünstlerin Ulrike Umlauf-Orrom und der Textilgestalterin Eva Graml-Lösche sind neben Töpfern, Zinngießern, Holzschnitzern und Goldschmieden auch ganz neue kunsthandwerkliche Gewerke vertreten. Mit Noah Cohen, Jörg Kranzfelder und Christoph Franke gehören, wie schon in der Anfangszeit der ADK, seit einigen Jahren auch wieder Fotografen zu der Gruppe. Und ebenfalls wie ganz zu Beginn stellen auch mehrere Dießener Maler ihre Bilder in den Seeanlagen aus.
Die „Werkstattfunde“ sind noch bis zum 31. Oktober täglich von 11 bis 18 Uhr im Pavillon am See zu sehen.