Buchvorstellung:Zwischen Land, Wasser, Luft und Licht

Ein Bildband der Fotografin Maren Martell aus Türkenfeld zeigt Aufnahmen von Stegen im Fünfseenland. Kunstprofessor Werner Krömer würdigt die Neuauflage als "Soulfood" und "Gebetbuch mit Blick zum Himmel"

Von Armin Greune, Schondorf

Das Buch sei ein "geheimer Führer zu magischen Orten", "Soulfood" ein "Psycho-Guide", ein "Gebetbuch mit Blick zum Himmel", findet Werner Kröner. Aber auch ein meteorologisches Fachbuch, "ein Bit-Lexikon des Begriffs Steg", "ein Auftragswerk der niederen Naturschutzbehörde" und ein "Who-is-Who des ländlichen, niederen käuflichen Adels", fügte der Maler und Kunstprofessor augenzwinkernd im Schondorfer Landheim hinzu. Kurzum: "ein Multifunktionswerk, also schon etwa Neues".

Zumindest mit dem letzten Halbsatz hatte Kröner bei der Vorstellung des neuen Bildbands von Maren Martell nur halb recht. "Stege: Himmel.See.Sehnsucht.2.0" ist die erweiterte und überarbeitete zweite Auflage des Vorgängers von 2016 - eines Werks, das sich sehr zur Freude des rührigen Verlegers Josef Bauer zum Bestseller gemausert hat. Auf nunmehr 192 Seiten im fast quadratischen Format ist wieder eine Auswahl aus Martells mehrere tausend Aufnahmen umfassenden Fundus zum Thema versammelt. Die von Poesie und einer gewissen Leichtigkeit geprägten Fotos geben präzise die Stimmungen wieder, wie sie sich beim Aufenthalt im Grenzbereich zwischen Land, Wasser, Luft und Licht einstellen und sind doch über jeden Vorwurf süßlicher Sentimentalität erhaben. Martell selbst dankte im Landheim ausdrücklich ihrem Nachbarn Kröner: Der habe ihr geraten, "nicht so viele kitschige Sonnenuntergänge ins Buch zu nehmen". Viele ihrer Bilder strahlen eine tiefe Ruhe aus, die sich auf den Betrachter überträgt. Bildbearbeitungsprogramme wie Photoshop kommen nicht zum Einsatz, versichert Martell, eventuelle Korrekturen beschränkten sich auf Bildschnitt und -justierung. Die Begeisterung für Stege habe sie auf Hundespaziergängen am Wasserwachtsteg in Eching gepackt, erzählte die Fotografin: Dort seien allein mehr als 1000 Fotos entstanden. Auf Anregung Bauers habe sie dann das Thema erst auf den gesamten Ammersee und schließlich auf alle fünf Seen im Landkreis Starnberg ausgedehnt.

Erweitert hat sich in der Neuauflage auch der Autorenkreis, der zu den Bildern Gedichte, Anekdoten und Textimpressionen beisteuerte: Waren es vor fünf Jahren noch 55, sind es nun 77 Künstler, Prominente, Touristiker, Gastronomen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, darunter etwa die Sopranistin Juliane Banse, die Filmemacherin Felicitas Darschin und ihr Kollege Water Steffen, der Jazzer Klaus Doldinger, Buchheim-Museumsdirektor Daniel Schreiber oder der Cartoonist Peter Gaymann.

Dass die Bild- und Textjournalistin Martell intensiv in das Netz der Kulturschaffenden des Fünfseenlands eingebunden ist, verdankt sie auch ihrer PR-Tätigkeit für viele Künstler und Veranstalter der Region. Und so wurden auch die Besucher der Buchvorstellung - für den Verleger Bauer die erste seit eineinhalb Jahren - mit einem mehr als einstündigen, kurzweiligen Programm aus kurzen Konzerten und Lesungen verwöhnt.

Hausherr Rüdiger Häusler konnte sich glücklich schätzen, dass mit der Veranstaltung "endlich wieder kulturelles Leben" ins Landheim einzog. Die Folksängerin Maggie Jane interpretierte ihr Lied "Does it Feel like Home" vom Wurzelschlagen am Ammersee, Cantador Ricardo Volker entführte mit Gitarre und Gesang in die Bucht von Cadiz. Kabarettist Otto Göttler sang vom Sepp, der seit fünf Minuten ohne WhatsApp überleben muss, der Lyriker Anton G. Leitner trug vier Gedichte zweisprachig auf bairisch und hochdeutsch vor. Die Biologin und Reisebuchautorin Carmen Rohrbach berichtete von einer Begegnung mit einem Biber nahe dem Schondorfer Badesteg. Die Journalistin, Buchautorin und Bühnenregisseurin Katalin Fischer erzählte, dass ihre damals kleinen Kinder nach dem Umzug von Tel Aviv nach Dettenschwang das israelisches Lied "Le Chajei ha am Se" (deutsch "Auf dass dieses Volk leben möge") zu "Es lebe der Ammersee" umgetextet haben. Der Politikprofessor Cornelius Mayer-Tasch stellte mit zwei Gedichten seine lyrische Ader unter Beweis. Schauspieler Peter Weiß rezitierte - immer wieder von gespielter Empörung unterbrochen - einen Text von Gerd Holzheimer, der den "Admiralssteg" in Gauting und die "Pippin-Unterführung" satirisch würdigte. Und Weiß' Schwester, die Starnberger Kulturveranstalterin Elisabeth Carr, widmete schließlich Martell einen eigenen Steg ins Paradies.

Buchvorstellung: Maren Martell hat ihre Begeisterung für Stege bei Spaziergängen mit ihrem Hund entdeckt. Ihr neuestes Werk hat sie nun in Schondorf vorgestellt.

Maren Martell hat ihre Begeisterung für Stege bei Spaziergängen mit ihrem Hund entdeckt. Ihr neuestes Werk hat sie nun in Schondorf vorgestellt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Damit der Türkenfelderin für die nächste Auflage ihres höchst erfolgreichen Fotoprojekts nicht die Motive ausgehen, hat Martell sie schon vorgebaut: In "Stege 2.0" ist auch eine detaillierte Anleitung enthalten, wie man selbst einen Holzweg ins Wasser konstruiert.

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