Bei dieser Ausstellung ist der Künstler stets präsent. In Fleisch und Blut kann man Rudi Hurzlmeier bis zum 25. September immer wieder im Buchheim-Museum begegnen, wenn er dort an einem unvollendeten Werk weiterarbeitet. An den übrigen Tagen begrüßt sein Stellvertreter die Besucher am Eingang der Sonderausstellung "Das weite Feld der Unvernunft": Der Meister der komischen Kunst sitzt als Pappkamerad in einer von Siegfried Böttcher angefertigten "Ultraleicht-Skulptur" im Cockpit eines pummeligen Sportfliegers oder "Raumgleiters", der vor einer typisch-Hurzlmeierischen Berglandschaft von einer riesigen Fliege verfolgt wird.
Dies soll aber auch schon der einzige Witz sein, der hier verraten wird - so sehr es den Autor auch drängt, einzelne Gags nachzuerzählen, um die absurde Komik der Bilder aber auch der gesamten Schau darzustellen. Denn es gilt, den Besuchern möglichst viel vom Reiz des Selbstentdeckens zu lassen, um sie und den Künstler nicht um den Lacherfolg zu betrügen. Das gesamte Universum von Hurzlmeiers Humor lässt sich mit selektiven Zitaten ohnehin kaum erschließen: Das reicht von subtil bis brutal, von liebenswürdig bis bösartig, von der doppelbödigen Herzigkeit bis zum skurrilen Schreckensszenario.
Auf jeden Fall aber ist Museumsleiter Daniel Schreiber mit dieser dritten Ausstellung im Rahmen der Reihe "Komische Kunst" zum Auftakt des Humorfestivals Bernried 2022 ein ganz großer Wurf gelungen. Hurzlmeier ist ja weit mehr als ein Karikaturist oder Possenreißer, man kann ihm ohne Weiteres kulturhistorische Bedeutung zuweisen. Gemeinsam mit Michael Sowa und Ernst Kahl wurde gewissermaßen an Deck der Satirezeitschrift "Titanic" eine eigene Kunstform geschaffen, die klassisch und bieder anmutende Malerei satirisch zitiert oder mit karikaturistischen Elementen verfremdet.
Jeder der drei Pioniere setzt dabei ganz eigene Stilmittel ein. Hurzlmeier hat in diesem Triumvirat unter anderem das Persiflieren Alter Meister aller Epochen übernommen. Nichts und niemand ist vor seiner Ironie sicher: Rembrandts Mann mit Goldhelm, Caspar David Friedrich, Francois Boucher, Vincent van Gogh, Franz Marc. Selbst dem US-Undergroundcomiczeichner Robert Crumb ("Fritz the Cat") erweist Hurzlmeier in "Thanksgiving" seine Reverenz. Womöglich besteht da ja eine tiefere Seelenverwandtschaft - auf jeden Fall hat auch der gebürtige Niederbayer als Cartoonist zu zeichnen begonnen, Anfang der 1980er Jahre bei der Münchener Stadtzeitung. Zudem offenbaren beide einen ausgeprägten Hang zum Grotesken und gelegentlich Obszönen - und pflegen in ihren Sujets eine Vorliebe für voluminöse weibliche Weichteile.
Manches Bild strahlt etwas Beunruhigendes aus
Freilich haben sich Hurzlmeiers Arbeiten von der Strichzeichnung zur technisch ausgereiften Malerei weiterentwickelt, oft ist darin die Nähe zu den Surrealisten und besonders zu Rene Magritte deutlich zu spüren. "Er fügt Sachen zusammen, die nicht zusammen passen", sagt Schreiber über Hurzlmeier. Dessen Schaffen zeige, "was Kunst im besten Sinne leisten kann: Konventionen zu sprengen". Nicht wenige Bilder strahlten dabei auch etwas Beunruhigendes aus, wie etwa die absurden Zukunftsvisionen, die der Künstler unter dem Pseudonym Nic Schultz entwirft. Am Unheimlichsten mutet freilich der monumentale "Veitstanz beim Fürst der Finsternis" an. Es ist das größte Bild, das jemals im Buchheim-Museum zu sehen war. Und "Das weite Feld der Unvernunft" kann mit einem weiteren Superlativ aufwarten: Mit mehr als 200 Arbeiten ist es laut Schreiber die größte Hurzlmeier-Werkschau, die es jemals gab.
Hinzu kommt, dass der Künstler diese Ausstellung weitgehend selbst konzipiert und inszeniert hat, wie der formelle Kurator Reinhard Wittmann und Vorsitzender des Forums Humor beim Pressegespräch verriet: "Hurzlmeier ist der ideale Partner, der eigene Ideen in Inszenierungen umsetzt". Um die Wirkung der Bilder zu unterstützen, setze der Künstler die Raumerfahrung ein, die sieben Abteilungen - "Arkadien", "Mysterien", "Visionen", "Visagen" sowie "Kindergarten", "Tiergarten" und "Lustgarten" - sind mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet. Selbst die Bildunterschriften hat Hurzlmeier eigenhändig angebracht, bei dieser Gelegenheit tauft er auch schon mal ein Werk um. Während Schreiber und Wittmann noch den Medienvertretern Auskunft geben, ist der Künstler schon wieder im Museum unterwegs, um am "Veitstanz..." ein paar Pinselstriche anzubringen oder rasch noch eine Skulptur als komischen Kommentar zur Klimaerwärmung aufzustellen.
Wer sich als Ausstellungbesucher zu eigener Kreativität inspiriert fühlt, hat an einem Maltisch Gelegenheit, "Hirameki"-Blätter von Hurzlmeier auszuschmücken. Diese gemeinsam mit Günter Mayer erfundene Maltechnik beruht auf scheinbar zufällig entstandenen Farbklecksen, aus denen sich mit wenigen Strichen und viel Phantasie Figuren zum Leben erwecken lassen. An den Ausstellungswochenenden finden im "Labor der Phantasie" Hirameki-Workshops für Kinder und Erwachsene statt. Am 18. und 19. Juni steht Musikkabarett mit David Berlinghof auf dem Programm, der die Hurzlmeier-Show mit einer Klanginstallation bereichert, die vor allem die tierischen Motive im Werk dieses Meisters des Absurden aufgreift.
Ein abgeschnittener Finger hier, ein Paar Schuhe hinter einem Vorhang dort und immer wieder Gurken oder Eichhörnchen: Im weiten Feld der Unvernunft gibt es unendliche viele Details zu entdecken. In und mit dieser einzigartigen Ausstellung kann man sehr viele Stunden lang einen Heidenspaß haben - gerade weil Rudi Hurzlmeier kein bloßer Spaßmacher ist, sondern auch mit dem Abgründigen und der hohen Kunst gekonnt sein Spiel treibt.