Aktionswoche gegen Rechtsextremismus:Lücken in der Brandmauer

Lesezeit: 3 Min.

Auch in Dießen sind die Menschen im Februar dieses Jahres für eine Demonstration gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gegangen. (Foto: Armin Greune)

In Dießen formiert sich ein Bündnis für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, das für kommende Woche mehrere Veranstaltungen organisiert hat. Nur die örtliche CSU und die Freien Wähler lehnen eine Teilnahme ab.

Von Armin Greune, Dießen

Mit einer Aktionswoche will das „Dießener Bündnis für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ ein Zeichen gegen das Erstarken von rechtsradikalen Tendenzen in Gesellschaft und Politik setzen. Vom 26. November bis 1. Dezember finden zwei Ausstellungen, eine Filmvorführung sowie verschiedene Vorträge und Diskussionsrunden statt. Auffallend ist, dass sich unter anderem sämtliche im Gemeinderat vertretenen Parteien und Gruppierungen dem Bündnis angeschlossen haben – nur die örtliche CSU und die Freien Wähler Dießen glänzen durch Abwesenheit.

So ist am Mittwoch, 27. November, um 19 Uhr ein Impulsvortrag mit Podiumsdiskussion zum Thema „Demokratie stärken und Rechtsextremismus verhindern – die Rolle der Jugend“ vorgesehen; Referent ist Delian Schnebel vom Gesellschaftswissenschaftlichen Institut München. Auf dem Podium finden sich neben Michael Kramer, Rektor der Carl-Orff-Schule Dießen, und Bürgermeisterin Sandra Perzul (Dießener Bürger) die Gemeinderäte Miriam Anton (Grüne), Anton Baur (Bayernpartei), Michael Lutzeier („Die Partei“) sowie Michael Sibert (UBV) wieder. Außerdem entsenden der Jugendbeirat Dießen und die Jusos Landsberg Vertreter. Die Moderation übernimmt der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter.

Auf das Fernbleiben der örtlichen CSU angesprochen, kritisiert der Ortsvorsitzende Marian Cammerer die angebliche Unausgewogenheit der Aktion: „Wir von der CSU setzen uns gegen Extremismus von beiden Seiten ein.“ Weil dies „bei den Veranstaltern nicht durchsetzbar war“, habe man sich entschlossen, nicht Teil des Bündnisses zu werden, erklärt der 28-Jährige, der auch Vorsitzender der Jungen Union im Landkreis Landsberg ist und sich heuer erfolglos auf der Parteiliste als Europaabgeordneter beworben hat.

Vizebürgermeister Roland Kratzer, der bei der Kommunalwahl 2020 für die CSU als Rathauschef kandidierte und deren Fraktion angehört, betont, dass er kein Parteimitglied sei. Wäre er etwa privat zur Podiumsdiskussion eingeladen worden, hätte er „selbstverständlich teilgenommen“, sagt Kratzer.

Die Freien Wähler äußern sich zum Demokratiebündnis nur zaghaft und nach beständiger Nachfrage. In einer E-Mail an die Veranstalter vom Mai dieses Jahres, die der SZ vorliegt, schreibt der FW-Ortsvorsitzende Florian Zarbo: „Wir haben eure Anfrage im erweiterten Kreis der Freien Wähler beraten ... wir kamen nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluss, nicht dem Bündnis beizutreten. Wir wissen, wie wichtig es ist, gegen Rechtsextremismus und Linksextremismus Zeichen zu setzen, da dies immer größere Bedeutung in der aktuellen Zeit bekommt. Wir sind aber der Meinung, dass wir es anders angehen möchten.“ Wie und was die Freien Wähler mit „es“ nun genau „angehen“ wollen – dazu ist trotz aller Bemühungen von Zarbo keine konkrete Auskunft zu erhalten.

Marian Cammerer findet die Aktionswoche gegen Rechtsextremismus unausgewogen. (Foto: CSU Landsberg)
Dießens stellvertretender Bürgermeister Roland Kratzer hätte "selbstverständlich teilgenommen", wenn er privat eingeladen worden wäre. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bis auf FW und CSU unterstützen sämtliche politische Gruppierungen in Dießen die Aktionswoche. In einem schriftlichen Statement erklärt etwa die örtliche Bayernpartei: „Auch wir werden teilweise in einer rechten Ecke gesehen, der wir allerdings nicht angehören ... eine rechtsextreme Gesinnung ist nicht dasselbe wie Mitte-Rechts.“

Die Dießener Bürger wollen sich „gemeinsam und solidarisch für eine Demokratie einsetzen, in der Hass und Hetze nicht zur Normalität werden und dem Extremismus mit Fakten und klarer Stellung entgegengewirkt wird.“ Für die Unabhängige Bürgervereinigung fordert Volker Bippus: „Wir müssen wach bleiben, Haltung zeigen und Paroli bieten!“ 

Die Veranstaltungsreihe im Kulturforum Dießen („Blaues Haus“) in der Prinz-Ludwig-Straße 23 beginnt am 26. November um 19 Uhr: Nach Grußworten von Bürgermeisterin Perzul und SPD-Gemeinderat Patrik Beausencourt sowie einer musikalischen Einlage von Lutzeier wird Birgit Mair die beiden Ausstellungen vorstellen. Die Diplom-Sozialwirtin arbeitet am Nürnberger Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung. 

Die NSU-Ausstellung wurde bundesweit bereits 270 Mal gezeigt

Die Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ thematisiert die Gefahr, die vom Rechtsextremismus für Demokratie und Menschenwürde ausgeht. Sie legt dabei einen Schwerpunkt auf Bayern und stellt die aktuellen digitalen Strategien der neuen rechten Szene – insbesondere bei der Ansprache von Jugendlichen – dar.

Die von Birgit Mair 2013 konzipierte Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ ist bundesweit mehr als 270 Mal gezeigt worden. Sie widmet sich den Biografien der Opfer der Bombenanschläge und Banküberfälle, beleuchtet das Netzwerk des NSU und skizziert Verbindungen zwischen Neonazis und Verfassungsschutzbehörden. Die Ausstellungen können vom 27. November bis 1. Dezember jeweils von 10 bis 19 Uhr besucht werden, zudem ist im „Blauen Haus“ ein Infotisch zum Thema „Auswirkungen der NS-Zeit in Dießen und Umgebung“ aufgebaut.

Die Abendveranstaltungen finden am 28. November mit einem Vortrag der Politik-Hochschuldozentin Karin Schnebel ihre Fortsetzung. Das Thema der Vorsitzenden des Gesellschaftswissenschaftlichen Instituts München lautet: „Von der Ächtung des Antisemitismus bis zu seiner ,Salonfähigkeit’“. Am 29. November spricht die Biologin Joy Opitz über „Die extreme Rechte zwischen Klimawan-delleugnung und Klimanationalismus“.

Am Samstagabend wird um 20 Uhr der Film „Die Welle“ gezeigt. Zum Abschluss ist am 1. Dezember ein Podiumsgespräch unter dem Titel „Die extreme Rechte vor der Machtübernahme? Die Situation in Bayern im Jahr vor der Bundestagswahl“ vorgesehen, das der Fachjournalist Robert Andreasch und der Hörfunkjournalist Thies Marsen bestreiten. Bei allen Abendveranstaltungen schließt sich eine Nachbesprechung oder Diskussion an.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusVerbotsantrag
:„Wir wollen die AfD bekämpfen“

Die Starnberger Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge (SPD) will prüfen lassen, ob die rechtsextreme Partei verboten werden kann. Ein Gespräch über die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und Lehren aus der Geschichte.

Interview von Linus Freymark

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: