Bürgermeisterin und Verwaltung:Im Alleingang Aufträge im Wert von Millionen vergeben

Eva John und das Starnberger Rathaus haben beim Umbau des Seebads Entscheidungen getroffen, über die der Stadtrat hätte abstimmen müssen. Die Liste umfasst mehr als 160 Posten.

Von David Costanzo

Der Mehrheit im Stadtrat stehen "die Haare zu Berge" (Martina Neubauer, Grüne), anderen "wird schon langsam unheimlich" (Angelika Kammerl, Parteifreie), manchen treibt es gar "bis zur Weißglut" (Gerd Weger, CSU): Starnbergs Bürgermeisterin Eva John (BMS) gerät einmal mehr unter Druck wegen ihrer Amtsführung. Sie und die Stadtverwaltung haben beim Umbau des Seebads nach eigenen Angaben Aufträge erteilt, die allein der Stadtrat hätte genehmigen dürfen. Eine Liste dieser Nachträge legte John dem höchsten Gremium der Stadt am Montag vor - und räumte Fehler ein. In der Debatte war von 162 Einzelposten in den vergangenen zwei bis drei Jahren die Rede mit einem Volumen von mehr als fünf Millionen Euro.

Hinzu kommen so genannte dringliche Anordnungen der Bürgermeisterin, die sie anstelle des Stadtrats zwar treffen durfte, darüber aber in der nächsten Sitzung hätte informieren müssen. Diese Liste umfasste laut John 15 Punkte, die beim Umbau des Seebads nötig geworden waren. In der Sitzung war von etwa 1,4 Millionen Euro die Rede. Viele dieser Anordnungen aus den Vorjahren waren den Stadträten nach eigenen Angaben unbekannt. Auch hier gestand die Bürgermeisterin Fehler ein.

In beiden Fällen beschloss die Mehrheit im Stadtrat, die Listen nur mit dem Zusatz "nicht zustimmend" zur Kenntnis zu nehmen. Sie beauftragte den Zweiten Bürgermeister Klaus Rieskamp, die Vorwürfe der Rechtsaufsicht im Landratsamt vorzulegen und im Fall der dringlichen Anordnungen die Landesanwaltschaft einzuschalten. Beide Behörden wussten bereits davon, weil Stadträte sie informiert hatten. Die Landesanwaltschaft, die bereits wegen anderer Vorwürfe Disziplinarklage gegen die Bürgermeisterin erhoben hat, will nun die Prüfung im Landratsamt abwarten. Sollte sich der Verdacht erhärten, könne ein weiteres Verfahren gegen John eröffnet werden oder die Vorwürfe nachträglich bis zur Ladung in die Verhandlung zum laufenden Verfahrens einfließen. Ein Termin für den Prozess steht noch nicht fest.

Ein Beispiel für eine Anordnung: Als im Sommer 2017 im Wasserpark Pflanztröge gesetzt werden sollten, fiel auf, dass diese zu hoch sind und den Blick auf den See blockieren, erklärte Stadtbaumeister Stephan Weinl. Also mussten sie entgegen der Planung tiefer gesetzt werden. Dafür erteilte die Bürgermeisterin am 4. August 2017 eine dringliche Anordnung, damit die Arbeiten weitergehen konnten. Wieder 40 000 Euro weg, empörte sich Stadtrat Franz Heidinger (Bürgerliste). Dabei sei bereits in einem Workshop am Plan erkennbar gewesen, dass die Tröge zu hoch seien. John machte die Architektin verantwortlich.

Überhaupt befand John, dass 15 dringliche Anordnungen im Lauf von zweieinhalb Jahren eine "sehr überschaubare Zahl" sei. Diese seien nötig gewesen, um die Abläufe auf der Baustelle nicht zu gefährden. Zumindest ein Teil ihrer Entscheidungen sei in früheren Beschlussvorlagen aufgeführt gewesen, das Thema im Stadtrat aber immer wieder vertagt worden, verteidigte sie sich. Die Gemeindeordnung verlangt, solche Entscheidungen in der nächsten Sitzung eines Ausschusses oder des Stadtrats bekannt zu geben.

Ähnlich rechtfertigte sie sich bei den Nachträgen in Millionenhöhe: Auch die hätten dem Stadtrat zumindest teilweise vorgelegen, der die Nachträge aber erst vertagt und letztlich in den Rechnungsprüfungsausschuss verwiesen habe. John betonte, dass die fünf Millionen Euro nicht zu den bislang bekannten Kosten von 22,5 Millionen Euro hinzukommen, sondern in diesen enthalten sind. Derzeit seien 21,9 Millionen Euro ausbezahlt. Allerdings lag die erste Schätzung bei 18,5 Millionen Euro; der Stadtrat hatte lange darauf gedrungen, von Kostensteigerungen zu erfahren. Das Bad wurde vergangenen Sommer mit neun Monaten Verspätung eröffnet.

Die Nachträge dürften noch schwerer wiegen, weil sie weder Bürgermeisterin noch Stadtverwaltung überhaupt hätten treffen dürfen, wie sie selbst einräumen. Denn wenn die ursprünglichen Auftragssummen um mehr als zehn Prozent überschritten werden, muss sich der Stadtrat damit befassen. Als Gründe führt die Beschlussvorlage etwa Erfordernisse der Baustelle oder des Betriebskonzepts an, aber auch Wünsche des Pächters. Das brachte Stadtrat Michael Mignoli (Bürgerliste) auf, weil der Pachtvertrag zu diesem Zeitpunkt längst geschlossen gewesen sei.

Auffällig das Schweigen der Unterstützer Johns von BMS, WPS und FDP, die andere Stadträte sonst gern mit verwaltungsrechtlichen und formaljuristischen Argumentationen überziehen. Nur Markus Mooser (WPS) meldete sich in der langen Debatte zu Wort: Die Nachträge seien nicht gemäß der Geschäftsordnung gelaufen, sagte er. Aber die Satzung gebe einen Umbau wie den des Seebads auch nicht her.

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