Süddeutsche Zeitung

Hühnerhaltung:Picken, picken, picken

Der Buchendorfer Landwirt Michele Tirabasso hält 875 Legehennen auf einer eingezäunten Wiese, nachts schlafen die Tiere in einem mobilen Hühnerstall.

Von Michael Berzl, Buchendorf

Mit dem Schnabel zupft eine Henne immer wieder am Schnürsenkel; vielleicht probiert sie aus, wie er sich von Grashalmen unterscheidet. Währenddessen pickt eine Artgenossin unverdrossen auf den Schuh ein. "Die sind extrem neugierig", erklärt Michele Tirabasso. Tatsächlich wuselt das Federvieh mit viel Gegurre daher, sobald der Bauer eine eingezäunte Wiese am Rand von Buchendorf betritt. Dort steht seit dem vergangenen Sommer ein mobiler Hühnerstall. Die Eier, die der 29-Jährige dort jeden Morgen vom Fließband sammelt, finden so großen Absatz, dass der Landwirt expandieren will. Zu den etwa 875 Hennen kommen dann weitere 1500. Das Genehmigungsverfahren läuft noch.

Nachts sind die Hühner im Stall. Kaum wird es dunkel, gehen sie von selbst hinein und kuscheln sich auf den Sitzstangen zum Schlafen eng aneinander. Die Nähe mögen sie, im Winter wärmen sie sich so gegenseitig. Dort sind sie auch geschützt vor Fuchs-Angriffen. Wo tagsüber ein aufgeregtes Geflatter und Herumgehüpfe Unruhe verbreitet, herrschen nach Einbruch der Dunkelheit Ordnung und Stille. Die Versorgung der Legehennen ist weitgehend automatisiert. Kleine Förderbänder liefern das Futter aus Weizen, Soja und Rapskuchen, je nach Licht und Tageszeit werden Lampen ein- und ausgeschaltet.

Munter werden die Tiere erst frühmorgens wieder, wenn sie von 5 Uhr an beginnen, Eier zu legen. Mit Gegacker geht es in den neuen Tag. Wenn Bauer Tirabasso dann aufs Feld kommt, um die Tore zu öffnen, stehen die Hennen schon bereit. "Die warten, dass sie raus dürfen", weiß er. Ein Hektar groß ist das in drei Abschnitte unterteilte Feld mit dem mobilen Stall, der etwa alle drei Monate verschoben wird. Das ist mehr Platz, als vorgeschrieben ist. Weit gehen die Hennen ohnehin nicht, am liebsten drücken sich in Gruppen in der Nähe des Stalls herum. Es sei denn, es kommt Besuch.

Tirabasso und seine Hühner haben schwierige Zeiten hinter sich. Mitte März ist die Stallpflicht zu Ende gegangen, die das Starnberger Landratsamt im vergangenen November wegen der Vogelgrippe angeordnet hatte. "Da ging es Tieren nicht so gut", erzählt der Buchendorfer Landwirt. Auch hier wird wieder deutlich, dass er sich um das Wohlergehen seiner Tiere sorgt. Arg langweilig sei es den Hühnern gewesen. Deshalb habe er Picksteine in den Stall gebracht, Getreidesäcke aufgehängt und Stroh verteilt, damit es etwas zum Scharren gibt. Schließlich investierte er ein paar tausend Euro in ein großes Zelt, um mehr Platz zu schaffen. Das Eingesperrtsein ohne Auslauf ist nun überstanden. Nun gehen die Hühner in Buchendorf wieder auf die Weide. Der große Vorteil im Gegensatz zur sonst üblichen Freilandhaltung: Das Gras kann nachwachsen, es gibt immer wieder frisches Grün.

Auch der Konradhof von Stefan Dellinger in Unering mit etwa 1500 Hühnern setzt auf diese Art der Tierhaltung. Dennoch sind mobile Ställe wie in Buchendorf bisher noch die Ausnahme. Tirabasso, der in Germering aufgewachsen ist und ausgebildeter Landwirt ist, hat sich von einem Freund inspirieren lassen, als er von Josef Keller, dem Mann seiner Oma, den Hof in Buchendorf übernommen hat. Für ihn war schon als Kind klar: Er wird Bauer.

Für Tirabasso hat sich das Modell bewährt. Die Eier aus Buchendorf sind begehrt. Die Kunden kaufen sie in einem Automaten, der in einem Holzschuppen an der Ortsdurchfahrt steht. Verkauft werden sie außerdem auf den Wochenmärkten in Krailling und Planegg. Meist bleibt von der Tagesproduktion nichts übrig, die Ware im Automat ist selten mehr als einen Tag alt. Deshalb expandiert der 29-jährige Jungbauer. Der Gautinger Bauausschuss hat mit großer Mehrheit einen weiteren Stall für 1500 Hühner gebilligt. Eine ganze Reihe weiterer Behörden muss noch gefragt werden, darunter das Landwirtschaftsamt, das Veterinäramt und die Naturschutzbehörde. Zudem geht es um eine Menge Geld. Tirabasso rechnet mit Investitionen von weiteren 180 000 Euro für den Stall. Dazu kommen etwa sieben Euro pro Huhn. Die Legehennen bleiben für etwa zwei Jahre, ehe sie zu Suppenhühnern werden. Der Bestand wird dann komplett erneuert.

So etwas dürfen die beiden kleinen Töchter von Michele Tirabasso wohl nicht so genau wissen, denn sie haben die vielen Hühner draußen auf der Weide richtig gerne. Die Dreijährige traut sich auch schon nahe zu ihnen hin. Ihre einjährige Schwester bleibt da noch lieber beim Papa auf dem Arm. Schon wegen des neugierigen Gepickes.

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SZ vom 03.04.2017
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