Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Schönheit und Erotik

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Im Buchheim-Museum in Bernried sind Bilder aus der Sammlung von Joseph Hierling zu sehen. Etwa 1300 Werke hat er gestiftet.

Von Katja Sebald, Bernried

"Was wiegt schwerer: erotische Fantasie oder der Respekt vor dem anderen Geschlecht?" Diese Frage wird im Begleittext zur Ausstellung "Flores y Mujeres" gestellt, die am vergangenen Wochenende im Buchheim-Museum in Bernried eröffnet wurde. Es ist auf jeden Fall eine falsche Frage, will doch die aus der fulminanten Zustiftung von Joseph Hierling gespeiste Bilderschau vor allem der Kunst des "expressiven Realismus" zu mehr Beachtung verhelfen. Beim Sammeln habe er ausschließlich die malerische Qualität im Blick gehabt, sagt jedenfalls der Stifter.

"Je unbekannter der Maler und je höher die Qualität, umso mehr haben mich die Bilder interessiert", erläuterte Hierling bei einem Rundgang. Seine Sammelleidenschaft erstreckte sich auf Maler, deren Namen heute kaum mehr geläufig sind. Um 1900 geboren, waren sie noch nicht etabliert, als sie von den Nationalsozialisten ebenso verfemt wurden wie die deutlich älteren Expressionisten der "Brücke" und des "Blauen Reiters". Nach 1945 aber galt ihre künstlerische Position als antiquiert. Der Kunsthistoriker Rainer Zimmermann, auf den der Begriff "expressiver Realismus" zurückgeht, bezeichnete sie deshalb als "verschollene Generation".

Etwa 1300 Arbeiten haben durch die Zustiftung in Bernried eine neue Heimat gefunden. "Ich kann mir keinen besseren Ort für meine Bilder vorstellen", betonte Hierling. Mit etwa hundert Darstellungen von Frauen und Blumen, beides in der Geschichte der Kunst häufig Sinnbild für Schönheit und Erotik, bezieht sich die Ausstellung explizit auf das Gedicht "Avenidas y flores y mujeres" des bolivianisch-schweizerischen Dichters Eugen Gomringer, das im Jahr 2018 nach einer heftigen Kontroverse von der Fassade einer Berliner Hochschule entfernt werden musste, weil es Frauen zu Objekten männlicher Blicke mache.

Der Katalog enthält eine fundierte Debatte über das Thema Nacktheit

Um es vorweg zu nehmen: Im Ausstellungskatalog, in dem auch Gomringer selbst zu Wort kommt, gelingt eine fundierte und zugleich leichtfüßige Auseinandersetzung mit der Frage, was man in Zeiten, in denen Gesellschaften um Geschlechtergerechtigkeit ringen, noch schreiben, sagen und zeigen darf. "Muss Kunstgeschichte anders erzählt und damit mit einem über Jahrhunderte etablierten Bildrepertoire gebrochen werden? Ist Nacktheit nicht mehr auszustellen? Befinden wir uns in einem Zeitalter einer neuen Prüderie, sind Verbote allgegenwärtig?" Diese Fragen wirft die Kunsthistorikerin Burcu Dogramaci in ihrem Beitrag auf. Die Journalistin Margarete Stokowski wünscht sich eine Debatte, "in der am Ende rauskommt, dass Leute Dinge unterschiedlich wahrnehmen, ohne dass jemand ,politische Korrektheit' ruft". Denn, so schließt sie durchaus humorvoll, "sobald dieser Begriff fällt, kann man meistens direkt schlafen gehen, ist gesünder".

Die Ausstellung selbst aber zeigt, nun ja, Bilder von nackten, halbnackten und auch von angezogenen Frauen, außerdem Bilder von Frauen vor Blumen, mit Blumen oder eben nur Blumen. Und ja, es geht auch um erotische Fantasien, um männliche erotische Fantasien natürlich. Die Schau ist nicht chronologisch geordnet, sondern, wenn man so will, thematisch: An zwei Wänden sind Bilder zu sehen, auf denen Frauen die Objekte des lüsternen männlichen Blicks sind. Hier hat etwa der Maler Paul Kleinschmidt einen Platz gefunden, der, wie Hierling erläuterte, seine Frau gerne "dekorativ einkleidete", um sie dann zu malen. Auch drei sehr konventionelle Aktdarstellungen aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren werden hier präsentiert. Und schließlich Emil Scheibes Gemälde "Europa und ihr Stier" aus dem Jahr 1952, eine verstörende Kombination aus Bordell- und Schlachthausszene. Dazwischen aber hängen Blumenstillleben von zuweilen atemberaubender malerischer Qualität.

An zwei weiteren Wänden sind Bilder von Frauen versammelt, die von ihren männlichen Malern eher als Persönlichkeiten denn als Lustobjekte dargestellt wurden. Hier gibt es auch eine Wiederbegegnung mit den wirklich bezaubernd malerischen und dennoch gleichsam stenografischen Frauen- und Mädchenbildnissen des Malers Holmead. Im Mittelteil sind immerhin einige Gemälde von Malerinnen zu sehen, so etwa Karoline Wittmanns 1949 entstandenes "Selbstbildnis im Halbakt mit Gladiolen". Während manche dieser von Frauen gemalten Bilder ebenfalls den männlichen Blick bedienen, fällt das Gemälde "Gratulanten" von Eva Böddinghaus, entstanden 1990, nicht nur zeitlich aus dem Rahmen, es sticht auch wegen seiner radikalen Malweise heraus und hat eine eigene, farbig gestaltete Wand bekommen.

Die Ausstellung "Flores y Mujeres" ist bis 26. Februar zu sehen. Führungen mit dem Stifter Joseph Hierling gibt es am 23. Oktober, am 6. und 20. November, sowie 26. Februar jeweils um 11 Uhr, außerdem am 15. Januar und am 5. Februar um 15 Uhr.

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