SZ-Kolumne: Ham Ham Hemminger, Folge 8Türkische Froschschenkel

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Familie Hemminger besucht in Burgund Frédéric Ménager, eine Legende unter Frankreichs Köchen: Hier interviewt Anna Hemminger den Meisterkoch, der beim Kochen ebenso wie im normalen Leben zu Gelassenheit rät.
Familie Hemminger besucht in Burgund Frédéric Ménager, eine Legende unter Frankreichs Köchen: Hier interviewt Anna Hemminger den Meisterkoch, der beim Kochen ebenso wie im normalen Leben zu Gelassenheit rät. (Foto: Patrick Hemminger)

Familie Hemminger besucht in Burgund Frédéric Ménager, der als Legende unter Frankreichs Köchen gilt. Sein ultimatives Rezept fürs Leben: „Du musst loslassen!“

Von Patrick Hemminger, Bernried

Nach elf Tagen Hausboot geht es weiter: Die Koffer sind gepackt, das Auto steht beladen auf der Rue de la Port, der Hafenstraße. Wir drehen den Zündschlüssel. Nichts passiert. Wir drehen den Schlüssel ein zweites Mal. „Motorfehler! Fahrzeug reparieren lassen!“ leuchtet vor mir auf dem Display auf. Merde! Ausgerechnet heute, wo wir einen Besuch bei Frédéric Ménager geplant haben, einer Legende unter Frankreichs Köchen. Er hat vor 20 Jahren die heruntergekommene „Ferme de la Ruchotte“ gekauft, einen Bauernhof bei Bligny Sur Ouche, hält Tiere und baut Gemüse an. 

Ob wir das schaffen? Doch dann geht doch alles gut aus: Es ist Autobatterie, stellt der Pannendienst fest, und schickt uns in die nächste Werkstatt, wo ein gut gelaunter junger Mann in Rekordtempo das Ding auswechselt.

Gerade rechtzeitig zur Mittagszeit erreichen wir die Ferme de la Ruchotte. 20 Hähne stolzieren neben dem Parkplatz und krähen. Zwei Hunde begleiten uns in den Gastraum. In der Mitte ein großer Holztisch mit 14 Plätzen, im Herd flackert ein Feuer, an den Wänden Poster von Metall-Musikern, Skateboards und ein Totenkopflogo. „Ihr seid die mit der Panne, oder? Willkommen!“, sagt Carole, eine große Frau mit Schlangen-Tattoo am Hals. Wir ordern das Menü, als ersten Gang zusätzlich Froschschenkel. Schon bald steht ein flacher, gusseiserner Topf vor uns auf dem Tisch. Darin acht Froschhinterteile mit Beinen dran in Butter, Knoblauch und Petersilie.

Frédéric Ménager hat vor 20 Jahren die heruntergekommene „Ferme de la Ruchotte“ gekauft, einen Bauernhof bei Bligny Sur Ouche. Er hält Tiere und baut Gemüse an. 
Frédéric Ménager hat vor 20 Jahren die heruntergekommene „Ferme de la Ruchotte“ gekauft, einen Bauernhof bei Bligny Sur Ouche. Er hält Tiere und baut Gemüse an.  (Foto: Patrick Hemminger)

Carlotta nagt begeistert die feinen Knochen ab und gibt sich selbst gleich eine Lektion in Biologie. „Schaut mal, jetzt weiß ich, wie ein Frosch springt“, sagt sie verzückt und bewegt die Beinchen in der Luft auf und ab. Einfach ist es nicht, an Frösche heranzukommen, erklärt Carole. Denn in Frankreich sind Fang und Zucht verboten. Die meisten Tiere kommen tiefgefroren aus Fernost. Frédéric bezieht seine aus der Türkei. Sie kommen lebend in Frankreich an und werden dort geschlachtet. Es folgen eine Paté und ein großer Raviolo für jeden, gefüllt mit Fleisch in einer Brühe, die so intensiv ist, dass sie fast süßlich schmeckt. 

Der Höhepunkt: ein gusseiserner Topf mit geschmortem Geflügel und Schweinefleisch. Alle Tiere von der Farm. Wir müssen die Hände nehmen, Bratensaft tropft aus unseren Mündern. „Ist das gut“, sagt unsere Tochter Carlotta.

Nach dem Essen setzt sich Frédéric an unseren Tisch. Kurzes graues Haar, langer Bart. Aus den Ärmeln seines karierten Hemdes ragen bis an die Handgelenke tätowierte Arme. „Geht’s euch gut?“, fragt er leise. Was es braucht, um ein guter Koch zu sein, will ich von ihm wissen. „Als Erstes musst du dein Ego beiseitenehmen. Du als Person bist nicht wichtig. Wichtig ist das Gemüse, das Fleisch, das Obst. Die Produkte sind wichtig, ohne gute Zutaten kannst du nichts erreichen“, sagt Frédéric. Dann gibt er uns noch einen Satz mit: „Du musst loslassen. Wenn du loslässt, dann geschehen die Dinge von selbst.“ Dieses Motto wollen wir uns mitnehmen auf die Reise. 

Kantinenessen, Hortpampe, Alltagsbrei – Familie Hemminger aus Bernried hat es satt und bricht auf. Das Ziel: Das beste Essen in Europa finden. Was sie dabei erlebt, erzählt die Familie an dieser Stelle in der wöchentlichen Kolumne „Ham Ham Hemminger“. Mehr Informationen gibt es im Blog www.travelandtaste.world und im Podcast „Bock auf Regional – Reise durch Europa“. Alle weiteren Folgen der Kolumne gibt es hier.

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