Kunst:Kleines Format, ganz groß

Kunst: Leuchtend: Berd Zimmer, einer der wichtigen deutschen Künstler der Gegenwart, zeigt in Dießen seine Papierarbeiten im Format DIN A 4.

Leuchtend: Berd Zimmer, einer der wichtigen deutschen Künstler der Gegenwart, zeigt in Dießen seine Papierarbeiten im Format DIN A 4.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die von Annunciata Foresti erfundene Ausstellungsreihe in Dießen feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Zu den 40 Künstlern gehören Neuentdeckungen und überregional bekannte Bildhauer und Maler.

Von Katja Sebald

Auch der Ausstellungskatalog hat ein kleines Format, aber er ist alles andere als unscheinbar: "Das kleine Format. Jubiläum X" steht in goldglänzenden Lettern auf dem in Rot und Violett gestalteten quadratischen Heft. Gleiches gilt für die gezeigten Kunstwerke: Sie sind zwar in ihren Abmessungen klein, dennoch überwiegend von überraschend großer Qualität. Annunciata Foresti, Initiatorin der Produzentenausstellung, die in diesem Jahr zum zehnten Mal im "Blauen Haus" in Dießen stattfindet, hat allen Grund, stolz zu sein: "Das Kleine Format" ist eine Erfolgsgeschichte und ein Publikumsmagnet.

Künstlerkollegen einladen, in einer Gruppenausstellung sichtbarer als allein zu sein und sich in den Wochen vor Weihnachten gemeinsam mit Arbeiten zu erschwinglichen Preisen präsentieren: Mit dieser Idee veranstaltete Annunciata Foresti, unermüdliche Netzwerkerin und Künstlerin mit einem großen Herz für andere, 2008 das erste "Kleine Format". Nach drei Jahren in Folge musste sie feststellen, dass sie allein mit der Organisation überfordert war; sie gründete einen Verein und stellte auf einen Zweijahresturnus um. "Jetzt wird die Ausstellung mit noch mehr Spannung erwartet und erfährt mehr Wertschätzung", sagt sie. Das gilt in besonderem Maß für die Jubiläumsschau, die schon vor einem Jahr stattfinden sollte, aber wegen der Pandemie verschoben wurde. Das Erfolgsgeheimnis liegt aber nicht so sehr in der Verknappung, sondern in der sorgfältigen Auswahl der gezeigten Arbeiten, die Foresti mit einem kleinen Team aus einer Vielzahl von Bewerbungen trifft. Insgesamt haben im Lauf der Jahre mehr als 300 Künstler ausgestellt. "Und es macht immer noch großen Spaß", sagt Foresti trotz der rund 500 ehrenamtlichen Arbeitsstunden, die sie jedes Mal investiert.

Kunst: Gitte Berner-Lietzau aus Grafrath erhält für ihre Bilderserie "Stille Leben" den Publikumspreis, die Gemeinde kauft eines ihrer Werke an.

Gitte Berner-Lietzau aus Grafrath erhält für ihre Bilderserie "Stille Leben" den Publikumspreis, die Gemeinde kauft eines ihrer Werke an.

(Foto: Arlet Ulfers)

Eine Besonderheit des "Kleinen Formats" ist der Publikumspreis, der am Vernissagenabend vergeben wird und zu wahren Besucherstürmen führt. Die Dießener Bürgermeisterin Sandra Perzul folgte heuer dem Beispiel ihres Vorgängers und kaufte für die Marktgemeinde eine der Arbeiten der Gewinnerin Gitte Berner-Lietzau an. Unter dem Titel "Stille Leben" hatte die Malerin aus Grafrath eine Serie von großen Formen im gerade noch zulässigen Format von 40 mal 40 Zentimetern eingereicht. Auch der Landkreis hat in diesem Jahr einen mit 1000 Euro dotierten Jurypreis ausgelobt, der an den Dießener Bildhauer Matthias Rodach geht: Er zeigt eine Installation, für die er die einstmals als "Nickneger" bezeichneten Missionsspardosen der katholischen Kirche mit den Köpfen von Zuckerberg, Bezos und Gates ausgestattet hat: Auch sie nicken nun brav wie ein Wackeldackel, wenn man ein Geldstück in den entsprechenden Schlitz wirft.

Kunst: Ausgezeichnet mit dem Jurypreis des Landkreises: eine Installation von Matthias Rodach mit Missionsspardosen der katholischen Kirche.

Ausgezeichnet mit dem Jurypreis des Landkreises: eine Installation von Matthias Rodach mit Missionsspardosen der katholischen Kirche.

(Foto: Arlet Ulfers)

Auch überregional bekannte Künstler beteiligen sich seit Jahren am "Kleinen Format": So ist etwa der Bildhauer Josef Lang mit einer Reihe von winzigen Bronzefiguren vertreten, die seinen monumentalen Holzplastiken in nichts nachstehen müssen. Die postkartengroßen Berglandschaften Ernst Heckelmann sind ebenfalls ausgesprochen reizvoll. Und der Maler Bernd Zimmer zeigt eine Serie von farbstarken Papierarbeiten im DIN A4-Format, entstanden als Gedankenstütze bei der täglichen Arbeit im Atelier.

Kunst: Josef Lang steuert seine winzigen Bronzefiguren zu der Jubiläumsausstellung bei.

Josef Lang steuert seine winzigen Bronzefiguren zu der Jubiläumsausstellung bei.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die Bildhauerin Eva Zenetti bietet eine bezaubernd hintergründige Anleitung, wie man sich in diesen seltsamen Zeiten ein Brett vor den Kopf schnallt. Maler Jan Davidoff zeigt Arbeiten, in denen er mit Drucktechniken und Lasereinbrand auf Holz experimentiert. Katharina Andress präsentiert eine weitere Serie ihrer kleinformatigen Holzfiguren, die diesmal als "Space Passengers" kostümiert sind. Annunciata Foresti selbst ist mit fünf Gemälden von üppigen Blütenimpressionen aus ihrem Garten vertreten, die sie mit "Der Sommer lässt mich nicht los" überschrieben hat. Eine zurückhaltend leise Poesie wohnt den Arbeiten von Angelika Hoegerl inne, für die sie Strukturen von gotischen Gewölben auf transparenten Stoff gezeichnet hat.

Kunst: Wie das Brett vor den Kopf kommt: eine Anleitung von Eva Zenetti.

Wie das Brett vor den Kopf kommt: eine Anleitung von Eva Zenetti.

(Foto: Arlet Ulfers)

Unter den vierzig verschiedenen künstlerischen Positionen lassen sich aber auch höchst spannende Neuentdeckungen machen: So hat etwa Nena Cermak aus München für die geheimnisvolle Installation "Der Merger" einen raumgreifenden Organismus aus genähten Formen und Schläuchen verspannt. Alzbeta Müller arbeitet für ihre kleinformatigen Porträts in einer eigenwilligen Mischtechnik aus Malerei und Collage. Die Münchner Künstlerin Mary Kim zeigt ebenso unprätentiöse wie ausdrucksstarke kleine Objekte aus gefaltetem Polypropylen. Und Laura Ritthaler aus Berlin hinterfragt mit einer Serie von testosteronstrotzenden Figuren aus dem Spielzeugladen auf humorvolle Weise klassische Rollenzuweisungen. Insgesamt eine rundum sehenswerte Ausstellung!

Kunst: Merkwürdige Fusion: "Der Merger" von Nena Cermak.

Merkwürdige Fusion: "Der Merger" von Nena Cermak.

(Foto: Arlet Ulfers)

"Das kleine Format" ist noch bis zum 9. Oktober jeweils Freitag, Samstag und Sonntag sowie am 3. Oktober von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt inklusive Katalog kostet zwei Euro.

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