Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:So leiden die Wirte in Stockdorf

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Normalerweise essen viele Webasto-Mitarbeiter mittags in einem der nahen Lokale. Doch weil fast alle Angestellten derzeit im Homeoffice arbeiten, bleiben die Tische leer.

Von Christoph Koopmann, Gauting

In normalen Zeiten ist der Stockdorfer Baierplatz um die Mittagszeit ein belebter Ort. Sagt Michael Behringer. Doch derzeit sieht er beim Blick aus dem Fenster nur wenige Passanten. Auch der Gastraum des Lokals "Wirzhaus", das Behringer betreibt, ist fast leer. Es ist 12.20 Uhr am Dienstag, ein einziger Mann sitzt da und isst. Dann tritt eine kleine Gruppe durch die Tür. Es werden wohl nicht viel mehr Gäste kommen an diesem Mittag. Dabei ist der Laden sonst um diese Zeit voll.

Seit die Webasto-Zentrale ein paar Hundert Meter weiter wegen des Coronavirus' geschlossen ist, entgeht den Wirten in der Nähe ein Gutteil ihres Geschäfts. Gerade mittags suchten viele der etwa 1000 Mitarbeiter von Webasto in ihren Lokalen Abwechslung von der Unternehmenskantine. Doch seit dem 29. Januar arbeiten die allermeisten Webasto-Angestellten im Homeoffice, wenn sie nicht wegen Virusverdachts ohnehin in häuslicher Isolation sind. Am Montag gab das Unternehmen bekannt, dass die ursprünglich für eine Woche geplante Schließung der Zentrale noch um eine weitere Woche verlängert wird.

Für die Betreiber des kleinen Gemüseladens neben dem "Wirzhaus" gleicht das einer mittelschweren Katastrophe. Noch eine Woche ohne die Gäste von Webasto. Normalerweise kommen viele von ihnen mittags hierher, kaufen sich ein bisschen Obst, Gemüse oder eines der frisch zubereiteten türkischen Gerichte. Doch im Moment ist die Auslage halb leer. Nur eine Handvoll Portionen habe sie an diesem Vormittag gekocht, sagt eine Mitarbeiterin. "Kommt ja kaum jemand", sagt sie. Ganze Nachmittage sitze sie bloß herum und stricke.

Dem Gemüseladen entgingen seit vergangenem Mittwoch jeden Tag 200 Euro Umsatz, berichtet die Mitarbeiterin. Dann kam die Nachricht, dass Webasto die Zentrale eine weitere Woche geschlossen lasse. Da habe sie Worte gedacht, die sie lieber nicht in der Zeitung lesen will, sagt die Mitarbeiterin. "Es ist sehr schlimm für uns." Immerhin: Ein paar Stammkunden, die nicht bei Webasto arbeiten, hat sie. "Aber lange können wir das nicht mehr durchhalten", sagt die Verkäuferin.

Schräg gegenüber ist es ähnlich verlassen. Auch hier, in der Konditorei Harter, sitzen am Mittag kaum Gäste. Immerhin: Ein paar Portionen Schweinefilet im Speckmantel mit Sherryrahm von der Mittagskarte verkauft Geschäftsführer Florian Harter dann doch. Aber in den ersten Tagen der Schließung sei es hart gewesen, erzählt er. Nicht nur die Webasto-Mitarbeiter fehlten ihm. Auch sonst sei kaum Laufkundschaft vorbeigekommen. "Es war wie ausgestorben", sagt Harter. "Vielleicht hatten die Leute Angst, hierher zu kommen." Zwischenzeitlich habe er das Angebot drastisch herunterschrauben müssen. "Ende vergangener Woche haben wir 50 Prozent weniger Umsatz gemacht als sonst", sagt Harter.

Die einzigen, die verlässlich kamen: TV-Teams, die sich für Berichte und Live-Schaltungen vor der Webasto-Zentrale postiert hatten. Die Leute vom Fernsehen sind inzwischen abgezogen. Dafür sind die Stockdorfer wieder da, wenn schon die Webasto-Mitarbeiter wegbleiben. Das Geschäft habe sich beinahe wieder normalisiert, sagt Harter. "Den meisten Umsatz bringen die Leute von Webasto eh im Sommer, wenn sie bei uns Eis essen."

Weniger Probleme hat Jaswinder Singh, Wirt eines italienischen Restaurants am Baierplatz. Dort sind zumindest sämtliche Plätze an der Theke mittags besetzt. Singh sagt, ungefähr zehn Webasto-Mitarbeiter kämen in normalen Zeiten zum Mittagessen. "Klar, das merke ich schon an den Einnahmen", sagt er. Aber der Verlust halte sich noch in Grenzen. Er sei nicht so abhängig von Webasto wie andere Wirte in der Umgebung. Ähnlich entspannt sieht es der Koch eines vietnamesischen Imbisses. "Das größte Geschäft bringt uns der Lieferservice", sagt er. In den Gastraum setzten sich eher wenige Webasto-Mitarbeiter.

"Wirzhaus"-Betreiber Michael Behringer kann sich immerhin darauf verlassen, dass sein Restaurant abends gut gefüllt ist. In den vergangenen Tagen habe er überlegt, mittags wegen der fehlenden Kundschaft zuzusperren. "Aber dann würde ich ja auch die letzte Laufkundschaft abschrecken", sagt er. Das kann sich Behringer nicht leisten. Schon Anfang Januar musste er die Betriebsferien um vier Tage verlängern - im Treppenhaus des Gebäudekomplexes, in dem sein Gasthaus und der Gemüseladen liegen, hatte es gebrannt. "Was den Umsatz betrifft, habe ich den Januar eh schon abgehakt", sagt Behringer. Aber klar sei auch: "Wenn Webasto noch ein paar Wochen geschlossen bleibt, dann sieht es übel aus für mich." Ihm bleibt nichts übrig, als abzuwarten.

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SZ vom 05.02.2020
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