Corona im Landkreis Starnberg:Pandemie der Kinder

Mit dem Virus stecken sich nun diejenigen an, die am wenigsten geschützt sind: die Kleinsten. Sollen sie trotzdem in Kitas und Schulen gehen?

Von Carolin Fries

Erst waren es Krankenhäuser und Altenheime, jetzt sind es Kitas und Schulen: Das Ausbrüche im Landkreis haben sich dorthin verlagert, wo sich die Menschen nicht gegen das Coronavirus schützen können - zu den Kindern. Zwei Wochen nach Schulbeginn gab es mehrere Fälle an der Grundschule in Tutzing, am Dienstag meldete das Landratsamt fünf infizierte Schüler an der Mittelschule in Starnberg. Insgesamt 315 Infektionen hat die Kreisbehörde seit Schulbeginn bei den Zwei- bis 19-Jährigen registriert. Fast 70 Prozent davon machen die unter Zwölfjährigen aus - für die es bislang noch keine zugelassene Schutzimpfung gegen Covid-19 gibt. Sollen die Kinder dennoch weiter ihre Einrichtungen besuchen?

Auf den ersten Blick mag der Landkreis mit einer vergleichsweise niedrigen Sieben-Tage-Inzidenz von 60 und knapp 70 Prozent vollständig geimpfter Bevölkerung gut dastehen. Doch in den Kitas, Grund- und weiterführenden Schulen wurden in den vergangenen fünf Wochen täglich durchschnittlich 15 infizierte Kinder heimgeschickt - viele mehr mussten in Quarantäne. Starnbergs Pandemie-Koordinator Bernhard Junge-Hülsing vermutet, dass die Dunkelziffer noch weitaus höher liegt. "Viele infizierte Kinder zeigen ja gar keine Symptome", so der Starnberger Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer.

Tutzing, Kinder in der Pandemie

Kinder leiden besonders unter den Schutzmaßnahmen, wie dieses Bild eines Grundschülers aus Tutzing bestätigt. Zugleich sind sie besonders schutzbedürftig, da es für sie keine Impfung gibt.

(Foto: Georgine Treybal)

Bei den Fünf- bis Neunjährigen lag die Sieben-Tage-Inzidenz in der Woche des Schulbeginns bei 217,2 - ein Wert, den der Landkreis unter Einbeziehung aller Altersgruppen auch zu den Höchstzeiten der Pandemie bei Weitem nie erreicht hat. In der vergangenen Woche lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und 19 Jahren bei 91, bei den Zehn- bis 14-Jährigen kommt das Robert-Koch-Institut auf einen Wert von 113,7, bei den Fünf- bis Neunjährigen auf 132,2. Entsprechend groß ist das Risiko für Kinder, sich in Krippe, Kindergarten oder Schule zu infizieren.

Während manche Eltern keine Angst vor einer Ansteckung ihres Nachwuchses haben, wollen andere eine Erkrankung möglichst vermeiden. Sie hoffen auf eine baldmögliche Zulassung einer Schutzimpfung auch für die Kleinsten. Doch was tun, bis dies geschieht? "Keinesfalls zu Hause isolieren", sagt Junge-Hülsing. Die psychischen Folgen der sich stetig wiederholenden Quarantänefristen der vergangenen Pandemiemonate hätten gezeigt: "Niemand leidet darunter so stark wie die Kinder." Das belegen eindrucksvoll die traurig stimmenden Zeichnungen Tutzinger Grundschüler, die im Sommer ihre "Coronazeit" gemalt haben. "Kinder erkranken in der Regel ja auch weniger schwer" so Junge-Hülsing. Das kann Florian Krötz, Chefarzt an der Starnberger Klinik, bestätigen. Nur wenige Kinder habe man bislang stationär aufnehmen müssen. Er hofft ebenfalls auf eine baldige Zulassung der immunisierenden Spritze auch für Kinder sowie eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission. "Was wir erleben, ist eine Pandemie der Ungeimpften."

Container vor dem Klinikum

Florian Krötz hofft, dass es bald Schutzimpfungen auch für die Kleinsten gibt. Der Chefarzt der Starnberger Klinik ist inzwischen dreimal geimpft.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Um das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen, unterstützt Junge-Hülsing die Forderung nach einer Impfpflicht für Erzieher, Lehrer und Pflegepersonal. "Es ist unerträglich, dass sich Menschen in Altenheimen bei ihren Pflegekräften anstecken." Erst wenn empfindliche Bereiche durch die 2G-Regel geschützt seien, also ausschließlich geimpfte und genesene Personen Zugang hätten, sei eine Rückkehr zur Normalität möglich - und das, was sich auch der Starnberger Mediziner wünscht. "Wir müssen die Angst wieder loswerden."

Doch noch sitzt die Krise den Menschen in den Knochen, insbesondere jenen, die sie besonders stark getroffen hat oder die an vorderster Front standen, wie Florian Krötz und sein Klinik-Team. Als sich im Herbst wieder die Betten mit Covid-19-Patienten füllten, habe er eine schlimme neue Welle befürchtet.

Tatsächlich sei das Infektionsgeschehen auf Station aber mit durchschnittlich drei bis vier Corona-Patienten "bewältigbar". Am Dienstag wurde nur ein Corona-Patient in der Klinik behandelt. Mehr als die Hälfte dieser Patienten, die meisten zwischen 30 und 60 Jahre alt, sei nicht gegen Covid-19 geimpft, so Krötz. Die älteren Patienten indes erlitten eher sogenannte Impfdurchbrüche. Sie stecken sich also trotz zweifacher Impfung an, da ihre Immunantwort auf die Schutzimpfung in der Regel nicht so stark ist. Krötz selbst hat sich vorbeugend vor vier Wochen eine Auffrischungsimpfung geben lassen. Denn auch in der Belegschaft hatte sich zuletzt ein geimpfter Kollege infiziert.

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