Bernried:Die Pflege der Methusalem-Bäume

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Auf einer Tagung in entwickeln Planer und Praktiker Strategien, um alte Baumriesen schonender zu sanieren und sie als Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu erhalten.

Armin Greune

Etwa 40 Leute blicken unter ihren Schirmen gebannt nach oben, wo in zehn Meter Höhe Peter Schmeller durch eine Eichenkrone turnt. In den Dauerregen an diesem Dienstag mischen sich Schneeflocken, während der an einem Seilsystem gesicherte Baumpfleger Äste stutzt. Bei solchem Wetter würde er eigentlich nicht arbeiten, sagt Schmeller, als er wieder auf den sicheren Boden des Bernrieder Parks zurückgekehrt ist: Beim Klettern am nassen Stamm könnte der Lebensraum Baum geschädigt werden, etwa indem das Moos von der Rinde gerieben wird. Und ja, auch die Arbeitssicherheit sei heute nicht optimal, räumt er auf Nachfrage ein.

In zehn Metern Höhe klettert Peter Schmeller im tropfnassen Geäst einer Eiche herum, um im Bernrieder Park die fachgerechte Pflege von Baumriesen zu demonstrieren. arm/Fotos: (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Die Demonstration am lebenden Objekt ist für Laien der spannende Höhepunkt des zweitägigen Fachsymposiums "Naturerbe bewahren am Beispiel Bernrieder Methusalem-Bäume", das Christina Voormann initiiert und konzipiert hat. 86 Planer und Praktiker, Behördenvertreter und Baumpfleger aus dem gesamten deutschsprachigen Raum sind zusammengekommen, um in 14 Vorträgen und Workshops zu erörtern, wie man alte, sanierungsbedürftige Bäume besser schützen kann.

Dabei stehen sie weniger als Individuen im Fokus, sondern vielmehr als Habitate, die zahlreichen Tieren, Pilzen und Pflanzen Lebensraum bieten: Eine heimische Eiche etwa beherbergt und ernährt bis zu 1000 verschiedene Insekten-, Vogel- und Säugetierarten. "Dieses Thema ist noch nicht ausreichend in den Naturschutzbehörden verankert", findet Voormann: Deshalb sollen in der Tagung Strategien für die Absicherung dieser noch relativ unerforschten Ökosysteme entwickelt werden. Im Blickpunkt stehen dabei auch eine Verbesserung der gesetzlichen Schutzbestimmungen und Förderprogramme.

In Huglfing habe man als erste Kommune des Landkreises Weilheim-Schongau kürzlich ein Zuschussprogramm ins Leben gerufen, berichtet Voormann: Privateigentümer werden aus der Gemeindekasse unterstützt, wenn sie ihre alten Bäume fachgerecht und schonend sanieren lassen, statt die radikale Lösung mit der Motorsäge zu wählen. Diese Nachricht traf auch bei Bürgermeister Korbinian Steigenberger auf großes Interesse, der beim Symposium die Trägergemeinschaft "Bernrieder Vorsprung" vorstellte. Schließlich ist sein Dorf für das Thema "Methusalem-Bäume" als Tagungsort prädestiniert: Im Gemeindegebiet finden sich mehrere hundert Eichen und andere Baumriesen, die im Rahmen des "Vorsprung"-Projekts mitsamt ihren Habitatpartnern erfasst werden sollen.

Doch eine derartige Wertschätzung erfahren die Veteranen erst in wenigen Rathäusern. Während sich bei Kommunalpolitikern und Behörden der sensible Umgang mit altersschwachen Bäumen nur sehr langsam durchsetzt, hat bei den Praktikern das Umsetzen längst eingesetzt: Unter ihnen sei es "nun allgemein anerkannt", dass bei der Sanierung nicht nur die Verkehrssicherung, sondern "eine Vitalisierung der Bäume im Vordergrund steht", sagt Hendrik Wagler, Geschäftsführer der 1993 gegründeten Arbeitsgemeinschaft "Neue Baumpflege" in seinem Referat. Anstelle des Aufstiegs mit Steigeisen, die Rinde und Kambium verletzten können, wird mit Hebebühnen und fixierten Seilen gearbeitet; fragwürdige Methoden der Baumchirurgie sind einem ausgewogenen System aus Rückschnitt, Seilsicherungen und Abstützungen gewichen. Abgestorbene Kronenteile werden nicht mehr zwangsläufig beseitigt, Lebensräume in Stamm- und Asthöhlen geschont. Selbst tote Stämme könnten als "Ökobäume" noch Jahrzehnte lang erhalten bleiben.

Die mindestens 200 Jahre alte Eiche im Park ist als Musterpatient bestens geeignet: Freistehend auf der Wiese spielt bei ihr die Verkehrssicherheit eine untergeordnete Rolle, ihr gedrungener Wuchs stabilisiert sie gegen Stürme. Doch der früher einmal radikal gekürzte Baum weist einen Spalt auf, der bis zum Stammfuß herabreicht: Schmeller hat daher ein Sicherungsseil quer durch die Krone gespannt und sehr behutsam außen einige vitale Äste entfernt, um die Angriffsfläche für Wind zu verringern. So ließe sich das Leben der Eiche nochmal um 200 Jahre verlängern, hofft Schmeller. "Wir werden das kontrollieren", entgegnet der Gautinger Baumpfleger Andreas Detter und erntet so schallendes Gelächter. (Kommentar Seite R7)

© SZ vom 16.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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