Kunst:Weil es zusammengehört

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Kurator Werner Murrer hat für die Ausstellung jahrzehntelang Forschungsarbeit geleistet. (Foto: Nila Thiel)

Ernst Ludwig Kirchner hätte ein Bild niemals ungerahmt ausgestellt. Das Buchheim-Museum widmet dem Bilderrahmen eine eindrucksvolle Ausstellung – und zeigt nebenbei mehr als 50 Gemälde des Künstlers.

Von Katja Sebald, Bernried

Eine Ausstellung, in der es um Bilderrahmen geht? Ist das nicht eher etwas für einige wenige Freaks, Fachleute und Forscher? Alles andere als das! Die Ausstellung „Wiederentdeckt & Wiedervereint. Rahmen und Bilder von Ernst Ludwig Kirchner“, die seit Anfang Oktober im Buchheim-Museum in Bernried zu sehen ist, macht auf sehr eindrückliche Weise sichtbar, was zusammengehört und nicht getrennt werden sollte. Sie lenkt den Blick über den Bildrand hinaus und erzählt Geschichten, die spannend sind wie ein Krimi. Und sie versammelt – sozusagen nebenbei – mehr als fünfzig hochkarätige Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner, wie sie in dieser Fülle noch nie zuvor in Bernried zu sehen waren.

Zu verdanken ist diese fulminante Bilder- und Rahmenschau vor allem der jahrzehntelangen Forschungsarbeit von Werner Murrer, der seinen Beitrag im Ausstellungskatalog zwar bescheiden als „Schlussbemerkung eines Rahmenmachers“ betitelt, tatsächlich aber nicht nur Initiator, Organisator und Kurator der Ausstellung ist, sondern auch für die ausgesprochen stimmige Präsentation an farbigen Wänden verantwortlich zeichnet. Mit seinem Enthusiasmus für Künstlerrahmen und deren Bedeutung für die Bildwirkung hat er das Kirchner Museum in Davos und das Bernrieder Buchheim-Museum für ein Kooperationsprojekt begeistert und er hat auch weitere Museen wie auch private Sammler davon überzeugt, ihre Schätze auszuleihen. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin, der Kunsthistorikerin Marianne Saal, hat er außerdem ein Werkverzeichnis für die zum jetzigen Zeitpunkt bekannten 150 Originalrahmen von Ernst Ludwig Kirchner erstellt.

„Ungerahmte Bilder gebe ich niemals auf Ausstellungen, das geht bei meinen Arbeiten nicht. Wenn ich etwas mache, so recht und gut als irgend möglich, sonst lieber nicht.“ Dieses Zitat von Ernst Ludwig Kirchner fasst die Bedeutung zusammen, die er dem Rahmen als Teil seiner künstlerischen Arbeit zumaß. Für beinahe jedes Bild entwarf er einen individuellen Rahmen. Das in der Ausstellung gezeigte Gemälde „Kopf mit Pfeife“ aus dem Jahr 1913 hat noch den einfachen Bretterrahmen, den Kirchner vielleicht selbst baute und anschließend mit einer grünlich abgetönten Goldbronze fasste. Für spätere Rahmen haben sich von ihm detaillierte Zeichnungen mit den jeweils gewünschten Profilen erhalten. Nicht selten bemalte Kirchner den Rahmen farblich oder auch thematisch passend zu den Bildmotiven. An einigen Beispielen lässt sich sogar nachweisen, dass er noch am Bild selbst weiter malte, wenn es schon gerahmt war. Für seinen wichtigsten Sammler Dr. Frédéric Bauer, der in Davos zugleich sein Arzt war, machte er freilich eine Ausnahme: Bauer präsentierte die Gemälde, die er von Kirchner im Laufe der Jahre gekauft hatte, in antiken italienischen Rahmen. Ein Brief aus dem Jahr 1934 legt sogar nahe, dass Kirchner eigens Bilder für Rahmen malte, die Bauer von Reisen mitgebracht hatte und ihm zur Verfügung stellte.

Die weitaus meisten Gemälde von Kirchner haben im Laufe der Jahrzehnte ihren originalen Rahmen verloren. Wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten mussten Bilder mit auf die Flucht genommen und deshalb ausgerahmt werden. Auch im Krieg mussten sie versteckt werden. In der Nachkriegszeit wurden Bilderrahmen aus schierer Not verheizt. Und in der Wirtschaftswunderzeit galten die bemalten Rahmen als zu „einfach“ und wurden durch protzige Goldrahmen ersetzt.

Die meisten Gemälde von Kirchner haben im Laufe der Jahrzehnte ihren originalen Rahmen verloren. (Foto: Nila Thiel)
An manchen Bildern hat Kirchner noch gemalt, obwohl sie schon im Rahmen waren. (Foto: Nila Thiel)
Andere fertigte er speziell für bereits vorhandene Rahmen an. (Foto: Nila Thiel)

Die Ausstellung zeigt deshalb nicht nur besonders schöne, original erhaltene Bild-Rahmen-Kombinationen wie das „Mädchen in Südwester“ mit dem aufwendig mit barockisierenden Ornamenten bemalten Rahmen, das aus einer Schweizer Privatsammlung kommt, oder das großformatige „Bildnis der Frau Hembus“ aus dem Jahr 1932, ebenfalls aus einer privaten Sammlung kommend, dessen Rahmen in starken Farben passend zum Bild gestaltet ist. Eine ganze Wand ist Gemälden gewidmet, die sich ursprünglich in der Sammlung von Dr. Frédéric Bauer befanden, und deren Rahmen entweder im Original erhalten sind oder in dieser Ausstellung erstmals mit einem nach Fotografien rekonstruierten Rahmen präsentiert werden, so etwa das Triptychon „Alpleben“ aus dem Kirchner-Museum in Davos.

Als besonderen Glücksfall aber darf man wohl die jetzt erfolgte Zusammenführung des Gemäldes „Blick ins Tobel“ mit seinem originalen Rahmen betrachten: Das Bild befindet sich seit den 1960er-Jahren in der Kunsthalle Bielefeld, der Rahmen war zusammen mit dem Bild in den Wirren des Zweiten Weltkriegs ins Depot des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum nach Innsbruck gelangt – und dort vergessen worden. 

Die Ausstellung „Wiederentdeckt & Wiedervereint. Rahmen und Bilder von Ernst Ludwig Kirchner“ ist bis zum 12. Januar 2025 im Buchheim-Museum in Bernried zu sehen und geht danach ans Kirchner-Museum nach Davos, wo sie vom 9. Februar bis zum 4. Mai 2025 gezeigt wird.

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