Eines war recht schnell klar am Sonntagabend: Michael Kießling (CSU) gewinnt erneut den Wahlkreis Starnberg-Landsberg-Germering und zieht mit seinen über 40 Prozent an Erststimmen sicher in den Bundestag ein. An anderen Stellen bedeuteten die Zahlen des Wahlabends indes noch keine Gewissheit. Wer ist drin und wer draußen? Für wen reicht es und für wen nicht mehr? Ein Überblick darüber, wie sich die politische Landschaft im Fünfseenland nach der Bundestagswahl nun sortiert hat.
BSW-Kandidatin Simone Ketterl: Wenige Stimmen fehlen für ein Mandat im Bundestag
Nur knapp 14 000 Stimmen fehlten dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), um die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen und somit in den Bundestag einzuziehen. „Es ist sehr knapp gewesen, das ist bitter“, kommentierte am Montag Simone Ketterl aus Utting das Ergebnis. Sie stand auf Platz 2 der BSW-Landesliste und hätte es bei einem Einzug ihrer Partei in den Bundestag nach Berlin geschafft. Die 36-Jährige war als Direktkandidatin im Wahlkreis Passau angetreten und erhielt dort 2,7 Prozent der Erststimmen; bei den Zweitstimmen erreichte das BSW dort 3,4 Prozent. Dennoch sei sie mit ihrem persönlichen Ergebnis im ländlich geprägten Raum Passau „durchaus zufrieden“, erklärte die Uttingerin.
Aus Ketterls Sicht sei es aber eine strategische Fehlentscheidung gewesen, bundesweit nicht weitere zehn BSW-Direktkandidaten aufzustellen. Denn „Gesichter in der Politik“ seien notwendig, um mit ihnen auch eine parlamentarische Stimme zu erlangen, die sich für Frieden einsetzen, meint Ketterl. Überdies habe eine „Social-Media-Struktur“ gefehlt, um junge Wähler zu erreichen, was der Linken gelungen sei. Ketterl will beim BSW auf jeden Fall weiter aktiv mitwirken und sich perspektivisch in Ingolstadt parteipolitisch einbringen, weil sie dort beruflich als Pressesprecherin der Technischen Universität Ingolstadt viel Zeit verbringe.
Grünen-Kandidatin Verena Machnik: Der große Push bleibt aus

Recht gefasst reagierte auch Verena Machnik aus Höhenrain darauf, es nicht in den Bundestag geschafft zu haben. „Ich bin nicht enttäuscht und danke meinen tollen Wahlkampfteams für ihren großen Einsatz“, sagte die Kandidatin, die den Wahlabend mit rund 50 Mitstreitern und Anhängern im Stockdorfer Lokal „Bambus“ verbrachte und für ihren couragierten Wahlkampf gefeiert wurde. Sie hofft darauf, dass Merz und Söder es jetzt kapiert hätten, dass mit Hetze gegen die Grünen die AfD nicht kleinzubekommen sei. Machnik erzielte im Wahlkreis 16,7 Prozent Erststimmen und liegt damit deutlich über dem Bundesergebnis ihrer Partei.
Die 45-Jährige, die sich vor allem für die Integration von Geflüchteten engagiert, konstatiert auch: „Rund 80 Prozent der Wähler haben gegen die AfD gestimmt.“ Die Grünen teilten zudem mit, in den vergangenen Wochen 150 000 Flyer verteilt und 2600 Plakate geklebt oder aufgehängt zu haben. Wie erwartet war die Öko-Partei in Weßling besonders stark, wo jeder vierte Wähler Machnik die Erststimme gab und auch das zweite Kreuzchen bei den Grünen machte. Ähnlich hoch waren die Ergebnisse in Utting am Ammersee. In Andechs dagegen wurde am wenigsten grün gewählt.
SPD-Kandidatin Carmen Wegge: Erst um Mitternacht herrscht Gewissheit

Nach einer von Ungewissheit geprägten Wahlparty schaffte SPD-Kandidatin Carmen Wegge es über Platz zwölf der Landesliste schließlich doch wieder in den Bundestag: 12,9 Prozent der Erststimmen konnte sie für sich gewinnen. Im Laufe des Wahlabends beschrieb die 35-jährige Juristin ihre persönliche Stimmung als „wechselhaft“. Erst gegen Mitternacht wusste sie wohl definitiv, dass sie ihr Mandat im Bundestag behalten darf.
Trotz der „Wahlniederlage“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz die Ergebnisse der SPD am Sonntagabend in einer Rede nannte, freuten sich die Sozialdemokraten im Starnberger Wahlbüro über die erste Prognose um 18 Uhr. Partygäste und Wegges Wahlhelfer applaudierten bei der Präsentation des vorläufigen Ergebnisses. Das Ergebnis sei höher ausgefallen, als man vorab anhand von Umfragen vermutete, erklärte die SPD-Direktkandidatin. „Ich freue mich sehr, dass ich in den nächsten Jahren weiter die Chance haben werde, dieses Land zum Besseren zu gestalten“, erklärte Wegge am Montag in einer Pressemitteilung. Darin betont sie, dass sie für die Menschen in ihrem Wahlkreis stets ansprechbar bleibe. Die Sozialdemokraten waren im Landkreis insbesondere in Krailling und Weßling stark; in der Gemeinde Berg blieben die Ergebnisse einstellig.
FDP-Kandidat Paul Friedrich: Wie geht es weiter nach dem Absturz?
Paul Friedrich hat einen harten Abend hinter sich. Seine FDP: deutlich unter fünf Prozent und damit nicht mehr im Bundestag. Er selbst: äußerst magere 3,6 Prozent als Direktkandidat. Selbst in seiner Heimatgemeinde Tutzing machten gerade einmal 343 Leute ihr Kreuzchen bei ihm. „Das sind katastrophale Zahlen, das kann man sich nicht schönrechnen“, sagt Friedrich. Man müsse deshalb nun auch schonungslos die handwerklichen Fehler im Wahlkampf aufarbeiten. Das D-Day-Papier zum Beispiel oder die Abstimmung gemeinsam mit der AfD – das alles sei nicht hilfreich gewesen.
Friedrich hat sich trotz der Umstände am Montagmorgen sehr früh hingesetzt und tapfer ein Dankesschreiben an seine Wahlkampfhelfer verfasst. Darin gibt er sich kämpferisch – und versucht, die positiven Aspekte herauszustellen: Zum Beispiel, dass die FDP im Landkreis Starnberg trotz hoher Verluste immerhin noch 7,2 Prozent geholt hat. Dass seine Partei aus Schutt und Asche nun neu aufgebaut werden muss – und das aus der außerparlamentarischen Opposition heraus – schreckt den 21-Jährigen offenbar nicht: „Wir haben das schon einmal geschafft“, sagt Friedrich. „Und ich bin überzeugt, dass wir es ein zweites Mal schaffen.“ Die FDP holte im Landkreis vor allem in Feldafing, dem Wohnort der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Stimmen.
Nach der Bundestagswahl 2013 war es Christian Lindner, der die Partei neu aufgestellt hat. Doch der hat nach der Wahl am Sonntag seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Noch fehlt es an einer anderen prägenden Figur. Aber Johannes Vogel oder Konstantin Kuhle könnten in diese Rolle schon hineinwachsen, glaubt Friedrich. Und falls nicht: Eine liberale Kraft im Parlament zu haben, sei jedenfalls sehr wichtig, sagt er. Und sollte der Wiedereinzug in den Bundestag nicht in vier Jahren gelingen und auch nicht in acht: Er sei noch sehr jung, „ich habe noch viel Zeit, diese FDP wieder aufzubauen“.
Bemerkenswertes und Kurioses: Was es noch für spannende Zahlen gibt
Die AfD hat auch im Wahlkreis Starnberg-Landsberg ihr Ergebnis von 2021 verdoppeln können, wenn auch nur auf 12,9 (Erststimmen) beziehungsweise 15,5 Prozent (Zweitstimmen). Besonders stark im Landkreis Starnberg ist die Partei in Gilching, den geringsten Wähleranteil hat sie in Wörthsee sowie in Utting. Von den sogenannten kleinen Parteien überzeugte die „Basis“ hauptsächlich in Pöcking (1,1 Prozent Erststimmen), die Tierschutzpartei in Wörthsee und Gilching (jeweils 1,5 Prozent) sowie Volt mit 1,6 Prozent in Seefeld.
Überall im Landkreis war die Wahlbeteiligung höher als bei der Bundestagswahl 2021 - nur in Krailling nicht. In Berg waren die Wähler besonders eifrig, dort lag die Wahlbeteiligung bei 95,1 Prozent.