Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Das schönste Amt im ganzen Land

Der Erweiterungsbau des Behördensitzes in Starnberg gewinnt den renommierten DAM-Preis des Deutschen Architekturmuseums und setzt sich damit auch gegen zwei Gebäude aus München durch. Eindrücke von der Preisverleihung in Frankfurt am Main.

Von Linus Freymark, Frankfurt

Der Stolz ist Stefan Frey anzumerken: Der Starnberger Landrat ist wie alle seine anderen Amtskollegen vor allem damit beschäftigt, Unterkünfte für Geflüchtete in seinem Landkries zu organisieren und den kommunalen Haushalt nicht allzu sehr in Schieflage geraten zu lassen. Da tun Termine wie am Freitagabend in Frankfurt am Main gut, Frey ist dafür extra nach Hessen gefahren.

Auch der Rest der Starnberger Fraktion lacht in die Kameras und erklärt bereitwillig, wie es zum Erweiterungsbau des Landratsamtes kam, der mit dem DAM-Preis für Architektur, eine Würdigung des Deutschen Architekturmuseums, ausgezeichnet worden ist. Damit ist es mehr oder weniger amtlich, was sich Frey und viele Starnberger schon immer gewusst haben: Das Starnberger Landratsamt ist das schönste im ganzen Land.

Das Architekturmuseum vergibt den Preis seit 2007 für herausragende Bauten. Wie wichtig die Auszeichnung für die Branche ist, erkennt man daran, wie viele Nominierte im Publikum sitzen. Spätestens seit dem Mittag wissen sie, dass die Auszeichnung nach Starnberg geht. Und deshalb steht im DAM-Museum, das vorübergehend in die ehemalige Telekom-Zentrale nahe dem Frankfurter Ostbahnhof gezogen ist, nun ein Miniaturnachbau des Starnberger Anbaus. Das typische Dach, die Häuser, die wie Hütten anmuten und dennoch Platz für viele Menschen bieten. Und im Inneren Treppen und Gänge, durch die der Landrat zur nächsten Besprechung hastet, Besucher empfängt, mit seinen Mitarbeitern plaudert - ein Stück Starnberg in Frankfurt.

Das Starnberger Projekt des Büros Auer Weber mit den Projektleitern Dominik Fahr und Daniele Sacher hat sich gegen 100 nominierte Bauwerke durchgesetzt. 23 Projekte schafften es auf die Shortlist, fünf ins Finale - darunter gleich drei Projekte aus dem Großraum München: Abgesehen vom Erweiterungsbau des Starnberger Landratsamtes auch das Münchner Volkstheater und die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins. In die engere Auswahl kamen zudem der Stadtbahntunnel Karlsruhe und die "Scheune Prädikow" im brandenburgischen Prötzel. Aber gegen den schmucken Behördensitz in Starnberg hatten alle das Nachsehen.

Denn der Erweiterungsbau entspreche genau dem aktuellen Trend, erklärt DAM-Direktor Peter Cachola Schmal: "Nicht abreißen, nicht neu bauen, sondern weiter bauen." Die Erweiterung zeichne sich vor allem dadurch aus, dass man vorhandene Baustrukturen weitergedacht habe. Architekt Fritz Auer erklärt, Inspirationen seien "die lichte Klarheit der Voralpenlandschaft und die Spiegelung des Sees" gewesen. Eine Hommage ans Fünfseenland also - bei deren Verwirklichung die Planer von Auer Weber zahlreiche Auflagen berücksichtigen mussten. Ist ja schließlich gar nicht so einfach, einem 1982 entworfenen Gebäude einen Anbau zu verpassen, der architektonisch zum Bestand passt und trotzdem alle Vorgaben erfüllt, die in den letzten 40 Jahren dazugekommen sind, Brandschutz, Schallschutz, Statik. Bauen mag sicherer geworden sein, aber sicher nicht einfacher.

Auer Weber, so die Jury, sei es in hervorragender Weise gelungen, den eigenen Entwurf für das Haupthaus des Landratsamtes von 1982 für die Erweiterung weiterzudenken. Auch dieses ist bereits vielfach ausgezeichnet worden, unter anderem 1989 mit dem Deutschen Architekturpreis. Dabei ließ sich Auer von den Eindrücken einer Japanreise im Jahr 1960 beeinflussen: Er besichtigte damals die Katsura-Villa, eine Art kaiserlicher Nebenpalast in Kyoto. Zwei Geschosse, überhängende Dächer, umlaufende Veranden in der oberen Etage - sofern man weiß, wie so eine Katsura-Villa aussieht, fällt die Ähnlichkeit zum Landratsamt gleich auf.

Landrat Stefan Frey ist überzeugt: "Die Nutzer lieben dieses Haus!"

Auch die Bootshäuser am Ufer des Starnberger Sees flossen in die Gestaltung des Entwurfs ein. Fünf Jahre dauerten die Bauarbeiten, bei der Eröffnung am 5. Mai 1987 sprach der Humorist Loriot ein Grußwort: "Wir sind Zeugen eines Phänomens", begann dieser einst seine Rede. "Das drohende Ende der Menschheit und Ähnliches - es hat alles an Glanz verloren oder erscheint doch seltsam blass vor dem Hintergrund eines Ereignisses, das plötzlich und unerwartet eingetroffen ist: Starnberg hat ein neues Landratsamt." Recht hatte er - man weiß ja, wie so manches Großprojekt heutzutage abläuft.

Von 280 Mitarbeitern sprach Loriot damals, heute sind es knapp 600. Um die unterzubringen, wurde der Erweiterungsbau notwendig. 2012 begann Auer Weber mit den Planungen, im Herbst 2021 war die Eröffnung. Die Planungszeit war auch einer notwendigen Änderung des Bebauungsplans geschuldet. "Das hat uns gut zehn Jahre beschäftigt", erklärt Projektleiter Fahr. Die Kosten seien dabei "natürlich immer ein Thema" gewesen. 23,4 Millionen Euro waren es am Ende. Dafür ist das Dach voller PV-Anlagen, das Gebäude ist CO2-neutral und verfügt über eine eigene Grundwasserwärmepumpe. Auch dies ein Umstand, der auf der Preisverleihung Erwähnung findet und die Jury überzeugt hat.

Man dürfe die Ästhetik von Gebäuden nicht unterschätzen, erklärt Starnbergs Landrat Frey. "Die Nutzer lieben dieses Haus", sagt er. Das sei enorm wichtig: Jeder kenne ja schließlich das Problem des Fachkräftemangels. "Wir brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Spaß zur Arbeit kommen." Das Gebäude leiste da seinen Beitrag. Und dann erzählt Frey noch, er habe sich bisher immer nur zu sagen getraut, der Sitz seiner Behörde sei der schönste in ganz Bayern. Aber mit dem DAM-Preis im Rücken könne man nun auch guten Gewissens sagen, das Starnberger Gebäude sei "vielleicht auch mit das schönste Landratsamt in Deutschland", erklärt er. Niemand im Saal widerspricht.

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