Brauchtum:Aufgerichtet

In Gauting und Hochstadt sind die Burschen beim Aufstellen der Maibäume mit besonderer Vorsicht zugange. Alkohol ist tabu. Im Weßlinger Ortsteil, wo es 2015 fast zur Katastrophe kam, ist erstmals eine Seilwinde im Einsatz

Von Astrid Becker und Otto Fritscher, Gauting/Hochstadt

Wer am Montagmorgen mit offenen Augen durch den Landkreis fuhr, konnte seltsame Dinge entdecken. Zum Beispiel ein Schild an der Waldkreuzung, dass die "Ortsdurchfahrt Hardorf" nicht möglich sei. Hardorf? Nun ja, vielleicht hatte da jemand zu viel Bier getrunken, ein Maibaum wurde in Hadorf aber am Montag tatsächlich aufgestellt. Die meisten Zuschauer dürften wohl in Gauting gewesen sein. Mindestens 500, darunter Bürgermeisterin Brigitte Kössinger, säumen den abgesperrten Hauptplatz, wo etwa 50 Männer den 28 Meter hohen Baum mit Hilfe von sechs Scheren unter der Leitung von Franz Waller mit Muskelkraft in die Höhe stemmen. Um Viertel vor zwölf ist es geschafft, lauter Applaus brandet auf. Und die Feuerwehr kann die zehn Zunftzeichen und das Gautinger Wappen am Baum anbringen.

Wörthsee Auing, Maibaum

"Zwei, drei, hoch auf!" Auf dieses Kommando hin lupfen die Burschen und Männer in Auing den 35 Meter langen Maibaum in die Höhe.

(Foto: Georgine Treybal)

"Das Manderl und das Weiberl sind ganz neu",sagt Otto-Josef Brandmaier, Ehrenvorsitzender der "Maibaumbuam" stolz, und in der Tat wirken die Metallfiguren jünger und frischer als die alten, schon leicht rostigen Taferln. "Das Madl hat sogar Stöckelschuhe an", sagt Brandmaier, was offenbar ein Fortschritt ist. 1969 hat er den ersten Maibaum in Gauting aufgestellt. "Damals mussten wir eine Tagesunfallversicherung für 300 Mark abschließen", erinnert er sich. Seit einiger Zeit stellen die Maibaumburschen den Baum im Auftrag der Gemeinde auf - und genießen so Versicherungsschutz. Seit 1969 ist in Gauting beim Maibaumaufstellen aber nichts schief gegangen. Was ist das Schwierigste bei der Prozedur? "Die Männer an den Scheren müssen die ganze Zeit aufmerksam sein, und wenn ein Kommando kommt, muss es mucksmäuschen still bleiben", erklärt Brandmaier. Zweites Gebot: kein Alkohol beim Aufstellen. Ähnliches galt auch beim Maibaumaufstellen in Auing einen Tag zuvor. Dort wird jedes Jahr ein nicht bemalter Baum mit Muskelkraft aufgerichtet. Übung hat man dort also, und Ehrensache ist es ohnehin für jeden hier, an dem Spektakel teilzunehmen. Nach etwa zwei Stunden steht der Baum. In Hochstadt dauert es an diesem 1. Mai etwas länger. Kein Wunder, der Baum ist immerhin exakt 38.4 Meter lang. Und je länger der Baum, desto schwieriger sei es, ihn mit bloßer Muskelkraft aufzustellen. Sagt Sepp Bernlochner. Und er muss es wissen. Mit seinen 78 Jahren hat er 65 Jahre Maibaumerfahrung hinter sich. Nie ist etwas passiert in all der Zeit, nur einmal, vor zwei Jahren. Das Wetter war schlecht, es regnete, die Männer waren unkonzentriert, darin sieht er die Gründe, warum damals keine Feierfreudeaufkommen wollte. Der Maibaum war den Männern entglitten, er krachte mit voller Wucht auf die Straße. "Dass niemand verletzt wurde, ist heute das Glück von drei Generationen", sagt er. Seine eigene, die er als die der Großväter darstellt, die seiner Söhne und deren Kinder. "Fünf Familienväter sind gerade rechtzeitig weggetreten", sagt er. Der Maibaum hatte sie nur knapp verfehlt. Kein Wunder also, dass man heuer in Hochstadt recht angespannt ist. Eine Seilwinde sichert den Baum vor dem Absturz, zum ersten Mal wird so etwas hier eingesetzt. Ebenfalls zum ersten Mal gibt es hier kein Bier beim Aufstellen, es herrscht Handyverbot und absolutes Konzentrationsgebot. Bis auf die üblichen Kommandos: "Hoch auf" ist hier nicht viel zu hören - bis der Baum nach etwa drei Stunden sicher verankert ist.

Fünf Minuten nach zwölf ist es in Oberbrunn, als die Unterbrunner Blaskapelle die Bayernhymne schmettert. Geschafft, auch hier ragt der 30 Meter hohe Maibaum senkrecht in die Luft, und schnell bilden sich am Bratwurststand lange Schlangen. Ein paar Bänke bleiben indes leer, schwarze Wolken künden nahenden Regen an.

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