Süddeutsche Zeitung

Diamantene Hochzeit in Weßling:"Ein bisserl nachgeben"

Lesezeit: 2 min

Ingrid und Anton Leitner feiern 60 Jahre Ehe. Angefangen hat alles in der Tanzstunde.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Wie schnell die Jahre verflogen sind, darüber staunen beide. Seit 60 Jahren sind Ingrid und Anton Leitner verheiratet "und es war keine Sekunde langweilig", sind sich beide einig. Eigentlich hätte das Ehepaar aus Weßling seine Diamantene Hochzeit mit den damaligen Trauzeugen, Brautjungfern, der großen Verwandtschaft und den guten Freunden im Restaurant feiern wollen. Wegen des Coronavirus geht das nicht. "Das holen wir später nach", versichert Anton Leitner. Mit ihren mehr als 80 Jahren gehören die Eheleute zur Risikogruppe. Das Essen ließen sie sich deswegen liefern und feierten im kleinen Kreis gemeinsam mit Sohn Anton G. Leitner, Dichter und Verleger, und Schwiegertochter Felizitas Leitner, Hausärztin in Weßling, die ebenfalls im Haus wohnen. Ministerpräsident Markus Söder hat eine Glückwunschkarte geschickt und von Landrat Stefan Frey kam eine schöne Karaffe mit Gläsern und einer guten Flasche Hochprozentigem, freut sich Leitner.

Kennengelernt haben sich die beiden 1956 in der Tanzschule im Deutschen Theater. Schon bald ist Anton "der hübsche Käfer" aufgefallen, berichtet er liebevoll und fügt schnell hinzu, dass seine große Liebe auch heute "sehr gut anzusehen" sei. Und nicht nur das. Die patente junge Frau hatte auch einiges auf dem Kasten, arbeitete in der Bank und an der Börse. Ingrid wohnte zwar am Isartor, stammte aber aus einer alteingesessenen Starnberger Familie. "Nach dem Onkel wurde die Josef-Fischhaber-Straße benannt", erzählt ihr Mann, der stolz darauf ist, ein "geborener Weßlinger" zu sein. Eine solide, liebe und angenehme Person sei seine Ingrid und sie habe die Familienfinanzen geschickt verwaltet, so Leitner. Er studierte Latein, Griechisch, Deutsch und Geschichte und stieg in den Lehrberuf ein. Der Anton habe ihr gefallen, weil er einfallsreich, lebhaft, interessiert und klug sei, gestand seine Frau. Heute schätzt sie an ihm auch seine Beständigkeit und Verlässlichkeit. 1961 wurde in der Münchner Pfarrkirche Sankt Peter geheiratet, danach ging es in den Ratskeller zum Essen. Eine Hochzeitsreise konnte sich das junge Paar nicht leisten, "ich habe ja noch studiert", so Leitner. Ein paar Monate später kam der einzige Sohn Anton auf die Welt.

Anfangs wohnten die beiden noch bei ihren Eltern, bis sie 1963 endlich mit dem kleinen Anton das Haus in Weßling beziehen konnten. Es folgten aufregende Jahre: Aus dem Studenten wurde ein Referendar, ein Lehrer am Starnberger Gymnasium, er wurde ins Kultusministerium berufen und war dann 23 Jahre lang Schuldirektor am von ihm mitgegründeten Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering.

Seine Ingrid hat daheim den Haushalt geschmissen, sich um den lebhaften Sohn und um die Gäste gekümmert. Heute noch kocht sie täglich Mittagessen für fünf. Das sind neben dem Ehemann noch Sohn Anton, Schwiegertochter Felizitas und eine Verlagsmitarbeiterin. "Es ist rundgegangen. Wir hatten immer das Haus voller Kinder und Gäste." Darunter waren viele Eltern mit Sorgen und Kinder, die Probleme in der Schule hatten. "Ich habe dem Michi Muther in Griechisch Nachhilfe gegeben", weiß Leitner, der heute noch in Latein Nachhilfe gibt. "Bei ihm ändern sich wenigstens die Schriftsteller nicht", lacht Ingrid, die als Englisch-Nachhilfe geschätzt ist. Jetzt geht das leider nur über Telefon. "Eine scheußliche Situation", findet sie.

Die große Welt holen sich die beiden über ihre Bücher ins Haus. "Das ganze Haus ist voll", stöhnt Ingrid. In der Hausbibliothek stehen Bücher auf Englisch, Latein, Spanisch und Italienisch und jeden Sonntag liest Leitner als Übung den altgriechischen Originaltext in der Bibel.

"Sich zurücknehmen" und "ein bisserl nachgeben" nennen die beiden als Rezept für eine harmonische Ehe. Ingrid Leitner sagt: "Heute nehmen die jungen Leute bei den geringsten Problemen Reißaus."

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SZ vom 08.01.2021
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