BernriedBuchheims Notizen

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Das Bild "Zwei Mädchen" von Erich Heckel. Die Spur verliert sich, darum soll die Herkunft noch geklärt werden. Es eine der Arbeiten, die im Rahmen der Provenienzforschung im Buchheim-Museum in Bernried untersucht wurden.
Das Bild "Zwei Mädchen" von Erich Heckel. Die Spur verliert sich, darum soll die Herkunft noch geklärt werden. Es eine der Arbeiten, die im Rahmen der Provenienzforschung im Buchheim-Museum in Bernried untersucht wurden. (Foto: Nikolaus Steglich/Nikolaus Steglich; Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen, VG Bild-Kunst, Bonn, 2024)

Die Anmerkungen des Kunstsammlers in zahlreichen Auktionskatalogen liefern der Kunsthistorikerin Johanne Lisewski wertvolle Hinweise für die Provenienzforschung – und damit auch auf mögliche NS-Raubkunst. Zuletzt hat sie sich 200 Werken der Künstlergruppe „Die Brücke“ gewidmet.

Von Katja Sebald, Bernried

„Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 rekonstruierbar und unbedenklich.“ Wenn Johanne Lisewski zu diesem Ergebnis kommt, erhält das untersuchte Kunstwerk die Ampelfarbe Grün. Das heißt, es ist ihr gelungen, seine Geschichte lückenlos zurückzuverfolgen und eine unrechtmäßige Enteignung während der Zeit des Nationalsozialismus auszuschließen. In den vergangenen beiden Jahren hat die Provenienzforscherin am Buchheim-Museum in Bernried in einem vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste geförderten Projekt nun auch die etwa 200 Papierarbeiten der Künstlergruppe „Die Brücke“ aus der Sammlung des Museumsgründers Lothar-Günther Buchheim untersucht. Nur bei einem der Bilder ließ sich bis jetzt ein Verdacht noch nicht restlos ausräumen.

Es ist das vierte Provenienzprojekt in Bernried, seit das Buchheim-Museum im Jahr 2017 als eine der ersten privaten Stiftungen in Deutschland die Herkunft seiner Bestände zu erforschen begann. Die Kunsthistorikerin Lisewski versucht, die Eigentümer jedes einzelnen Blattes bis zu dem Tag zurückzuverfolgen, an dem es das Atelier des Künstlers verlassen hat. Den Schwerpunkt bilden dabei die Besitzerwechsel im Zeitraum von 1933 bis 1945, denn es geht darum, NS-Raubkunst zu finden und, soweit möglich, an die Nachfahren der rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Teil der Arbeit ist auch die Dokumentation der Recherchen auf der Website des Museums und die Einstufung für jedes einzelne Werk in das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste vorgeschlagene Ampelsystem.

Anlass zu den jetzt abgeschlossenen Forschungen hatten drei Papierarbeiten von Erich Heckel gegeben, auf deren Rückseite sich der Stempel des 1931 verstorbenen Kunstsammlers Alfred Hess aus Erfurt befindet. Seine Frau Tekla und der Sohn Hans Hess wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft vom NS-Regime verfolgt und emigrierten nach Großbritannien. Jetzt konnte geklärt werden, dass die drei Blätter bis zu einer Versteigerung im Stuttgarter Kunstkabinett im Jahr 1956 im Besitz der Familie Hess geblieben waren und dort von Buchheim erworben wurden.

Es handelt sich dabei um eine Kohlezeichnung mit dem Titel „Träumerin“ aus dem Jahr 1913, die aquarellierte Zeichnung „Gelber Akt“ von 1912 sowie ein Blatt, auf dessen Vorderseite sich eine „Schlafende“ und auf dessen Rückseite die Zeichnung eines Mädchenakts befindet. Sie dürften zu den Sammlungsbeständen gehört haben, die von der Familie trotz ihrer verfolgungsbedingten Flucht gerettet werden konnten.

Johanne Lisewski erforscht die Herkunft von Bildern im Buchheim-Museum in Bernried. Dafür wurde nun eine unbefristete Teilzeitstelle geschaffen.
Johanne Lisewski erforscht die Herkunft von Bildern im Buchheim-Museum in Bernried. Dafür wurde nun eine unbefristete Teilzeitstelle geschaffen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Grundlage für Lisewskis Recherchen bilden nicht zuletzt etwa 80 laufende Meter Auktionskataloge, die sich in der Privatbibliothek der Eheleute Buchheim erhalten haben. In der Nachkriegszeit begann Buchheim, Versteigerungen zu verfolgen und Kunstwerke zu erwerben. In den Katalogen markierte er im Vorfeld die Objekte, die ihn interessierten. Nach der Versteigerung notierte er, was er zu welchem Preis erworben hatte. So wurde etwa 1954 auf einer Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts die Tuschezeichnung „The Panama Girls. (Vier Tänzerinnen)“ von Ernst Ludwig Kirchner zum Verkauf angeboten. Im Auktionskatalog hatte Lothar-Günther Buchheim sein besonderes Interesse an dem Los vermerkt und schließlich den Hammerpreis in Höhe von 160 Mark dokumentiert.

Für die weitaus meisten, aber nicht für alle Kunstwerke führten Lisewskis Recherchen nun zu einem abschließenden Ergebnis. Über eine Ausstellung von Erich Heckel in der Kestner-Gesellschaft in Hannover berichtete die „Magdeburger Zeitung“ im Oktober 1935: „Ein kleines Blatt ist da, von 1909, das Früheste, das in der Ausstellung enthalten ist; es ist eine heitere und freie Zeichnung: Mädchen, die auf einem Sofa liegen und lachen; obenhin aquarelliert mit einem Pinsel, der voll zu stecken scheint mit französischem Witz. Ganz aus der Natürlichkeit geboren, ohne Schule, ohne gewollten Stil. Hier, scheint es, nimmt eine ungebrochene Linie ihren Ausgang zu den letzten großen Landschaften Heckels, aus denen in der tiefsten Klarheit ein Aeußerstes ans Licht strahlt.“ Im Ausstellungskatalog ist die Zeichnung „Zwei Mädchen“ als Leihgabe von „Fritz Beindorff, Isernhagen“ ausgewiesen, danach aber verliert sich seine Spur, bis es im Januar 1950 von dem Münchner Kunsthändler Hans Hellmut Klihm angeboten wird.

Auktionskataloge aus der Privatbibliothek der Eheleute Buchheim sind eine wichtige Quelle bei der Spurensuche
Auktionskataloge aus der Privatbibliothek der Eheleute Buchheim sind eine wichtige Quelle bei der Spurensuche (Foto: Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen, VG Bild-Kunst, Bonn, 2024)

Lisewski schreibt dazu: „Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug kann aufgrund von Hans Hellmut Klihms jahrelanger Zusammenarbeit mit dem Kunsthändler Walter Bornheim in der von Bornheim ,arisierten’ Galerie für Alte Kunst in München, seiner Tätigkeit für den ,Sonderauftrag Linz’ bis März 1945 und den daraus entstandenen Netzwerken, in denen Klihm auch nach 1945 noch im Kunsthandel agiert, nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden.“ Die Herkunft des Blattes müsse deshalb weiterhin untersucht werden. Wie gut, dass die Buchheim-Stiftung jetzt eine unbefristete Teilzeitstelle für die Provenienzforschung geschaffen hat und Lisewski weiterarbeiten kann.

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