Kommunalwahl:Ein Schlitzohr als Bürgermeister

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Über Josef Steigenberger soll Horst Seehofer einst gesagt haben: "A Hund is er scho". Nun verabschiedet sich der Bernrieder aus dem Amt.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Nach 18 Jahren im Amt tritt der Bernrieder Bürgermeister Josef Steigenberger von der Überparteilichen Freien Wählergruppe (ÜFW) nicht mehr zu den Kommunalwahlen im März an. Letztendlich war für ihn ausschlaggebend, dass er am Ende einer weiteren Amtszeit fast 70 Jahre alt wäre. Als Bürgermeisterkandidat für seine Gruppierung wird der bisherige Dritte Bürgermeister Georg Malterer antreten.

Steigenberger hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht; denn er ist Kommunalpolitiker mit Leib und Seele. Der Vater war Gemeinderat und er selbst sitzt seit 30 Jahren im Gremium. Schon als Kind hat Steigenberger, der auf einem Bauernhof gegenüber von Kloster und Kirche aufgewachsen ist, als Berufswunsch Bauer und Bürgermeister angegeben. Für das Amt des Rathauschefs der 2348-Seelen-Gemeinde hat Steigenberger sogar seinen wesentlich besser bezahlten Job in der Geschäftsleitung einer Bank aufgegeben. "Ich wollte in Bernried bleiben, mit seinem dörflichen Leben, seinen Vereinen und seiner Dorfgemeinschaft", begründet der 63-Jährige seine damalige Entscheidung.

Nach 18 Jahren ist Schluss: Josef Steigenberger tritt als Bürgermeister von Bernried ab. (Foto: Georgine Treybal)

Steigenberger ist nicht nur Rathauschef, er ist Bürgermeistersprecher für den Landkreis Weilheim-Schongau, im Bayerischen Gemeindetag sitzt er im Präsidium und ist Bezirksvorsitzender von Oberbayern des Verbands. Darüber hinaus hält er für die Hanns-Seidel-Stiftung regelmäßig Vorträge zur Entwicklung im ländlichen Raum und ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Universität Krakau. Er ist Vorstandsmitglied im Hospizverein, macht Volksmusik und singt im Kirchenchor. Den elterlichen Bauernhof mit seinen Jungkühen, zwei Ochsen und drei Pferden betreibt er quasi nebenbei. Darüber hinaus findet er noch Zeit für sein Hobby Kutschen fahren, engagiert sich im Vorstand diverser Fahrvereine und richtet Wettbewerbe in seinem Dorf aus. Sein vielfältiges Engagement hat ihm die Spitznamen "Hansdampf in allen Gassen", oder "Prinz von Bernried" eingetragen, je nachdem, wie kritisch man ihm gegenübersteht.

Nun hat er mehr Zeit für sein Hobby Kutschen fahren - hier 2010 beim Traditionswettbewerb in seiner Gemeinde. (Foto: Georgine Treybal)

Steigenberger mag die Menschen, geht offen auf sie zu und ist dabei nicht auf den Mund gefallen. Weil er überzeugt ist, dass sich vieles bei einem Weißbier besser regeln lässt, setzt er Projekte zuweilen mit typisch bayerischer Schlitzohrigkeit um. Wenn internationaler Besuch kommt, wie etwa der südafrikanische Menschenrechtler Desmond Tutu oder der Bürgermeister von Jerusalem, fährt er die Gäste mit der Kutsche durchs Dorf und nutzt die Chance, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Der ehemalige Ministerpräsident und heutige Bundesinnenminister Horst Seehofer soll über ihn gesagt haben "a Hund is er scho", als Steigenberger ihm die Zusage für ein schnelles Internet in Bernried abgerungen hatte. Beim Bier hat er mit dem Tutzinger Pfarrer Peter Brummer ein gemeinsames Projekt für Betreutes Wohnen auf den Weg gebracht und mit dem Direktor des Buchheim-Museums, Daniel Schreiber, das EU-geförderte Projekt "Wunderwelt Bernried".

(Foto: oh)

Als Kommunalpolitiker hat Steigenberger stets nach dem Motto gehandelt "Tradition bewahren und gleichzeitig offen sein für Neues". Tradition bewahren bedeutet für ihn, dass er ganz selbstverständlich Tracht trägt und dabei gleichzeitig sein Tablet bedient, Gespräche protokolliert und sich im Internet auf neuestem Stand bringt. Dass in seiner Amtszeit der historische Bierkeller saniert und ein hochmodernes Rathaus darüber gebaut wurde, ist ein Beleg für seinen innovativem Umgang mit dem heimatlichen Erbe. Wichtigstes Ziel war, dass sich die einheimische Bevölkerung Wohnen im Dorf leisten können muss. In 18 Jahren wurden 70 Häuser im Einheimischenmodell und 70 bezahlbare Eigentumswohnungen gebaut. Die meisten Projekte seien umgesetzt worden und die Einbindung der Bürger hält Steigenberger ebenfalls für geglückt. Aus manchen sei jedoch nichts geworden, wie etwa die Geothermie, die Verschönerung des Ortseingangsbereichs oder die Wiederherstellung eines alten Dorfplatzes. Als größten Erfolg bezeichnet der Rathauschef, als die Gemeinde 2007 die Goldmedaille als "schönstes Dorf Deutschlands" erhielt, 2015 die Bayerische Denkmalschutzmedaille und 2016 die Naturschutzmedaille.

Langweilig wird es Steigenberger auch in Zukunft nicht; denn seine Ehrenämter übt er weiterhin aus. Weil ihm die Gemeinde wichtig ist, wie er sagt, verabschiedet er sich "mit gemischten Gefühlen". Er will sich aus der Kommunalpolitik heraushalten, aber wenn ihn sein Nachfolger um Rat frage, "werde er sicherlich nicht weglaufen", meint er und lächelt dabei verschmitzt.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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