Denkmalschutz:Korn für Korn

Jahrzehntelang wurde in der Linner-Mühle in Krailling Getreide gemahlen. August Linner hat das Gebäude und die Maschinen betriebsfähig erhalten

Von Carolin Fries, Krailling

Max und Moritz wären wohl geflüchtet, hätten sie den alten Schrotmahlstuhl in der Kraillinger Linner-Mühle gesehen. Wie aus dem Bilderbuch steht das riesige Mahlwerk mit den kreisrunden Mahlsteinen im ersten Obergeschoss - in Betrieb war es hier allerdings nie. Dafür aber die drei anderen Walzenstühle, die August Linner an diesem Nachmittag den Besuchern des historischen Gebäudes zeigt. Dem 67-Jährigen gehört das Wohnhaus samt Mühlbetrieb, welches idyllisch in der Kraillinger Ortsmitte an der Würm liegt. Sein Vater hat die Mühle, die 1982 auf Teilen der Vorgängermühle auf dem Gelände des abgegangenen Hofmarkschlosses Krailling errichtet wurde, einst betrieben. Er selbst hat noch den Beruf des Müllers gelernt, bevor er schließlich im benachbarten Sägewerk des Cousins arbeitete.

Krailling: Linner Mühle

Seit 1968 ist die Mühle außer Betrieb - aber bis heute betriebsfähig.

(Foto: Nila Thiel)

Die Mühle ist seit 1968 nicht mehr in Betrieb, seit etwa 15 Jahren steht sie unter Denkmalschutz. Seit August Linner 2008 in Rente gegangen ist, hat er Zeit, sich intensiv um das Gebäude zu kümmern. Fast täglich schaut er vorbei, kehrt die Spinnweben weg, stellt neue Blumen in die Vasen, nur zwei drei Blüten von der Wiese, stimmig soll es sein. "Die Mühle ist ein Teil von mir", sagt er. Die Besucher spüren das sofort, kaum dass sie die hölzernen Dielen betreten haben. "Toll, wie sie das in Schuss halten", sagt eine Dame, die sich an diesem warmen Junitag der Ausflugsgruppe des Sankt Elisabethenvereins aus Planegg angeschlossen hat. Einmal im Monat öffnet Linner seine Mühle für Führungen, seit sieben Jahren kann hier in den Sommermonaten geheiratet werden: 2016 gaben sich 26 Paare unter dem Satteldach das Ja-Wort.

August Linner ist es wichtig, dass die Mühle in Schuss bleibt. "Sie ist voll funktionstüchtig", sagt er, auch wenn längst kein Getreide- oder Roggenkern mehr in Zwei-Zentner-Säcken angeliefert wird wie einst. Sie ist damit die einzige erhaltene Mühle an der Würm zwischen Starnberg und Dachau, die man wieder in Betrieb nehmen könnte. Warum er das zumindest bei Führungen nicht macht? "Dann müsste ich acht Stunden lang alles wieder reinigen." Eine Mühle laufe entweder ständig - oder gar nicht. Wenn sie läuft, das erklärt Linner schließlich eindrucksvoll, werden Körner und Mehl mit einem Elevatoren-System in kleinen Bechern unentwegt durch die hohlen Holzbalken des Hauses transportiert. Im Erdgeschoss angeliefert, wurde das Getreide erst gereinigt, schließlich geschrotet, gequetscht und dann mehrfach gemahlen. Zwischendurch hat der Plansichter unter dem Dach immer wieder alles mit kreisenden Bewegungen durchgeschüttelt und das Mehl von den Schalenteilen getrennt. Für den Antrieb der Maschinen sorgte ein Transmissionswerk im Erdgeschoss. Über etliche verschieden große Räder wurde hier die Energie des Wasserrades umgesetzt. "Anstrengend war für den Müller damals lediglich der Transport der Zwei-Zentner-Säcke zurück zum Bäcker", erzählt Linner. Die Arbeit in der Mühle selbst sei indes wie am Fließband gelaufen. Es gab sogar einen hölzernen Personen- und Lastenaufzug, der nach einer alten Aufzugtechnik per Handseil bedient wurde. "Für die Kinder war es der größte Spaß mit hinauffahren zu dürfen, um anschließend im freien Fall herunter zu sauen", sagt Linner.

Krailling: Linner Mühle

Immer noch in der Mühle zu bestaunen: alte Getreidesäcke.

(Foto: Nila Thiel)

Seit 2008 schaufelt das unterschlächtige Wasserrad im Mühlkanal der Würm mit seinen Lärchenholzbrettern das Wasser zur Stromgewinnung. Das Sägewerk ist verschwunden und auch der Eisweiher auf dem Gelände, aus welchem die Brauereien und Gaststätten früher die Eisreserven für den Winter holten, ist nur mehr halb so groß wie einst. Die Wohnung in der Mühle steht leer - und dennoch wirkt das Gebäude mit seinen roten Fensterläden erfrischend lebhaft. Ein paar Sonnenblumen stehen vor der Eingangstür. Alle drei Jahre muss Linner die Läden nachstreichen, die Farbe bleicht so schnell aus. 2010 erhielt der Kraillinger die Denkmalschutzmedaille des Freistaates Bayern für die vorbildliche Renovierung des Baudenkmals. "Das muss man als Hobby betrachten", sagt er nur. Wer sich einmal um die Mühle kümmern wird, wenn er nicht mehr wolle oder könne, wollen die Besucher wissen. "Das weiß ich nicht", sagt Linner, "aber vor 15 Jahren habe ich auch noch nicht gewusst, dass ich das einmal machen werde", sagt er.

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