Blaues Haus:Der Schlaue schaut aufs Blaue

Dießen: blaues Haus

Der Name ist Programm: das Blaue Haus in Dießen.

(Foto: Nila Thiel)

Das markante Gebäude in Dießen soll nun doch als Kulturzentrum erhalten und nicht abgerissen werden. Zwei Konzepte von Annunciata Foresti und Christiane Graf stehen zur Debatte

Von Gerhard Summer, Dießen

Der Abriss ist vom Tisch, das Blaue Haus in Dießen soll auch nach dem Auszug des bisherigen Pächters Jürgen Bahls im Juli 2017 eine Anlaufstelle für Künstler bleiben. Die Frage ist nur, wer künftig den etwa 180 Quadratmeter großen, für Ausstellungen vorgesehenen Saal verwaltet. In Frage kommen die Kommune oder die Betreiberin des Strickcafés in dem einstigen Hotel, Schulungsheim und Seminargebäude, Christiane Graf. Der Marktgemeinderat werde in einer seiner nächsten Sitzungen im September darüber entscheiden, sagte Bürgermeister Herbert Kirsch auf Anfrage.

Innenarchitekt Bahls hatte das markante, um 1900 entstandene Haus im Jahr 2003 übernommen und nach eigenen Angaben etwa eine halbe Million Euro in die Sanierung investiert. Davor Bahls auf den Plan trat, war schon einmal die Abrissbirne über dem Anwesen geschwebt; Dießen hatte bereits das Geld für den Abbruch bereitgestellt. Nach fast 14 Jahren Pacht hätte Bahls den Mietvertrag gerne noch einmal um weitere fünf Jahre verlängert. Doch das scheiterte daran, dass er und die Kommune sich nicht auf eine Instandsetzung der Immobilie verständigen konnten. Bahls klagte, er sei mit "inakzeptablen Forderungen" zu Dachsanierung und Malerarbeiten konfrontiert worden. Als klar war, dass er das Blaue Haus verlassen würde, setzte wieder die Debatte über Abriss und Neubau mit Wohnungen ein. Die CSU-Fraktion formulierte es in einem Antrag so: "Wir halten ein Geschosswohnungsbau-Modell für Einheimische in Verbindung mit Arztpraxen und gewerblichen Nutzungen für eine zukunftsfähige Lösung." Eine Einschätzung, die auf Widerspruch stieß im Marktgemeinderat. Michael Hoffmann von der Bayernpartei etwa sprach sich für die Nutzung des Hauses als Kunst- und Kulturzentrum aus, ergänzt um ein Keramik- oder Puppenmuseum. Ein Umbau ließe sich womöglich mit Mitteln aus dem Leader-Projekt finanzieren, so Hoffmann.

Inzwischen habe sich die Zahl der Vorschläge auf zwei Konzepte reduziert, wie Rathauschef Kirsch sagt: Christiane Graf, textile Gestalterin und langjährige Ortschefin der SPD Utting, will das Blaue Haus zu einem "Platz machen, wo sich Künstler treffen" und unterrichten. Ihr schwebt vor, alle Generationen und alle Bevölkerungsschichten anzusprechen, wie sie sagt, und auch die Akademie für Fotografie einzubeziehen, die im Haus ihr Büro hat. Im Saal könnten Film-, Literatur-, Theater- und Musikabende über die Bühne gehen, im Herbst sei beispielsweise eine Blaue Woche geplant und außerdem eine Ausstellung, die das Kunsthandwerk in Beziehung setzt zur bildenden Kunst. Graf und ihr Mann Frank hatten das Kultcafé im November 2015 von Bahls gemietet und kurz danach den Saal dazu gepachtet, der Vertrag geht bis Juli 2017. Die beiden bieten derzeit neben Delikatessen und Wein, Kaffee, Kuchen und Mittagsgerichten Strickmode, Wolle und Strickkurse an. Christiane Graf veranstaltet auch Kunsthandwerkermärkte in Utting und im Blauen Haus. Darüber hinaus will sie fünf Ausbildungsplätze für Flüchtlinge und Deutsche schaffen und die Jugendlichen zu textilen Gestaltern des Handwerks ausbilden. Sponsoren hat sie dafür bereits gefunden.

"Uns geht es um Zusammenarbeit, wir wollen den Raum für die Kunst offenhalten", sagt die 64-Jährige. Sie stelle sich vor, "das fünf Jahre zu machen und es dann in jüngere Hände abzugeben". In ihrem Angebot macht sie einen weiteren Vorschlag: das ganze Blaue Haus zu mieten, wobei die Untermieter im ersten Stock, allesamt Firmen, ihre Büros behalten könnten.

Die Malerin und Kuratorin Annunciata Foresti wiederum, die vormals schon Ausstellungen im Blauen Hauses organisiert und die Reihe "Das kleine Format" erfunden hatte, spricht sich in einem offenen Brief mit 13 anderen Künstlern dafür aus, den großen Saal als "öffentlichen und unabhängigen Kulturraum zu erhalten". Er soll der "Kulturszene in Dießen und Umgebung" kostengünstig zur Verfügung stehen, jeweils für ein bis vier Wochen frei vergeben und von einen Nutzer ordentlich an den anderen übergeben werden. Die Gemeinde wäre in diesem Fall dafür zuständig, den Belegungsplan zu führen. Das bestehende Café ist aus Sicht der 14 Künstler "bei Veranstaltungen eine gute Ergänzung", sollte aber vom Saal getrennt sein, um nicht Konsumzwang aufkommen zu lassen. Als Beispiele dafür, dass ein solches Modell funktionieren kann, nennt Foresti die von der Stadt verwaltete Säulenhalle in Landsberg und das Studio Rose. Ihrer Ansicht nach sollte der Saal des Blauen Hauses frei, unabhängig und öffentlich bleiben "und nicht einem Privatpächter/Verein überlassen" werden, heißt es in dem Brief.

Was die anstehende Sanierung des Gebäudes betrifft, so rechnet der Bürgermeister mit relativ geringen Kosten. Dießen müsse das Haus ertüchtigen, sagt Kirsch, aber wenn die Nutzung in dem jetzt vorgesehenen Rahmen bleibt, werde man mit knapp 300 000 Euro hinkommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: