Brauchtum:Die Laterne brennt

Stockdorf EKP, Martinszug

Ich geh' mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir: Beim Martinszug an der Alten Schule in Stockdorf hatten auch die Mamas ihre Freude.

(Foto: Georgine Treybal)

Einmal fehlt das Pferd, mal der Heilige. Drei Mütter erinnern sich an Sankt Martins-Umzüge und wissen genau, was mit muss: Stabfeuerzeug, feste Schuhe, Wechselkleidung und am besten auch ein Flachmann

Von Manuela Warkocz,Ute Pröttel und Patrizia Steipe, Starnberg

Das Kind hat nur nebulöse Erinnerungen und eine Abscheu gegen Mandarinen. Aber seinem Vater steht das Martinsspektakel noch umso deutlicher vor Augen. Der Martinsumzug gehörte jahrelang zu seinen Pflichtaufgaben. 17 Uhr am Kindergarten. Passte super, um diesen Termin an den Gatten zu delegieren. Der spurtet aus dem Büro, schnappt sich daheim die dick eingemummelte Tochter samt Laterne, Ersatzkerzen und Langfeuerzeug. Die Hetze hätte gar nicht sein müssen - am Kindergarten stehen alle wartend in der Dunkelheit rum. Mal fehlt das Pferd. Mal der Heilige. Mal die Liedzettel. Sind alle da, rückt der Tross endlich aus. Drei Mal um den Sportplatz. Nach der ersten Runde jammert der Nachwuchs "Ich kann nimmer" und drückt die zerdätschte Laterne Papa in die Hand. Der findet den Liedtext "Und wir gehen lange Strecken mit Laternen an den Stecken" zwar leicht dümmlich, aber in dem Fall passend.

Fröstelnd im Novembernieselregen strebt der Zug schließlich zum Martinsfeuer. "Kinderpunsch!", verkündet dort strahlend die Vorsitzende des Elternbeirats. Ja, ja, denkt sich der Vater. Und bringt den Flachmann zum Einsatz, der sonst das ganze Jahr hinten in der Hausbar schlummert. Großzügig teilt er den Inhalt mit anderen Leidensgenossen. Die pimpen ihren Punsch auch gern auf. Hinten überreicht derweil der Heilige Martin der Tochter eine milde Gabe. Die Dreijährige kommt heulend und spuckend angelaufen. Sie hat in eine Mandarine reingebissen - ohne sie zu schälen.

Untröstlich

Laterne mit Glühbirne - wie unromantisch, dachte sich die Mutter, als sie mit der Tochter das erste Mal offiziell bei einem Sankt Martins Umzug teilnehmen sollte. Schon das Jahr zuvor waren sie sozusagen als Zaungäste beim Umzug des künftigen Kindergartens dabei. Herzerwärmend die warm eingepackten Kleinen mit ihren selbst gebastelten Laternen. In diesem Jahr hatte also auch die Tochter ihre Laterne im Kindergarten gebastelt. Die Eltern konnten selber entscheiden, ob eine Kerze hinein sollte oder ein Glühbirnchen. Bei Kerze dann aber bitte auch die Verantwortung übernehmen.

Die Laterne war besonders schön geworden. Ein schlichter Zylinder aus gewachstem Papier mit bunten Sprenkeln darauf. Drinnen ein Kerzenstummel, in einer mehr schlechten als rechten Halterung. Während die meisten Kindergartenfreunde sich bereits ihre leuchtenden Laternen zeigten, mühte die Muter sich ab, die Kerze anzubekommen. Handschuhe aus. Aufpassen, dass der Schal nicht hineinrutscht, das Feuerzeug immer weit genug weg vom Anorak halten und am Gesicht der neugierigen Tochter vorbeischieben, die natürlich mit Argusaugen guckte, dass Mama das richtig macht. Der Zug setzte sich bereits in Bewegung, als es endlich gelungen war. Die Kleine eilte schnell ihrer Gruppe hinterher. Die Laterne schwankte gefährlich. Es kam wie es kommen musste. Die Kerze rutschte aus der Halterung, ging aus. Mama! Während an der ersten Station das Sankt Martinslied gesungen wurde, versuchte Mama erneut die Kerze zu entzünden. Kalt war ihr definitiv nicht. Ihr schwante langsam, worin die Vorteile des Stäbchens mit dem Glühbirnchen lagen.

Je länger der Marsch um die vier Ecken zurück zum Kindergarten dauerte, umso tiefer hing die Laterne der Dreijährigen, und auf dem letzten Wegstück passierte es: Die gefährlich schwankende Laterne wurde von der Kerze in Flammen gesetzt. Erschrocken ließ die Tochter die brennende Laterne los, und mit zwei, drei schnellen Tritten trat Mama, ebenso erschrocken, das Feuer aus. Im selben Augenblick legte die Sirene der Tochter los. Sie begann untröstlich zu heulen. Seitdem schwor die Mama auf Glühbirnchen. Macht halt nicht so warm.

20 Strophen

Für einen Martinsumzug sollte man sich als Elternteil besonders ausrüsten. An oberster Stelle steht das Stabfeuerzeug. Wer schon einmal versucht hat, die Kerze in der selbstgebastelten Laterne anzuzünden, weiß, dass man mit Streichholz und Feuerzeug entweder die Finger verbrennt oder beim Hineinhalten gleich die ganze Laterne abfackelt. Damit wäre man schon beim nächsten Punkt. Erfahrungsgemäß geht bei jedem Martinsumzug immer mindestens eine Laterne in Flammen auf. Mit den guten Arbeitsschuhen kann das Feuer schnell ausgetrampelt werden. Geschickte Eltern schaffen es sogar, die zerbeulten Reste wieder zu einer Notlaterne zu formen.

An die Tasse für den anschließenden Umtrunk denken die meisten Eltern, aber nicht daran, dass sich die rote klebrige Saftbrühe über mindestens drei Schneeanzüge und Anoraks ergießen wird. Also: Wechselkleider, am besten in den Farben des Kinderpunsches mitnehmen. Und auch für "untenrum" sollte Ersatz dabei sein, denn in der Aufregung kann schon mal ein kleines Malheur passieren. Die üblichen Laternenlieder können textsicher abgesungen werden? Sehr gut. Viele Kindergärten zeigen ihre Individualität aber mit ausgefallenen Liedern. Die 20 Strophen bekommen die Eltern als Kopie zum Mitsingen ausgehändigt. Hier gilt: Taschenlampe und die Brille zum Beleuchten mitnehmen. Der Martinsumzug findet schließlich bei Dunkelheit statt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: