Cinemamobile:Wie Phönix aus der Asche

Cinemamobile: Nur 300 Meter vom Wrack des alten Wüstenkinos in Windach entfernt hat Wolf Gaudlitz nun mit dem Cinemamobile II erstmals Filme vorgeführt.

Nur 300 Meter vom Wrack des alten Wüstenkinos in Windach entfernt hat Wolf Gaudlitz nun mit dem Cinemamobile II erstmals Filme vorgeführt.

(Foto: Mercan Fröhlich)

Wolf Gaudlitz' Wüstenkino ist vor genau einem Jahr auf dem Weg zum Festival ausgebrannt. Nun ist der Film-Besessene mit dem Nachfolger-Lkw in Weßling am Start.

Von Armin Greune, Weßling

Seinen ersten Fronteinsatz hat "Phoenix" gerade hinter sich. Noch trägt das Führerhaus des Zwölftonners den schlammfarbenen Camouflage-Anstrich aus der Bundeswehrdienstzeit. Doch so bald wie möglich soll das Fahrzeug als sichtbares Zeichen der erfolgreichen Konversion vom Militär- zum Zivilgerät neu lackiert werden: türkis und sandfarben, genau wie der Vorgänger, sagt Wolf Gaudlitz. Am 27. August ist es ein Jahr her, dass sein Off-Road-Wohn-Lastwagen mit Filmvorführeinrichtung und Leinwänden völlig ausbrannte, unterwegs zwischen den beiden Festivals "Landsberger Kultursommer" und Fünfseen-Filmfest, auf der Straße von Vilgertshofen nach Weßling.

Am Jahrestag des Unglücks wird der Nachfolger des legendären Wüstenkinos als "Cinemamobile II" neben dem Weßlinger Pfarrstadel ein "Short Plus"-Programm zeigen. Vorab wird dort an diesem Donnerstag bei freiem Eintritt von 20.15 Uhr an "Die Konsequenz" als Hommage an den jüngst verstorbenen Wolfgang Petersen vorgeführt. Im einzigen Arthouse-Film des Hollywood-Starregisseurs wirkte Gaudlitz vor 45 Jahren als Darsteller mit, er sieht Petersen als "guten ersten Wegbegleiter meiner filmischen Karriere." Außer einem Kurzfilmprogramm am Freitag sind bis zum 2. September im Open-Air-Kino Weßling vier Spielfilme und zwei Dokus zu sehen, bei Regen wird in den Stadel ausgewichen. Bei drei Vorstellungen - "The Ordinaries" (28. August, Sophie Linnenbaum), "Der Bauer und der Bobo" (30. August, Kurt Langbein) und "Ente gut! Mädchen allein zu Haus" (2.September, Norbert Lechner) - stehen die Regisseurinnen oder Regisseure für Filmgespräche bereit.

Es sei gut möglich, dass sein Cinemamobile II nach dem offiziellen Festivalprogramm noch weiter Filme im Fünfseenland vorführt, gerne würde Gaudlitz mit dem Phoenix etwa wieder am Schloss Seefeld landen. Auch wenn noch Heizung, Wasser, Fotovoltaikanlage und Innenausstattung fehlten - die wesentliche Ausrüstung, Matratze und Schlafsack, habe er ja schon an Bord. An drei Abenden konnte sich der "neue" Daimler-Benz 1018, Baujahr 1988, am vorvergangenen Wochenende schon als Kino bewähren: nur 300 Meter vom verkohlten Wrack seines legendären Wegbereiters entfernt, dessen Reste die Feuerwehr in Windach aufbewahrt hat. Im Schlosspark des Ortes liefen "Diva", "Grüner wird's nicht, sagte der Gärtner..." und "Taxi Lisboa". Der Regisseur dieses Dokumentarstreifens war selbstverständlich anwesend: Gaudlitz hat ihn 1996 gedreht. Im Mittelpunkt stand der seinerzeit älteste Droschkenfahrer der Welt, der mit 94 Jahren in Portugals Hauptstadt ein 70 Jahre altes Taxi steuerte, das ausgerechnet den Markennamen "Oldsmobile" trug.

Oldtimer oder nicht: Wäre Wolf Gaudlitz ein Auto, dann sicher ein markenfreies, einzigartiges Allzweckfahrzeug. In der gesamten Filmbranche dürfte es wohl kaum einen Zweiten geben, der das Medium so intensiv in seiner gesamten Breite beackert hat. Vom Autor und Kulturjournalisten zum Fotografen, vom Pantominen und Clown zum an der Falckenbergschule ausgebildeten Schauspieler, der unter anderem mit Fellini und Petersen drehte. Gaudlitz war Regieassistent beim koreanischen Meister Im Kwon-Teaek, Drehbuchautor, Kameramann, Regisseur, Produzent und Filmverleiher. Derzeit arbeitet er an einem Spielfilm mit dem Titel "Palermo Porto Franco". In Sizilien übt Gaudlitz nicht nur die "erdverbundenen Tätigkeit als Winzer" aus, sondern drehte schon 2001 mit "Palermo flüstert" auch eine Hommage an seine Wahlheimat. Vor allem aber hat der 67-jährige Filmemacher auch als Filmvorführer reichlich direkte Erfahrungen mit dem Publikum gesammelt: Seit 1999 lebt und bewegt er sich im Cinemamobile. Folgerichtig hat Gaudlitz auch einen Film übers Vorführen gemacht: "Sahara Salaam" (2014) schildert, wie er mehr als zwölf Jahre lang durch Maghreb und Sahel fuhr, um Berber, Tuareg und andere afrikanische Völker mit seinem mobilen Kino zu unterhalten.

Mit dem Wüstenkino sind vor einem Jahr auch die beiden fünf mal drei Meter großen Leinwände verbrannt. Auf das Nachfolgermodell hat er jetzt eine noch größere Projektionsfläche montieren lassen, mit der sich auch Cinemascope-Formate abbilden lassen. "Das Hissen ist reine Handarbeit", nach einer halben Stunde müsse man die Spannung nachjustieren, erklärt Gaudlitz. Für 16 000 Euro hatte er den Lkw mit 41 000 Kilometer Laufleistung im Dezember ersteigert; Oldtimerstatus und H-Kennzeichen waren dabei unabdingbar, sonst könnte man damit nicht in deutschen Stadtzentren fahren. Auf 230 000 Euro schätzt der Eigentümer die Gesamtkosten, bis der Phoenix voll ausgebaut ist. Auch wenn sich die Versicherung beim Brandschaden kulant gezeigt habe, "kann man das nie mit Kino verdienen". Deshalb sucht Gaudlitz nach Sponsoren, die sich etwa an der Karosserie des Phoenix verewigen könnten, der nach Abschluss aller Karosseriearbeiten rundum mit Digitaldruck-Fotos über die Geschichte des Wüstenkinos dekoriert werden soll.

Auch das Cinemamobile II sei dazu bestimmt, Filmkunst in die entlegensten Dörfer und hintersten Winkel der Welt zu tragen. "Es gab verschiedene Anfragen von der Deutschen Botschaft", sagt Gaudlitz. Er könne sich gut vorstellen, durch die Ukraine zu ziehen, um dort nach Waffenstillstand "wieder in die Dörfer Fröhlichkeit zu bringen, wie früher der Circus oder die Wanderbühnen". Wenn Mechaniker und Monteure ihr Werk beendet haben, überlasse er keinem mehr das Steuer. Nach kurzer Pause korrigiert Gaudlitz diese Aussage: Nur seine Tochter Anna-Leyla dürfe außer ihm den Phönix fahren. Sie habe gerade ihr Abitur gemacht und sei schon als Kleinkind mit ihm zwischen Tunis und Timbuktu in cinematografischer Mission unterwegs gewesen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: