Patrick Grübener macht sich seine Riegel schon seit Jahren selbst. Nüsse und Früchte in den Mixer, ein paar Leinsamen oder Sonnenblume dazu, Kakao. "Ich ess' die ständig", erzählt der 38 Jahre alte Online-Marketingmanager aus Dießen. Zufällig erfährt er bei einem Telefonat mit seinem Bruder Marc in Nordrhein-Westfalen, dass auch der regelmäßig in der Küche steht und sich gesunde Snacks für unterwegs zubereitet - "er war sogar schon weiter und hat seine Kumpels mitversorgt". Gemeinsam machen sie es sich zum Ziel, den perfekten Riegel zu kreieren, schaffen sich die gleichen Mixer an, kaufen exakt die gleichen Zutaten, erstellen Tabellen, die aufs Gramm genau ihre Mischungen festhalten. Das beste Ergebnis ist ihr "Vollgas"-Riegel, den es seit Mai online zu kaufen gibt.
Vollgas - das ist das Motto der Brüder, die auf den Tag genau sieben Jahre trennen. Patrick Grübener arbeitet Vollzeit bei einem Institut in Tutzing, hat eine vier Jahre alte Tochter und einen zwei Jahre alten Sohn, in den vergangenen Jahren hat die Familie ein Ferienhaus in Kroatien saniert, der Heimat seiner Frau. Oft ging es abends mit dem Auto los, oft griff Grübener zu Energydrinks. Meist bereute er es am nächsten Tag, "weil es mir schlecht ging". Also reicherte er seine Riegel für die Fahrten mit Guarana und Macha an, um wach zu bleiben. "Da hab' ich mir abends drei Riegel reingeschmissen und konnte bis sechs Uhr morgens fahren."
Sein jüngerer Bruder Marc experimentierte derweil auf der Suche nach einem Energiespender bei Rennrad- und Mountainbike-Marathons oder beim Kitesurfen. Beide wollten möglichst lange etwas von ihrem Snack haben, der obendrein gut schmecken und nicht an den Fingern oder im Mund kleben sollte. Die ersten Vollgas-Riegel lassen sie Anfang dieses Jahres bei einer Firma in Lübeck produzieren, die Fruchtschnitten herstellt. Die riesigen Maschinen werden freilich nicht für eine Handvoll Snacks angeschmissen, die Brüder bestellen 6000 Riegel - "das war schon ein Schritt aufs Wasser", sagt Patrick Grübener rückblickend.
Ein Jahr lang haben sie zuvor ihr Start-Up vorbreitet, den Markt analysiert, die finanziellen Mittel kalkuliert, einen Online-Shop eingerichtet. Patrick Grübener steuert vom Ammersee aus das Marketing, Bruder Marc - gelernter Maschinenbauingeniur - kümmert sich in der Nähe von Siegen um den Vertrieb und die Finanzen. "Der kann einem was verkaufen und man merkt's gar nicht", sagt Patrick Grübener anerkennend. Anstrengende Monate mit langen Tagen, getragen allein von der Überzeugung, dass es sich lohnt. "Da muss man immer schön positiv bleiben", erinnert sich Patrick Grübener.
Die erste Krise gibt es, als die erste Lieferung in Siegen ankommt und das Haus von Marc Grübener "verriegelt". Patrick Grübener muss lachen. Um die Ehe des Bruders nicht zu gefährden, habe man sich hilfesuchend an ein Logistik-Start-Up gewandt, welches inzwischen Lagerung und Versand übernimmt. Zwischen 30 und 40 Boxen mit jeweils 20 Riegeln werden in den ersten Monaten online bestellt, die meisten Kunden kommen aus dem Raum Siegen und München, vereinzelt auch aus Berlin. Die 40-Gramm-Portionen kosten 1,99 Euro. Im Einzelhandel gibt es die "Vollgas"-Riegel für etwa 2,19 Euro das Stück, bislang aber nur im Dießener Café "Bohne 37" und im Münchner Surf-Shop "Santo Loco" - Patrick Grübener gehört zu den Pionieren des Eisbach-Surfens. Einmal in der Woche stehe er nach wie vor auf der Welle am Haus der Kunst im Englischen Garten, erzählt er.
Regelrecht explodiert sei die Nachfrage, nachdem das Brüderpaar Ende November die Start-Up-Challenge des Radiosenders Bayern 3 gewinnt. "Das war einfach Wahnsinn", erzählt Grübener. Plötzlich wurden an einem Tag 141 Artikel bestellt. Runde um Runde überzeugte der Wachmach-Riegel nicht nur die Hörer, sondern auch den Investor. 150 000 Euro will der jetzt in die Firma der Grübeners investieren. Ein "Superboost", wie Patrick Grübener sagt, der damit rechnet, dass die Unternehmergesellschaft im kommenden Jahr schwarze Zahlen schreibt. Wie genau das Geld investiert werden soll, steht noch nicht fest. Doch Grübeners Ziel ist es, die Riegel mehr in den Einzelhandel zu bringen.
Neben der Geschmacksrichtung Kakao gibt es seit Kurzem auch Sauerkirsche und Blaubeere. Der natürliche Koffein-Gehalt ist bei den Fruchtriegeln reduziert. "Wer einen Kakao-Riegel ist, der trinkt eine Tasse Kaffee. Bei den Fruchtriegeln ist es nur ein kleiner Espresso", erklärt es Grübener. Der Zusatz der anregenden Stoffe macht die Vollgas-Riegel laut Grübener besonders, "da gibt es nur wenig Konkurrenz". Zutaten ausschließlich in Bio-Qualität, außerdem keine Zusatzstoffe und kein Zucker - lediglich minimal Agavendicksaft und Ahornsirup -, das sei sowie Standard bei allen Produkten und mache die Vollgas-Riegel auch für Diabetiker attraktiv. Nur für Kinder seien die Snacks wegen des Koffeingehalts nicht geeignet. "Vielleicht machen wir mal einen Kinderriegel ohne Guarana, mal sehen", sagt Grübener. Für seine Kinder stehe er sowieso nach wie vor regelmäßig am Mixer.
In seinem Heimatort Dettenschwang kommen die Leute erst langsam dahinter, dass er derjenige ist, von dem sie in den vergangenen Wochen im Radio gehört haben. Kürzlich hat er in der Nachbarschaft Adventssäckchen verteilt, natürlich mit "Vollgas"-Riegeln. Das Marketing-Gen, wie er gesteht. Bislang kam noch nichts zurück.