Breitbrunn:Ehrung des Komponisten

Der Cellist Thomas Piel erinnert in Breitbrunn an den Musiker Enrico Mainardi, der vor 40 Jahren am Ammersee starb

Von Reinhard Palmer, Breitbrunn

Aus Santiago de Compostela, wo er Mitglied der Real Filharmonía de Galicia ist, war der Cellist Thomas Piel angereist, um den 40. Todestag von Enrico Mainardi in Anwesenheit dessen langjähriger Lebensgefährtin Sela Sommer-Mainardi mit einem Konzert nachträglich zu begehen. Erst zwei Jahre alt war Piel, als der Mailänder Mainardi starb und in Breitbrunn, der Wahlheimat seiner letzten fünf Lebensjahre, begraben wurde. Doch einst von Siegfried Palm unterrichtet, gehört Piel zur zweiten Generation der Mainardi-Schule. Es war für den aus Köln stammenden Musiker jedoch nicht der vordergründige Anlass, sich mit Mainardi so eingehend zu befassen. Vielmehr gilt das Interesse des forschenden Orchester- und Kammermusikers generell den Interpretationsweisen großer Cellisten seit der Epoche der technisch und musikalisch grandiosen Virtuosen im 19. Jahrhundert. Ob nun Pablo Casals, Gaspar Cassadó, Paul Tortelier, Palm oder eben Mainardi: Es ist eine sehr mühsame Arbeit, mithilfe von Schallplattenaufnahmen, Archivmaterial, Vermerken in den persönlichen Notenexemplaren der Meisterinstrumentalisten oder dank herausgeberischer Notenbearbeitungen besonderer Editionen ihre Interpretationsweisen nachzuvollziehen.

Thomas Piel ehrte in der Heiliggeistkirche von Breitbrunn Mainardi aber auch als Komponisten, der eher im Schatten des Instrumentalisten stand. 1897 in Mailand geboren, startete Mainardi zunächst aber auch eine Karriere als Solist und Kammermusiker - als 13-Jähriger. Schon bald spielte er Werke, darunter Uraufführungen, von und zusammen etwa mit Max Reger, Richard Strauss und Paul Hindemith. Nebenbei begann er Komposition zu studieren, um Werke zu erschaffen, die von Größen wie Rafael Kubelik, Wolfgang Sawallisch, Hermann Scherchen, Dietrich Fischer-Dieskau oder Ludwig Hölscher zu Aufführungen gelangen sollten.

Um den Cellisten Mainardi hörbar zu machen, griff Piel zur Bach-Solosuite Nr. 2 d-Moll BWV 1008. Mainardi hatte sich sehr intensiv mit den Bach-Suiten befasst und ist Herausgeber einer Veröffentlichung bei Schott. Aus seinen Fingersätzen und Phrasierungsbögen entnahm Piel eine klare polyfone Auslegung, deren einzelne Stimmen mittels klar voneinander abgesetzter Registerdynamik unterschieden wurden, selbst wenn sie nacheinander erklangen. Piel hat alles bis ins Detail analysiert und eine beherrschte Interpretation vorgeführt, in der es überaus klangkultiviert zuging und die sich auch vom mitreißenden Fluss der Musik nicht etwa zur gesteigerten Emotionalität verführen ließ. Mainardi lag offenbar viel daran, klare und schlüssige Spannungsbögen aufzubauen, ohne dabei die barocke Empfindsamkeit zu vernachlässigen.

Der Focus auf den Spannungsaufbau ist auch in seinen Kompositionen deutlich nachvollziehbar. Hier spielten allerdings die Emotionen eine zentrale Rolle. Insbesondere im Zyklus "Sette Preludi" von 1964, die recht knappe Ausdrucksstücke sind. Piel erinnerte hier an einen Komponisten, der einen weiten Tonraum öffnete, um ihn mit Energie zu füllen. Ein plastisches Auf und Ab, immer wieder weitschweifendes Sinnieren, dann kurz vor dem Finale im Andante sostenuto noch einmal ein hymnisches Aufbäumen, um sich in drängender Spannung dem Finale zuzuwenden. Den Komponisten offenbarte Piel als eine kraftvolle und entschlossene Persönlichkeit. Das Hauptansinnen der drei Sätze von 1953 - Preludio, Sarabanda, Giga - galt wohl vor allem der Vielfalt in der Differenzierung innerhalb eines stets fesselnden Erzählduktus. Eine ähnliche "Variationsfolge" beschloss schließlich den Abend mit "Marcia" von 1940 in spielfreudiger Straffheit und scharf geschnittener Rhythmik. Hier tauchte dann doch so etwas wie Demonstration des spieltechnischen Könnens auf, was Mainardi sonst in seinen Kompositionen vermied. Überaus erhellend und mit begeistertem Applaus der Zuhörer aufgenommen.

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