Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise im Landkreis Starnberg:Bei den Metzgern geht's um die Wurst

Die Betriebe kämpfen genauso wie Bäckereien damit, dass sie ihre Waren nicht mehr an Gaststätten oder Cafés liefern können. Zimmerer und Schreiner profitieren noch von der guten Auftragslage.

Von Sabine Bader

Auch wenn die Handwerksbetriebe im Landkreis weiter arbeiten dürfen, wirkt sich die Corona-Krise auch auf diese Firmen aus. Von teilweise drastischen Umsatzeinbußen berichten beispielsweise die Metzger und Bäcker. Die Auftragsbücher von Schreinern und Zimmerern sind hingegen meist noch so gut gefüllt, dass die Betriebe eine zeitlich begrenze Durststrecke überbrücken können. Wird in einem Unternehmen ein Mitarbeiter positiv getestet, wird er häuslich isoliert. Direkte Kontaktpersonen müssen zwei Wochen in Quarantäne und zu Hause bleiben, sagt Barbara Beck von der Pressestelle im Landratsamt Starnberg. Der Betrieb könne in der Regel weiter arbeiten.

Metzger

Wie sich eine Krise in seinem Gewerbe auswirken kann, weiß Oliver Lutz, 49, noch aus der Zeit des BSE-Skandals. Dass beides nicht direkt vergleichbar ist, weiß der Innungsmeister der Metzger im Fünfseenland natürlich auch. Aber speziell "für uns war es ähnlich", erinnert er sich. Auch wenn Lutz froh ist, dass die Metzgereien weiterhin geöffnet bleiben dürfen - zu spüren bekommen er und seine Kollegen die Umsatzeinbrüche an allen Ecken und Enden. Denn viele Metzger liefern ihr Fleisch sonst regelmäßig an Gaststätten in der Umgebung, und die haben jetzt geschlossen. Lutz, der in Pöcking seinen Betrieb mit 20 Angestellten hat, wollte seine Produkte von kommender Woche an wieder an den Maisinger Seehof liefern, der zu Ostern in die neue Saison starten wollte. Daraus wird jetzt wohl nichts. Seit Wochen ist auch der Kindergarten dicht, für den Lutz normalerweise das Mittagessen bereitet. "Viele Metzgereien haben auch kleine Imbissbereiche, die jetzt geschlossen sind, und "in Sachen Catering ist ebenfalls alles gerade auf null", sagt er. Da die Kunden wegen der Ausgangssperre auch während der Woche mehr als sonst zu Hause kochen und essen, würden in den Metzgerläden zwar größere Mengen eingekauft, "ob sich die Verluste dadurch aber auffangen lassen, wage ich zu bezweifeln". Lutz moniert auch, dass etliche Kunden sich nicht an das Abstandsgebot im Laden hielten und ungehalten reagierten, wenn man sie daran erinnere.

Bäcker

Es ist vor allem das Liefergeschäft, das den Bäckern im Landkreis wegbricht. Denn viele von ihnen haben mit ihren Semmeln, Brezen und Croissants die Cafés und Gaststätten in der Umgebung versorgt, die jetzt dicht sind, berichtet Bäcker-Innungsmeister Wilhelm Boneberger. Wer da über einen eigenen Laden verfügt, hat Glück. Allerdings würden viele Kunden aufgrund der Ausgangssperre so wenige Läden wie möglich abklappern, um ihren Lebensmittelbedarf zu decken. Manch einer spare sich da den Gang zum Bäcker und hole sein Brot gleich an der Supermarkttheke. Boneberger hat seine Bäckerei in Gilching und beschäftigt insgesamt 25 Mitarbeiter. Er selbst profitiert jetzt von seinen Stammkunden, die trotzdem zu ihm kommen. Der 42-jährige Innungschef appelliert an die Verbraucher, bei aller Unsicherheit auch an die örtlichen Firmen zu denken, die noch selbst nachts am Backofen stünden. Um zu verdeutlichen, um welche Summen es sich bei Mittelständlern monatlich dreht, rechnet er vor: "Löhne und Sozialabgaben belaufen sich bei mir beispielsweise auf rund 35 000 Euro im Monat, hinzu kommen noch Materialkosten von zirka 15 000 Euro." Zuzüglich sonstiger Ausgaben für Mieten und so weiter kämen da bei einem vergleichbar großen Betrieb schon 60 000 Euro an Kosten pro Monat zusammen. Würden die Umsätze drei Monate lang einbrechen, sei man sehr schnell am Limit, sagt Boneberger.

Schreiner

Rupert Pfisterer, 55, aus Farchach vertritt als Innungsmeister die Schreiner im Landkreis. Auch er "spürt bei den Kunden die Verunsicherung". Viele Verbraucher würden erst mal abwarten, wie sich die Lage entwickle, bevor sie an Aufträge dächten. "Meine Hoffnung wäre, dass im Zweifelsfall mehr und schneller getestet wird, damit Mitarbeiter mit negativem Ergebnis möglichst schnell wieder in die Produktion einsteigen können", sagt er. Generell verfüge seine Branche noch über recht volle Bücher. "Wir haben eine gute Auftragsdecke für acht bis zehn Wochen", sagt Pfisterer, der eine Schreinerei mit 20 Mitarbeitern in Farchach führt. Dass er vom Innungsdachverband täglich über die Krisenlage und die neuesten Verhaltensregeln - etwa auf Baustellen - informiert wird, findet er sehr hilfreich. Darum befindet sich in jedem seiner Firmenfahrzeuge jetzt auch ein Desinfektionsmittel.

Zimmerer

Größere Einbußen? Leopold Göring, Chef der Zimmerer- und Holzbau-Innung, kann dies momentan für sich und die meisten seiner 17 Kollegen, die er im Landkreis vertritt, noch verneinen. Die Angst, den Handwerker bei einer möglichen Absage gar nicht mehr zu bekommen, überwiege bei den Kunden noch, sagt der 39-Jährige. "Außerdem arbeiten wir ja meist draußen auf dem Dach." Und wenn man mal ein Dachfenster auswechseln müsse, frage man eben, ob man ins Haus dürfe. Die Auftragslage sei nach wie vor gut, bilanziert Göring. "Wir haben auch noch einiges vom vergangenen Jahr abzuarbeiten." Einen staatlichen Zuschuss zu beantragen, ist für den Starnberger Unternehmer kein Thema: "Das mache ich nicht, so lange ich arbeiten kann und nicht am Hungertuch nage."

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SZ vom 02.04.2020
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