Musik:Rocker gehen nicht in Rente

Musik: Bluesrocker Ron Evans in seinem kleinen Heimstudio in Percha.

Bluesrocker Ron Evans in seinem kleinen Heimstudio in Percha.

(Foto: Nila Thiel)

Der Wahl-Starnberger Ron Evans, der Haudegen unter den Bluesrockern des Fünfseenlands, hat kurzzeitig ans Aufhören gedacht. Nun aber macht der 74-Jährige doch weiter: Demnächst ist er mit seiner Band wieder in Gilching zu hören.

Von Gerhard Summer

Zuletzt hat er schon vom Aufhören geredet, so wie man zwischendrin einen schlechten Musikerwitz erzählt. Seine Bandkollegen fanden's irgendwie komisch, denn alle wissen: Richtige Rocker gehen nie und nimmer in Rente. Aber ein bisschen Wahrheit war dabei. "Ich bin schon 74", sagt der Wahl-Starnberger Ron Evans, "und wenn du älter wirst, merkst du, wie wertvoll die Zeit ist". Klar, Studioaufnahmen sind kein Problem, fast egal in welchem Alter. Aber Live-Auftritte? Die ewige Schlepperei und die langen anstrengenden Fahrten im Bandbus? "Und mit 80 kippste dann um?", fragt Evans. Der Sänger, Gitarrist und Weltenbummler, der in England und Australien aufgewachsen ist, lange Zeit in Skandinavien als DJ gearbeitet und im Starnberger Portobello vis-à-vis von der Sparkasse zehn Jahre lang einen Schallplattenladen betrieben hat, formuliert es so: "Das Komische ist nur: Wenn's mir schlecht geht und ich geh' raus und spiel', dann geht's mir wieder gut."

Anfang April ist es endlich wieder so weit: Erst tritt die Ron Evans Group in der Olchinger Braumanufaktur auf, tags darauf in der Kultkneipe Village in Habach. Und nach einem Abend in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft mit seinem Freund Hanns Christian Müller, dem früheren Co-Autor und Regisseur von Gerhard Polt, der gerade am zweiten Teil seiner skurrilen Geschichten-Sammlung "Sonne für alle" arbeitet, ist er im Mai im Gilchinger Kult-Café zu hören. Eine tolle Kneipe, wie Evans findet. Bei seinem Gastspiel im Oktober 2021 sei es dort "proppenvoll" gewesen. Der Gitarrist mit dunkler und markanter Stimme kommt mit neu besetzter Band: Am Schlagzeug werkelt inzwischen wieder Christoph von Sonnenburg, der schon von 1994 bis 2001 mit von der Partie war. James Jacobs greift in die Tasten; er hatte mit Evans und Müller in den Sechzigerjahren in der Formation Funny Figures mitgespielt. Neu dazu gestoßen ist auch Saxophonist Rainer Blencke. Der Kraillinger stand schon mit Bonnie Tyler auf einer Bühne und zog mit den Trouble Boys und den Thunderbirds durch die Lande.

Musik: Die "Ron Evans Group" bei einem Auftritt in Brandenburg im Juli 2021 vor etwa 800 Zuhörern.

Die "Ron Evans Group" bei einem Auftritt in Brandenburg im Juli 2021 vor etwa 800 Zuhörern.

(Foto: Ron Evans Group)

Alle Musiker singen, "wir haben da einen Riesenchor". Und die Band lasse es nicht nur krachen, sondern habe auch Nummern ins Repertoire genommen, "die wir in Wohnzimmer-Lautstärke spielen können", sagt Evans. Das Programm - ob akustisch oder verstärkt - reicht von den geradlinigen und erdigen Rocknummern des Bandchefs über Coverversionen von Songs der Spencer Davis Group, von Steppenwolf und den Doors bis hin zum Bluesklassiker "Got my Mojo Working" - bekannt gemacht durch Muddy Waters - oder zu Acid-Jazz à la Brian Auger.

Dass diesen Haudegen des Rock und Blues so schnell nichts umhauen kann, hat auch mit einem anderen Umstand zu tun: Evans ist im Gegensatz zu den meisten anderen Berufsmusikern in der glücklichen Lage, auf Mieteinnahmen zurückgreifen zu können. Seine Familie verfüge nämlich über Immobilienbesitz in Norddeutschland, wie er sagt. Längst ist die Musik für den Starnberger und seine Mitstreiter zum Zuschussgeschäft geworden: Wegen der Corona-Pandemie hagelte es Absagen, in den vergangenen zwei Jahren konnte die Ron Evans Group nur eine Handvoll Konzerte geben. Dabei sind Live-Gigs die Haupteinnahmequelle der Musiker und außerdem eine gute Gelegenheit, CDs zu verkaufen. Der Gitarrist sagt lakonisch: "Ich mache das nur noch als Hobby. Das Ziel ist, Spaß mit dem Publikum zu haben, nicht das Geldverdienen."

Musik: Live eine Wucht: Sänger und Gitarrist Ron Evans.

Live eine Wucht: Sänger und Gitarrist Ron Evans.

(Foto: Rob Cale)

Tatsächlich profitieren inzwischen andere von seiner Musik: Streaming- und Download-Plattformen wie Tidal, Spotify, Deezer, Qobus, SoundCloud oder Apple Music, die Bands mit Minimalbeträgen pro Songabruf abspeisen. Einem Fachmagazin zufolge zahlte Spotify zum Beispiel 2021 ganze 0,00348 Cent pro Stream. Evans hat extra einen Aktenordner geholt, in dem er die eintrudelnden Abrechnungen abheftet. Ein paar hundert Euro kämen so alle zwei, drei Monate zusammen, meint er. Etwa genauso viel erhalte er jeweils noch an Tantiemen von der Gema, der "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte". Der 74-Jährige, der neben dem englischen jetzt auch den deutschen Pass hat, seit langem im Starnberger Ortsteil Percha lebt und sich in seiner Wohnung ein kleines Heimstudio eingerichtet hat, gehört zu den produktiven Songschreibern. Hunderte Lieder dürften aus seiner Feder stammen. Trotzdem könne er allein von der Gema, vom schwächelnden Verkauf von CDs und vom Erlös aus Streaming und Downloads noch nicht mal seine Miete zahlen.

Auf seiner Homepage listet Evans ellenlang all die Radiostationen auf, die seine Musik spielen. Bald könnte aber auch noch "Radio Caroline" dazukommen: Der vormalige Piratensender sei auf Albumtracks spezialisiert und stets auf neues Material aus, sagt der Mann, der sich unlängst seinen langen grauen Zopf abschneiden ließ. Und deshalb will Evans, der wohl doch nie so ernsthaft ans Aufhören gedacht hat, jetzt eine Maxi-Single mit zwei, drei Songs aufnehmen.

Die Ron Evans Group spielt am Freitag, 13. Mai, im Kult-Café Gilching. Beginn ist um 19 Uhr. Platzreservierungen unter Telefon 08105/798 9707.

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